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L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der B in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 22. Mai 1995, Zl. 1-0333/95/K2, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Voralberg (UVS) vom 22. Mai 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) vom 14. Februar 1995, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes (SPG) keine Folge gegeben und das Straferkenntnis bestätigt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführerin sei im Straferkenntnis vorgeworfen worden, sie habe vom 16. September 1994, 23.50 Uhr bis zum 17. September 1994, 0.20 Uhr im Haus Hirschenweg Nr. 12 in F. die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt, indem sie mit einem Mann einen Mundverkehr gegen ein Entgelt von S 1.200,-- durchgeführt habe. Sie habe dadurch eine Übertretung des § 18 Abs. 1 lit. c i.V.m. § 4 Abs. 1 SPG begangen, weshalb über sie eine Arreststrafe in der Dauer von 7 Tagen verhängt worden sei. Der UVS habe eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Es steht folgender Sachverhalt fest: Die Beschwerdeführerin habe sich am 16. September 1994 kurz vor 23.50 Uhr bei der Kreuzung B 202/Hirschenweg in F. einem PKW-Lenker zur Ausübung der Gewerbsunzucht angeboten. In der Folge sei diese PKW-Lenker mit der Beschwerdeführerin zum Haus Hirschenweg Nr. 12 gefahren, wo die Beschwerdeführerin mit diesem einen "Oralverkehr" durchgeführt habe. Der Freier habe dafür S 1.200,-- bezahlt. Ein Gedarmeriebeamter habe die Abfahrt des Freierfahrzeuges überwacht und sei diesem in der Folge nachgefahren. Der Freier sei dann in H. bei der A.-Tankstelle kontrolliert und zum Sachverhalt befragt worden.
Dieser Sachverhalt sei aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der im Gegenstand durchgeführten mündlichen Verhandlung als erwiesen anzunehmen. Im Zuge dieser Verhandlung seien die Beschwerdeführerin sowie der Freier St. und die Gendarmeriebeamten Inspektor W. und Inspektor M. als Zeugen einvernommen worden. Insp. W. habe angegeben, daß die Gendarmerie am Tattag eine Observation durchgeführt habe. Insp. M habe damals die Beschwerdeführerin observiert und dabei die Kontaktaufnahme zwischen dem Freier und der Beschwerdeführerin festgestellt. Er selbst habe dann das Freierfahrzeug in der Nähe des Hauses Hirschenweg Nr. 12 in F. festgestellt. Anschließend hätten sie, d.h. er und ein weiterer Kollege die Abfahrt des Freierfahrzeuges überwacht und den Fahrzeuglenker in H. bei der A.-Tankstelle kontrolliert und zum Sachverhalt befragt. Insp. M habe ausgesagt, daß er damals die Beschwerdeführerin aus einer Entfernung von ca. 20 m observiert habe. Er habe die Beschwerdeführerin damals eindeutig identifizieren können. Zum Tatzeitpunkt sei auch die Prostituierte Y. - diese lebe im selben Haus wie die Beschwerdeführerin - am betreffenden Standort gewesen. Es seien ihm beide Prostituierte bekannt. Für ihn habe kein Zweifel bestanden, daß die Beschwerdeführerin damals in den gegenständlichen PKW eingestiegen sei; er kenne diese schon von mehreren Kontrollen her. Das Kennzeichen des Freierfahrzeuges habe er seinem Kollegen Insp. W. über Funk durchgegeben.
Der Zeuge St. habe bei seiner Einvernahme auf seine Angaben vor der BH verwiesen. Denen zufolge sei er damals mit seinem PKW bei der Kreuzung B 202/Hirschenweg in F. auf Höhe des Gasthauses "Hirschen" bei einer Prostituierten stehen geblieben und mit dieser die Durchführung eines "Oralverkehrs" um S 1.200,-- vereinbart, welcher auch durchgeführt worden sei. Er sei dann von einer Gendarmeriepatrouille angehalten worden. Weiters habe St. noch angegeben, daß die - ebenfalls zur mündlichen Verhandlung erschienene - Beschwerdeführerin von der Statur her der damaligen Prostituierten nahe komme.
