TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/6 95/10/0072

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Veröffentlicht am 06.05.1996
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Index

82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs2;
ApG 1907 §10 Abs3;
ApG 1907 §10 Abs5;
ApG 1907 §48 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Mag. pharm. U M in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 23. Februar 1995, Zl. 262.171/2-II/A/4/94, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in G (mitbeteiligte Partei: Dr. D in X, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 91/10/0214, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 20. August 1991, mit dem der mitbeteiligten Partei (mP) die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in G erteilt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren führte die belangte Behörde ergänzende Ermittlungen durch, zu denen auch ein Gutachten der Apothekerkammer gehörte. In diesem Gutachten vom 5. Oktober 1993 kommt die Apothekerkammer zu dem Ergebnis, die neu zu errichtende öffentliche Apotheke werde insgesamt über 6.000 Personen auf Grund der örtlichen Verhältnisse zu versorgen haben, davon 4.834 ständige Einwohner und zumindest

1.275 Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 des Apothekengesetzes (ApG).

Die bestehende öffentliche Apotheke der mP werde auf Grund der örtlichen Verhältnisse auch nach Errichtung der geplanten neuen Apotheke über 5.500 Personen zu versorgen haben, bestehend aus rund 5.742 ständigen Einwohnern sowie einer nicht ermittelten - sicher beträchtlichen - Zahl von Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG.

In ihrer Stellungnahme vom 6. April 1994 wandte die beschwerdeführende Partei gegen dieses Gutachten u.a. ein, die Bewohner von W, L, U, A, P, B, S und N seien auf Grund der - näher dargestellten - Verkehrssituation zwangsläufig dem Versorgungspotential der geplanten neuen Apotheke zuzurechnen. Auch gingen etwa 50 % der Bevölkerung von G für die bestehende Apotheke verloren. In L bestehe seit Jahren eine neue öffentliche Apotheke, deren Einzugsgebiet zwangsläufig auch in das bisherige Einzugsgebiet der bestehenden öffentlichen Apotheke in G hineinwirke. Die bestehende Apotheke habe derzeit nicht mehr als 9.000 Personen zu versorgen. Würde die neue Apotheke eröffnet, würde das Versorgungspotential der bestehenden Apotheke auf unter 5.500 Personen absinken.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1995 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 6. März 1991, mit dem der mP die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in G erteilt worden war, neuerlich ab.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen aus, bei der Beurteilung der Bedarfsfrage sei davon auszugehen, daß G ein wichtiges Nahversorgungszentrum mit einem Bezirksgericht, diversen Schulen und zahlreichen Einkaufsgelegenheiten,

3.816 Arbeitsplätzen, 6 praktischen Ärzten, 7 Fachärzten und 5 Zahnärzten sei und für die unmittelbaren Umgebungsgemeinden einen großen Anziehungspunkt darstelle. Dies fördere auch die leichte Erreichbarkeit mit 2 Bahnlinien und verschiedenen Buslinien, die G nach allen Richtungen hin mit den steirischen und burgenländischen Gemeinden verbänden. Da außer der einen öffentlichen Apotheke in G die nächsten öffentlichen Apotheken zumindest 14 km entfernt seien und auch die nächste ärztliche Hausapotheke erst in einer Entfernung von 8 km, nämlich in S, in Betrieb sei, seien alle näher zu G gelegenen Gebiete auf die medikamentöse und medizinische Versorgung in G angewiesen.

Zum direkten Einzugsgebiet von G gehörten folgende Gemeinden bzw. Gemeindeteile (jeweils die entsprechenden Einwohnerzahlen): A (1.540), H (1.649), W (1.613), N (1.289), P (721), L (1.047), U (567), G (514), B (1.169), G-Altstadt (823), G-West (1.252), Bahnhofsviertel (798), G-Ost (2.352). Fast alle diese Gemeinden lägen innerhalb des 4 km-Umkreises um G-Apotheken, zumeist zur Gänze. Nur S und L lägen knapp außerhalb dieser Zone, aber jedenfalls eindeutig näher zu G als zu irgendeiner öffentlichen Apotheke. Der Ortsteil W der Gemeinde U liege ebenfalls noch im 4 km-Bereich von G-Apotheken.

