TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/6 96/10/0045

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Veröffentlicht am 06.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/10/0047 96/10/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerden des E in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen die Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 1. (zu Zl. 96/10/0045) vom 12. Jänner 1996, Zl. 1-0763/95/K 3, 2. (zu Zl. 96/10/0046) vom 12. Jänner 1996, Zl. 1-0762/95/K 3, und 3. (zu Zl. 96/10/0047) vom 12. Jänner 1996, Zl. 1-0778/95/K 3, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Aus den Beschwerden und denen ihnen angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

II.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 1996, Zl. 1-0763/95/K3, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei dafür verantwortlich, daß am 20. September 1994 um 10.30 Uhr in einem näher bezeichneten Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft Lebensmittel in Verkehr gebracht wurden und dabei nicht vorgesorgt wurde, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden. Im genannten Geschäft sei zum angeführten Zeitpunkt ein Massenbefall der Deutschen Küchenschabe vorgelegen. Es sei unterlassen worden, zweckmäßige vorsorgliche Maßnahmen (wie z.B. Aufstellen von Schabenhäuschen, Schabenfallen, Schabenmatten oder Bekämpfung durch einen vertraglich mit dieser Problematik beauftragten konzessionierten Schädlingsbekämpfer) gegen einen möglichen Schabenbefall zu treffen. Diese Maßnahmen, die der Beschwerdeführer hätte setzen sollen, seien nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung zumutbar gewesen.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 74 Abs.5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt.

III.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 1996, Zl. 1-0762/95/K 3, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Inhaber eines näher bezeichneten Cafes nicht dafür gesorgt, die in diesem Betrieb in Verkehr gebrachten Lebensmittel nicht hygienisch nachteilig beeinflußt wurden. Es seien am 20. September 1994, 10.00 Uhr, in diesem Cafe keine vorsorglichen Maßnahmen gegen einen eventuellen Schadinsektenbefall (Deutsche Küchenschabe) getroffen worden. Zum angeführten Zeitpunkt seien bei einer Nachschau in der Küche des Cafes, genau im über der Arbeitsfläche montierten Schrank vis-a-vis des Gasherdes, beim Herausnehmen einer offenen 500 g-Rosinenpackung, welche in einem ca. 1,5 l fassenden Kunststoff-Einwegbecher abgelegt gewesen sei, ca. 15-20 Deutsche Küchenschaben verschiedener Altersstufen herausgesprungen. Auf demselben Küchenkasten seien unter verschiedenen Schachteln weitere Schädlinge zu finden gewesen. Das vorgenannte Behältnis sowie die Fläche auf dem Küchenkasten seien arg mit Schabenkot verschmutzt gewesen. Weiters seien zahlreiche tote Schaben im Lagerraum neben der Küche und im Wandschrank neben der Abwasch am Buffet des Lokales vorgefunden worden. Es sei unterlassen worden, zweckmäßige vorsorgliche Maßnahmen (wie z.B. Aufstellen von Schabenhäuschen, Schabenfallen, Schabenmatten oder Bekämpfung durch einen vertraglich mit dieser Problematik beauftragten konzessionierten Schädlingsbekämpfer) gegen einen möglichen Schabenbefall zu treffen. Diese Maßnahmen, die der Beschwerdeführer hätte setzen sollen, seien nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung zumutbar gewesen.

Der Beschwerdeführer habe eine Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt.

IV.

Mit einem weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 1996, Zl. 1-0778/95/K3, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Inhaber einer näher bezeichneten Bäckerei nicht dafür gesorgt, daß die in dieser Bäckerei in Verkehr gebrachten Lebensmittel nicht hygienisch nachteilig beeinflußt wurden. Er habe am 20. September 1994 um 9.30 Uhr in der Bäckerei

ca. 60 Brotsimperl auf einem Lebensmittelversandwagen, welcher im Backraum abgestellt gewesen sei, gelagert und zur weiteren Verwendung bereitgehalten, wobei beim Ausklopfen von 6 Simperln folgender Schädlingsbefall vorgefunden worden sei:

Beim Ausklopfen dreier Brotsimperl, welche von verschiedenen Stapeln entnommen worden seien, hätten im ausgeschlagenen Mehlstaub jedes Simperls mehrere Staubläuse festgestellt werden können. Bei zwei dieser Gebrauchsgegenstände sei auch je eine Mottenmade zum Vorschein gekommen. Beim Ausschlagen dreier weiterer Simperl seien wiederum bei zweien Staubläuse hervorgekommen. Die Gebrauchsgegenstände seien bei bestimmungsgemäßem und vorherzusehendem Gebrauch geeignet, damit produzierte Lebensmittel hygienisch nachteilig zu beeinflussen. Staubläuse schädigten Lebensmittel u.a. durch Verschleppung von Pilzen, bei Massenbefall könne es zu Allergien kommen. Der Beschwerdeführer habe die durchaus zumutbare, regelmäßige Reinigung dieser Gebrauchsgegenstände durch Ausbürsten oder Auswaschen unterlassen. Weiters hätten auch vorsorgliche Maßnahmen im Sinne des § 20 LMG gegen einen möglichen Befall von Motten und Staubläusen gefehlt. Dies wäre durch das Aufstellen von Mottenfallen und dgl. oder durch einen vertraglich mit dieser Problematik beauftragten konzessionierten Schädlingsbekämpfer möglich gewesen.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt.