Im Hinblick auf diese Zeugenaussagen, die aus der Sicht des UVS glaubwürdig seien und an deren Richtigkeit er daher keinen Zweifel hege, sei es als erwiesen anzusehen, daß es die Beschwerdeführerin war, die damals mit dem Freier St. im Haus Hirschenweg Nr. 12 in F. einen "Oralverkehr" gegen ein Entgelt von S 1.200,-- durchgeführt habe. Der UVS vertrete die Auffassung, daß es sich im gegenständlichen Fall um gewerbsmäßige Unzucht gehandelt habe. Auf die Gewerbsmäßigkeit könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin damals ein professionelles Verhalten an den Tag gelegt habe (Aufenthalt an einer viel befahrenen Bundesstraße in H. gegen Mitternacht, Anbieten eines "Oralverkehrs" gegen ein milieuübliches Entgelt, Durchführung des "Oralverkehrs" im Zimmer). Es sei somit davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin damals aus der Prostitution eine fortlaufende Einnahmequelle habe verschaffen wollen. Bei diesen Gegebenheiten sei es für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit nicht mehr von entscheidender Bedeutung, daß die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt schon zwei einschlägige Vorstrafen aufgewiesen habe. Der UVS vertrete daher die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin die ihr im Straferkenntnis vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen habe. Schutzzweck der von der Beschwerdeführerin übertretenen Rechtsvorschrift sei u.a. die Hintanhaltung der mit der Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht außerhalb eines Bordells bzw. mit dem Anbieten hiezu verbundenen negativen Begleiterscheinungen, wie z.B. Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit, Störung des Gemeinschaftslebens, Begleitkriminalität etc. Durch das Verhalten der Beschwerdeführerin sei dem Schutzzweck dieser Rechtsvorschrift in erheblichem Ausmaß zuwider gehandelt worden. Sonstige nachteilige Folgen seien durch die Tat nicht hervorgekommen. Mildernde Umstände seien im gegenständlichen Fall nicht zu berücksichtigen gewesen. Nach § 11 VStG dürfe eine Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn dies notwendig sei, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz zweier Bestrafungen (die letzte datiere vom 30. Juni 1994 und habe S 27.000,-- betragen) nicht dazu habe veranlaßt werden können, von der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht Abstand zu nehmen und sich gesetzeskonform zu verhalten. Der UVS vertrete daher die Auffassung, daß im gegenständlichen Fall eine Arreststrafe gerechtfertigt sei und daß auch die Dauer der Arreststrafe berechtigt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 4 SPG ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten. Gewerbsmäßig ist die Unzucht gemäß § 4 Abs. 3 SPG, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.
