Index
41/01 SicherheitsrechtNorm
B-VG Art130 Abs1 Z1Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der sechswöchigen Frist zur Einbringung von Beschwerden wegen Verletzung der Richtlinien-Verordnung für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Hinblick auf Art136 Abs2 B VG; Frist für Richtlinienbeschwerden nicht an der vierwöchigen Frist des VwGVG für Verhaltensbeschwerden zu messenRechtssatz
Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtes Wien (VGW - LVwG) auf Aufhebung der Wortfolge "binnen sechs Wochen" in §89 Abs2 SPG idF BGBl I 161/2013.
Die Richtlinienbeschwerde ist zwar eine Verhaltensbeschwerde nach Art130 Abs2 Z1 B-VG, die Frist des §89 Abs2 SPG ist jedoch keine Frist einer Verhaltensbeschwerde iSd §7 Abs4 VwGVG. Die Richtlinienbeschwerde eröffnet dem Betroffenen eine besondere Rechtsschutzmöglichkeit, die Verletzung von gemäß §31 SPG erlassenen Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in einem zweistufigen Verfahren geltend zu machen. Eingeleitet wird das Verfahren durch eine Beschwerde, die der von einer Richtlinienverletzung Betroffene binnen sechs Wochen alternativ beim Landesverwaltungsgericht oder direkt bei der Dienstaufsichtsbehörde einzubringen hat. Wird sie beim Landesverwaltungsgericht eingebracht, muss dieses vorerst die Beschwerde der Dienstaufsichtsbehörde zur weiteren Behandlung als Aufsichtsbeschwerde zuleiten; insoweit liegt zu diesem Zeitpunkt auch keine Entscheidungspflicht des Landesverwaltungsgerichtes vor. Die Dienstaufsichtsbehörde muss sodann spätestens binnen drei Monaten mitteilen, ob ihrer Ansicht nach eine Richtlinienverletzung vorliegt. Gesteht die Dienstaufsichtsbehörde eine Verletzung von Richtlinien zu oder erklärt sich der Betroffene für klaglos gestellt (§89 Abs3 SPG), ist das Verfahren beendet. Teilt sie hingegen dem Betroffenen mit, dass keine Verletzung einer Richtlinie festgestellt werden konnte, oder erfolgt innerhalb der Frist von drei Monaten keine Mitteilung, kann der Betroffene (Beschwerdeführer) binnen zwei Wochen eine Entscheidung über seine Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht verlangen. Prüfungsgegenstand vor dem Landesverwaltungsgericht ist allein das Organverhalten, nicht die aufsichtsbehördliche Mitteilung über das Nichtvorliegen einer Richtlinienverletzung.
Das Verfahren über eine Richtlinienbeschwerde ist demnach so konzipiert, dass das Landesverwaltungsgericht zunächst nur die Verpflichtung trifft, die bei ihr eingebrachte Beschwerde der zuständigen Aufsichtsbehörde zuzuleiten, eine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Richtlinienverletzung kommt ihr in diesem Verfahrensstadium nicht zu. Erst ab einem Entscheidungsverlangen nach §89 Abs4 SPG trifft es die Pflicht zur Entscheidung, ob das Verhalten des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Richtlinie verletzt hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des Sicherheitspolizeigesetzes mit der Frist des §89 Abs2 SPG es dem Betroffenen (nur) ermöglichen bzw erleichtern wollte, eine Beschwerde über eine Richtlinienverletzung gemeinsam mit einer Beschwerde über die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (§88 Abs1 und 4 SPG) zu verfassen und die Richtlinienbeschwerde unter einem mit der Beschwerde über die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt beim Landesverwaltungsgericht einzubringen. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber wie hier für ein Verfahren, das dem Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorgeschaltet ist, nicht die Frist für Verhaltensbeschwerden gemäß §7 Abs4 VwGVG vorsieht.
Schlagworte
Sicherheitspolizei, Beschwerdefrist, VfGH / Gerichtsantrag, Rechtspolitik, FristenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G363.2020Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022