Im ersten Verfahrensgang sei bei der Bedarfsbeurteilung davon ausgegangen worden, daß das Einzugsgebiet von G und Umgebung bei zwei öffentlichen Apotheken mit Hilfe einer Trennlinie auf beide Apotheken aufgeteilt werden könne. Auch die mP habe in einem Plan von G eine Trennlinie der Versorgungsbereiche eingezeichnet und an Hand einer Straßenliste die Straßenteilung Gs vorgeschlagen. Diese Trennlinie habe sich jedoch im fortgesetzten Verfahren als willkürlich erwiesen. Sie erscheine insofern wirklichkeitsfremd, als deutlich geworden sei, daß von den 18 in G ansässigen Ärzten 16 ihre Ordinationen näher zur bestehenden Apotheke als zur beantragten neuen Apotheke betrieben. Dies und auch das flächenmäßig kleine, dicht bebaute und für Einfluter interessante Zentrumsgebiet G hätten zur Folge, daß eine Aufteilung des für beide G-Apotheken grundsätzlich vorhandenen Kundenpotentials entsprechend den Vorstellungen der mP nicht sinnvoll und realistisch sei. Wenn auch Kraftfahrzeugverkehr aus den westlichen Nachbarorten wie W, U und B naturgemäß im Westen auf G treffe, bedeute dies dennoch nicht, daß eine öffentliche Apotheke in der Z-Straße aufgesucht werde. Zuvor werde in der Regel ein Arztbesuch absolviert, wobei von den meisten Arztordinationen aus der Weg zur bestehenden Apotheke kürzer sei. Es werde vielmehr so sein, daß ein Teil der auswärtigen Besucher Gs, der mit privaten Kraftfahrzeugen nach G komme, die Parkplätze in der Nähe der neuen Apothekenbetriebsstätte aufsuchen, dort das Auto verlassen und dann die jeweiligen wirklichen Ziele in G zu Fuß aufsuchen werde. Da die Arztordinationen sich mehr in der Nähe der bestehenden öffentlichen Apotheke befänden und gerade die Ärzte für einen Apothekenbesuch direkter Anlaß seien, liege es in der Entscheidung jedes einzelnen, welche öffentliche Apotheke er nach einem Arztbesuch aufsuchen werde. Ein Motiv bei der Wahl der öffentlichen Apotheken könne natürlich auch das sein, daß das private Kraftfahrzeug in der Nähe der neuen öffentlichen Apotheke auf einem Parkplatz abgestellt sei. Ferner sei zu bedenken, daß G keine wesentlichen Höhenunterschiede aufweise, keine besonderen natürlichen Trennungslinien innerhalb des Stadtkernes aufweise und daher letztlich nicht voraussehbar sei, welche Ziele auswärtige Besucher in G tatsächlich anstrebten.

Um einen ausreichenden Überblick über die Verkehrssituation in und um G zu erlangen, habe die belangte Behörde sich nicht nur die Fahrpläne betreffend die Bus- und Zuglinien vorlegen lassen, sondern auch zusätzlich noch die Bushaltestellen innerhalb der Stadt G eruiert. So gäbe es drei Bushaltestellen, die in größerer Nähe zur bestehenden öffentlichen Apotheke lägen und eine, die näher zur beantragten Apotheke sei. Bei dem allerdings hohen Motorisierungsgrad in G und um G könne der Lage der Bushaltestelle keine überragende Bedeutung zuerkannt werden. Man könne jedoch daraus schließen, daß die bestehende Apotheke durch ihre günstige Lage in ihrem Kundenpotential nicht in der Weise beeinträchtigt sein werde, daß die gesetzliche Mindestkundenzahl nicht mehr erreicht werden könnte.