Verwaltungsübertretungen nach Abs. 1 lit. c sind gemäß § 18 Abs. 3 SPG i.V.m. § 12 Abs. 1 letzter Satz VStG von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht verletzt, nicht gemäß § 18 Abs. 1 lit. c i.V.m. § 4 Abs. 1 SPG verurteilt zu werden. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie zunächst vor, die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen widersprächen den Gesetzen der Logik und verstießen massiv gegen die Regeln der freien Beweiswürdigung. Im einzelnen werde auf die Angaben des Freiers St. in der mündlichen Verhandlung verwiesen, wonach er nicht mehr mit Sicherheit sagen könne, ob es die Beschwerdeführerin oder eine andere Dame gewesen sei, die ihn bedient habe. Wenn schon der Mann, der die Dienste angeblich in Anspruch genommen habe, nicht sagen könne, mit welcher Frau er den außerehelichen Beischlaf oder eine beischlafähnliche Handlung vorgenommen habe, so könne die Aussage des 20 m entfernten Gedarmerieorgans nicht den Feststellungen zugrundegelegt werden.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine mangelnde Übereinstimmung der von der belangten Behörde angestellten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen allerdings nicht aufzuzeigen. Denn es hat St. - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - in der Verhandlung vor dem UVS am 24. April 1995 als Zeuge zwar angegeben, daß er "heute nicht mehr beschwören" könne, daß es sich bei der Beschwerdeführerin um jene Frau handle, die damals mit ihm einen Mundverkehr durchgeführt habe. Er sei damals nur kurz mit dieser Frau über einen Seitenweg zu einem Haus gefahren. Es sei aber richtig, daß es sich dabei um eine blonde Frau gehandelt habe und von der Statur her komme die Beschwerdeführerin der damaligen Frau nahe. Im Zusammenhalt mit der Zeugenaussage des Insp. M. in der Verhandlung vor dem UVS am 22. Mai 1995, ihm sei die Beschwerdeführerin bekannt, er habe sie damals eindeutig identifizieren können und aus einer Entfernung von 20 m gesehen, wie sie in jenen PKW eingestiegen sei, der in der Folge bei der Absteige im Hirschenweg vorbeigefahren und (als PKW von St.) identifiziert worden sei, besteht aus objektiver Sicht aber kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß es sich bei der von St. erwähnten Frau um die Beschwerdeführerin handle. Auch die Beschwerdeführerin zeigt einen solchen Grund nicht auf. Denn zum einen vernachlässigt sie bei ihrer Argumentation, daß sie Insp. M. bereits bekannt war und daher der Umstand, daß dieser - im Unterschied zu St. - seine Wahrnehmungen aus ca. 20 m Entfernung machte, für sich noch nicht gegen ihre Identifizierung durch Insp. M. spricht. Zum anderen besteht - auch aufgrund ihres Vorbringens - kein Anhaltspunkt für die Annahme, Insp. M. hätte sie damals aus 20 m Entfernung nicht erkennen können.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, es ergäbe sich aus den von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen nicht, daß in der vorgeworfenen Tathandlung "Gewerbsmäßigkeit" zum Ausdruck komme. Soweit sie damit meint, es fehle an einer, das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit umfassenden Verfolgungshandlung, ist ihr zu entgegnen, daß - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. Jänner 1995 als auch das Straferkenntnis vom 14. Februar 1995 einen entsprechenden Vorwurf enthalten. Im übrigen ist das erstinstanzliche Straferkenntnis nur insoweit Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, als es zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zählt. Daß der angefochtene Bescheid entsprechende Feststellungen vermissen ließe, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor und es wäre ein solcher Vorwurf auch unbegründet, zumal die belangte Behörde ihre Auffassung, es handle sich im vorliegenden Fall um gewerbsmäßige Unzucht - wie dargelegt - eingehend begründet hat; diese Auffassung entspricht der hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1994, Zl. 94/10/0059).
Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin noch gegen die Strafbemessung, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, eine von der Beschwerdeführerin verschiedene Person (Susanne Y.) habe angegeben, "beinahe mittellos" zu sein; ihr spärliches Einkommen betrage monatlich S 8.000,--. Die verhängte Geldstrafe von S 30.000,-- und die Haftstrafe von drei Wochen seien daher unangemessen hoch.
Auch dieses Vorbringen vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen. Denn abgesehen davon, daß sich die Beschwerdeführerin offenbar auf einen anderen als den vorliegenden Beschwerdefall bezieht, hat die belangte Behörde die Verhängung einer Arreststrafe in der Dauer von 7 Tagen deshalb für notwendig erachtet, weil die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz zweier Bestrafungen (mit zum Teil empfindlich hoher Geldstrafe) nicht dazu habe veranlaßt werden können, von der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht Abstand zu nehmen. Diese Erwägung entspricht der Bestimmung des § 11 VStG, wonach eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden darf, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Es erweist sich daher die Verhängung der Arreststrafe als nicht rechtswidrig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0230).
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände VorstrafenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995100120.X00Im RIS seit
20.11.2000