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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Wien vom 25. November 1993, Zl. UVS-07/06/00904/93, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom 11. März 1992 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der H.-GmbH im Sinne des § 9 VStG zu verantworten, daß das D-Zentrallager in E von dieser Gesellschaft in Wien I, W.-Straße 34, am 5. April 1991 ein im Spruch näher bezeichnetes kosmetisches Mittel bezogen habe, wobei dieses kosmetische Mittel insofern im Sinne des LMG falsch bezeichnet gewesen sei, als folgende verbotene gesundheitsbezogene Angaben auf der Verpackung aufschienen:
"... Antifalten-Creme, ... bekämpft intensiv das Problem der
Faltenbildung ... Falten werden gemildert, neuer Faltenbildung
wird vorgebeugt, .. gegen die Hautalterung ... Tränensäcke
werden reduziert ... wirkt der Hautalterung auf dreifache Weise
entgegen: gegen Falten: tiefere Falten werden gemildert, gegen
Augenringe: Augenringe werden sichtbar gemildert, gegen
Tränensäcke: Schwellungen gehen zurück ..." Der Beschwerdeführer habe hiedurch die Verwaltungsübertretung nach § 9 iVm § 8 lit. f, § 26 Abs. 1 lit. d LMG begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Auf Grund des vom Beschwerdeführer eingebrachten Einspruches vom 9. April 1992 erging das im Ausspruch über Schuld und Strafe der Strafverfügung gleichlautende Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 2. August 1993.
Der vom Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde keine Folge gegeben und mit dem angefochtenen Bescheid das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Beginn des Spruches wie folgt zu lauten habe:
"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der H.-GmbH mit dem Sitz in Wien I, W.-Straße 34, im Sinne des § 9 VStG zu verantworten, daß in der Auslieferungshalle dieser Gesellschaft (H.) in 2102 Bisamberg, K.-Straße 60, das im Spruch näher bezeichnete kosmetische Mittel insofern in Verkehr gebracht wurde, als es am 5. April 1991 an das D-Zentrallager in E ausgeliefert wurde, wobei dieses kosmetische Mittel insoweit im Sinne des LMG falsch bezeichnet war, als folgende verbotene gesundheitsbezogene Angaben auf der Verpackung aufschienen:
... Antifaltencreme, ... "
Die Strafnorm habe richtig: § 74 Abs. 1 LMG zu lauten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe den Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht beachtet. Eine Verfolgungshandlung, die den Ausschluß der Verfolgungsverjährung bewirke, müsse sich gemäß § 32 Abs. 2 VStG auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente, darunter sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift und den ausreichend konkretisierten Tatort, beziehen. In der Strafverfügung vom 11. März 1992 werde der Beschwerdeführer "einer falschen Tathandlung beschuldigt"; ebenso fehlten Angaben über den Tatort.
Schon dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg. Nach § 74 Abs. 6 LMG beträgt die Verjährungsfrist bei den im Abs. 1 bis 5 leg. cit. angeführten Verwaltungsübertretungen ein Jahr.
Nach § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen wurde.
Als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG ist im Beschwerdefall im Hinblick auf den Tatzeitpunkt
(5. April 1991) und auf den Verfahrensgang im zeitlichen Ablauf nur die nach der Aktenlage noch innerhalb der Verjährungsfrist abgefertigte (vgl. hiezu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, § 32 VStG, E 65 bis 68 referierte Rechtsprechung) Strafverfügung vom 11. März 1992 in Betracht zu ziehen. Die Auffassung der belangten Behörde, daß das am 18. September 1991 erstellte Amtssachverständigengutachten und die Vorschreibung der Untersuchungskosten als Verfolgungshandlung zu werten wären, kann schon deshalb nicht geteilt werden, weil es sich dabei nach der Aktenlage nicht um Verfolgungsschritte handelte, die wegen einer bestimmten Tat gegen eine bestimmte Person gerichtet waren. Die Bestrafung des Beschwerdeführers wäre nach dem Gesagten nur zulässig, wenn die Strafverfügung als taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG zu qualifizieren gewesen wäre.
Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien im § 32 Abs. 2 VStG wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird; die Verfolgungshandlung muß sich daher auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemte der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG beziehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0148). Auch im vorliegenden Zusammenhang ist die Rechtsprechung zu § 44a VStG zu beachten, wonach die Tat so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Beschuldigten in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu wiederlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. 11.894/A).
Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 94/09/0072). Eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG setzt somit unter anderem grundsätzlich die Nennung des Tatortes voraus. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen unter den oben dargelegten Rechtsschutzgesichtspunkten etwa dann in Betracht, wenn im Zweifel der Sitz des Unternehmens als Tatort anzusehen ist und mit Rücksicht auf die sonst angeführten Sachverhaltselemente kein Zweifel übrig bleibt, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0377, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist Tatort jener Ort, wo das betreffende kosmetische Mittel in Verkehr gebracht wurde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 94/10/0173; zur Konkretisierung des Vorwurfes eines "Inverkehrbringens" im Sinne des § 1 Abs. 2 LMG vgl. z.B. das Erkenntnis vom 4. September 1995, Zl. 94/10/0150, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall fehlt der Strafverfügung die Eignung als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG schon deshalb, weil der Ort, an dem das in Rede stehende kosmetische Mittel von dem Unternehmen, als dessen Organ der Beschwerdeführer zur Verantwortung gezogen wird, in Verkehr gebracht wurde, nicht genannt wird. In dieser Strafverfügung wird der Sitz der Gesellschaft genannt; erwähnt wird ferner das "D-Zentrallager" in E, daß die in Rede stehende Ware "bezogen" habe. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde diese Ware jedoch - soweit ein "Inverkehrbringen" durch das Unternehmen, als dessen Organ der Beschwerdeführer zur Verantwortung gezogen wird, in Rede steht - weder am Sitz des Unternehmens noch im D-Zentrallager in E in Verkehr gebracht. Weder die Angaben über den Sitz dieses Unternehmens und das Zentrallager jenes Unternehmens, das mit der in Rede stehenden Ware beliefert wurde, noch sonst in der Strafverfügung angeführte Umstände bedeuten angesichts des hier in Rede stehenden Tatbestandes in örtlicher Hinsicht eine solche Umschreibung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, daß die ausdrückliche Anführung eines Tatortes ausnahmsweise - wie etwa im Fall des im angefochtenen Bescheid zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1993, Zl. 93/09/0160, oder z.B. der Erkenntnisse vom 25. Mai 1992, Zl. 92/18/0045, und vom 11. März 1993, Zl. 92/18/0491 - entbehrlich gewesen wäre.
Die einzige innerhalb der Verjährungsfrist an den Beschwerdeführer gerichtete, als Verfolgungshandlung in Betracht kommende behördliche Erledigung entsprach somit dem Konkretisierungsgebot mangels Nennung des Tatortes nicht. Eine ausreichende örtliche Konkretisierung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfolgte erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im Verfahren vor der belangten Behörde. Da die belangte Behörde den Eintritt der Verfolgungsverjährung - ausgehend von ihrer Auffassung, bei der Strafverfügung handle es sich um eine taugliche Verfolgungshandlung - nicht beachtete, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdegründe erforderlich gewesen wäre.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994100017.X00Im RIS seit
20.11.2000