TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/6 94/10/0006

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Veröffentlicht am 06.05.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des J in O, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates für Oberösterreich vom 29. November 1993, Zl. VwSen-240049/2/Gf/La, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.940,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 15. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer namentlich angeführten GmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 22. März 1991 das Produkt "Landjäger" an eine näher bezeichnete Firma geliefert und somit in Verkehr gebracht habe, welches falsch bezeichnet gewesen sei, weil es einerseits - im Straferkenntnis näher angeführte - zur Irreführung geeignete Angaben über den Umstand der Haltbarkeit aufgewiesen habe und andererseits auf der Verpackung keine Angabe des Füllgewichtes enthalten gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 74 Abs. 1 iVm § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) sowie des § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG iVm § 3 Z. 3 und § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl. 627/1973 (LMKV) verstoßen. Es wurde eine Geldstrafe von insgesamt S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Die belangte Behörde bestätigte mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Änderung, daß die Ersatzfreiheitsstrafe auf insgesamt 24 Stunden festgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf richtige Anwendung bzw. Auslegung des § 9 Abs. 1 VStG sowie auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 37 ff AVG verletzt. Er bringt im wesentlichen vor, er sei lediglich Prokurist der Gesellschaft und als solcher keine zur Vertretung nach außen berufene Person im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den zur Beurteilung der gegenständlichen Verwaltungsangelegenheit maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Durch Einsichtnahme in das Firmenbuch hätte sie unzweifelhaft feststellen können, daß der Beschwerdeführer kein nach außen vertretungsbefugtes Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG sei.

Damit ist die Beschwerde im Recht.

Gemäß § 37 AVG hat die Behörde von Amts wegen den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen.

Die Strafbehörde erster Instanz ging - wie sich insbesondere aus dem Spruch ihres Bescheides ergibt - davon aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufen und aus diesem Grund für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Verwaltungsvorschriften verantwortlich sei. Diese "Feststellungen" hat die belangten Behörde übernommen.

Aus den Verwaltungsakten geht nicht hervor, auf Grund welcher Ermittlungs- und Beweisergebnisse der Beschwerdeführer von der Strafbehörde erster Instanz als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG in Anspruch genommen wurde. In der Begründung seines Einspruches vom 22. Jänner 1992 gegen die Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Linz führte der Beschwerdeführer aus, daß er als Betriebsleiter der Gesellschaft für die ordnungsgemäße Herstellung und Inverkehrsetzung der Fleisch- und Wurstwaren verantwortlich sei. Dieses Vorbringen konnte der Behörde Ermittlungen in Richtung der Bestellung des Beschwerdeführers zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG nahelegen; einen Schluß darauf, daß der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Gesellschaft wäre, in deren Betrieb die Verwaltungsübertretung begangen wurde, läßt dieses Vorbringen nicht zu. Andere Ermittlungs- und Beweisergebnisse, aus denen eine Stellung des Beschwerdeführers als Verantwortlicher nach § 9 Abs. 1 VStG abgeleitet werden könnte, sind dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Wirft schon der Akteninhalt für die belangte Behörde erkennbar Zweifel über die Richtigkeit des von der Strafbehörde erster Instanz angenommenen Sachverhaltes auf, ist die belangte Behörde im Hinblick auf den im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens verpflichtet, die erforderlichen Ermittlungen zur Klärung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes anzustellen; im Beschwerdefall waren insbesondere Feststellungen über jene Umstände geboten, aus denen sich die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für im Betrieb der Gesellschaft begangene Verwaltungsübertretungen ergeben hätte. Entsprechende Ermittlungen und Feststellungen hat die belangte Behörde unterlassen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Beachtung ihrer Ermittlungspflicht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre; denn aus der - in der Beschwerde behaupteten - Stellung als Prokurist kann eine Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 VStG nicht abgeleitet werden (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II § 9 VStG E 51-53 referierte Rechtsprechung).

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994100006.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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