V.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die ihm angelasteten Delikte seien als fortgesetzte Delikte zu klassifizieren, was die Anwendung des Kumulationsprinzips ausschließe. Aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetztes Delikt folge, daß die Bestrafung für einen bestimmten Zeitraum auch die in diesem gelegenen Einzeltathandlungen erfasse. Die Begrenzung dieses Tatzeitraumes richte sich aber nicht nach der Umschreibung des Tatzeitraums im Spruch des Strafbescheides, sondern umfasse alle Einzelhandlungen, die zwischen der im Spruch angeführten Tatzeit und der Fällung des Strafbescheides erster Instanz erfolgten.

Bereits bei einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am 11. November 1993 sei dem Beschwerdeführer der Vorwurf gemacht worden, es seien von Staubläusen befallene Brotsimperl sowie Küchenschaben vorhanden. Über diesen Tatvorwurf sei von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit Straferkenntnis vom 23. November 1994 abgesprochen worden. Mit diesem Straferkenntnis seien alle vor diesem Zeitpunkt gelegenen Verstöße gegen § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG erfaßt. Wegen der bei der lebensmittelpolizeilichen Kontrolle vom 20. September 1994 festgestellten Mängel habe daher kein neuerliches Strafverfahren eingeleitet werden dürfen.

Bäckerei, Cafe und Lebensmittelgeschäft des Beschwerdeführers seien Teile einer Organisationseinheit mit einheitlicher Organisation mit identischen Kontroll- und Überwachungsinstitutionen. Es liege ein einziger Betrieb vor. Für die in diesen drei Teilorganisationen festgelegten Mängel hätte daher auch nur eine einzige Strafe verhängt werden dürfen.

Die Beschreibung der Tathandlung in dem durch die angefochtenen Bescheide bestätigten Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch sei nicht ausreichend konkretisiert. Kern des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Deliktes sei das Unterlassen von Vorsorgemaßnahmen gegen eine hygienisch nachteilige Beeinflußung von Lebensmitteln. Das Unterlassen sei aber nicht darin zu sehen, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt Küchenschaben und Staubläuse vorhanden gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über die Beschwerden erwogen:

Nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG macht sich derjenige einer Verwaltungsübertretung schuldig, der den Bestimmungen des § 20 zuwiderhandelt.

Nach § 20 LMG hat derjenige, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit es nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

§ 20 LMG richtet sich an denjenigen, der Lebensmittel in Verkehr bringt. § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG statuiert in Verbindung mit § 20 leg. cit. das Verbot des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter Außerachtlassung der Vorsorge gegen eine hygienisch nachteilige Beeinflussung. Die Anführung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG im Spruch eines Straferkenntnisses hat sich daher nicht nur auf die unterlassene Vorsorge gegen eine hygienisch nachteilige Beeinflußung von Lebensmitteln zu beziehen, sondern hat auch auf ein Inverkehrbringen von Lebensmitteln hinzuweisen. Diesen Anforderungen entsprechen die mit den angefochtenen Bescheiden bestätigten Straferkenntnisse. Von einer mangelnden Konkretisierung der Tat kann daher keine Rede sein.

Nach § 22 Abs. 1 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder wenn eine Tat unter mehrere, einander nicht ausschießende Strafdrohungen fällt.

Im Verwaltungsstrafrecht ist mit dieser Bestimmung das sogenannte Kumulationsprinzip verankert. Eine Ausnahme von diesem Prinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt. Darunter versteht der Verwaltungsgerichtshof in Anlehnung an die Strafrechtslehre und Strafrechtsjudikatur eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten (vgl. die

hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1980, Slg. N.F. 10.138/A, vom 27. Jänner 1981, Slg. N.F. 10.352, u.a.).

Um von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, müssen die Einzelakte von einem vorgefaßten einheitlichen Willensentschluß, von einem sogenannten Gesamtvorsatz getragen sein, d.h. der Täter muß von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefaßt haben, das er durch die Begehung mehrer Teilakte, somit schrittweise erreichen will. Von einem solchen Gesamtvorsatz kann daher nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den erstrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfaßt hat, sodaß sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines (von vornherein gewollt vorhandenen) Gesamtkonzeptes darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang läßt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung des einheitlich gewollten Ganzen erscheinen. Demnach reicht der allgemeine Entschluß, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu begehen, nicht aus, um subjektiv Forsetzungszusammenhang zu begründen. Der Gesamtvorsatz kann auch nicht in einem bloß einheitlichen Motiv erblickt werden (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, Rz 34 und 35).

Der vorliegende Sachverhalt erfüllt nicht die dargestellten Merkmale eines fortgesetzten Deliktes. Es ist nicht ersichtlich, welches Gesamtkonzept der Beschwerdeführer verfolgen sollte. Es liegt daher kein fortgesetztes Delikt vor. Zu Recht hat die belangte Behörde daher das zu bestimmten Zeitpunkten erfolgte Inverkehrbringen von Lebensmitteln unter Außerachtlassung der erforderlichen Vorsorge gegen eine hygienisch nachteilige Beeinflußung als jeweils gesondert zu bestrafende Delikte behandelt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegt, waren sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996100045.X00

Im RIS seit

09.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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