Nach Ansicht der belangten Behörde entspreche es eher der Wirklichkeit, sämtliche Besucher von G als mögliche Kunden beider öffentlicher Apotheken anzusehen. Bei den G-Einwohnern selbst sei zwar durchaus wahrscheinlich, daß die Personen, die in unmittelbarer Nähe einer der beiden öffentlichen Apotheken wohnten, ihre nächstgelegene Apotheke aufsuchten. Ob jedoch Einwohner der F-Gasse sich z.B. nach rechts oder nach links wendeten, um entweder die beantragte Apotheke oder die bestehende Apotheke aufzusuchen, könne niemand voraussagen. Dies werde in erster Linie von einer rein persönlichen Präferenz des Apothekenkunden abhängen. So reizvoll eine schematisierte Zuordnung von G-ern zur einen oder zur anderen Apotheke aufscheinen möge, sie sei dennoch Spekulation. Nach der Erfahrung der belangten Behörde teilten sich Apothekenkunden nach einer bestimmten Übergangsphase nach der Errichtung einer zweiten öffentlichen Apotheke gleichmäßig auf beide Apotheken auf; kleinere Abweichungen ergäben sich nur auf Grund von persönlichen Präferenzen, meist jedoch nicht vornehmlich auf Grund der örtlichen Nähe in einem Fall, in dem beide Betriebsstätten der Apotheken in so geringer Entfernung zueinander wie in G gelegen seien.

Selbst wenn man jedoch die willkürliche Standortgrenze entlang der W-Straße, der G-Gasse und der M-Gasse zum Anknüpfungspunkt für eine Aufteilung des Kundenpotentials nehme, würde dies ein Einzugsgebiet für die beantragte Apotheke von 1.599 Personen in G, 1.613 Einwohnern von W, 567 Einwohnern von U, 1.047 Einwohnern von L und 1.540 Einwohnern von A, zusammen daher 6.366 zu versorgende Personen bedeuten. Der bestehenden Apotheke in G würden 3.626 G bleiben. Dazu kämen

1.289 Einwohner von N und 1.649 Einwohner von H, somit also

6.564 jedenfalls zu versorgende Personen.

Auch die österreichische Apothekerkammer sei bei ihrer leicht abweichenden Zuordnung der Kunden im wesentlichen zum Ergebnis gekommen, daß Bedarf nach einer zweiten öffentlichen Apotheke in G unter ausreichender Absicherung der bestehenden Apotheke gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift vorgelegt und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die mP habe keinen "gesicherten Standort nachgewiesen". Ohne verläßlichen Standort eine Apothekenkonzession zu verhandeln, entspreche aber nicht dem Gesetz.

Die beschwerdeführende Partei spricht von "Standort", meint aber, wie sich aus der Bezugnahme auf die Grundstücke, auf denen die neue Apotheke errichtet werden soll, ergibt, die Betriebsstätte.

Mit ihren Ausführungen betreffend den Mangel einer gesicherten Betriebsstätte vermag die beschwerdeführende Partei eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die geeignet wäre, sie in ihren Rechten zu verletzen, nicht aufzuzeigen, da das ApG im Verfahren zur Erteilung der Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke dem Inhaber einer bestehenden Apotheke kein subjektives Recht darauf einräumt, daß die Errichtung der geplanten neuen Apotheke an der beantragten Betriebsstätte gesichert ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 95/10/0003).

Die beschwerdeführende Partei bringt weiter vor, die belangte Behörde habe, ausgehend von der unrichtigen Ansicht, das gesamte vorhandene Versorgungspotential sei auf beide Apotheken gleichmäßig aufzuteilen, eine Prüfung der Verkehrsverhältnisse und der daraus resultierenden Zuordnung des Versorgungspotentials zu den beiden Apotheken unterlassen. Ein im Akt erliegender Plan zeige, daß durch Einbahnregelungen die gesamten nördlich, westlich und südwestlich von außen nach G zufahrenden Personen, durch den Verkehr gelenkt, am Standort der neuen öffentlichen Apotheke ihren Bedarf deckten. Die bestehende Apotheke gerate ins Abseits und sinke auf ein Versorgungspotential von weniger als 5.500 Personen ab.

§ 10 ApG, der die sachlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung regelt, lautet auszugsweise:

"(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1.

...

2.

ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt, oder

2.

...

3.

die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als als 5.500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von

vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von

vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."

Bei der Bedarfsprüfung hat die Behörde zunächst die Zahl der ständigen Einwohner in den jeweiligen Zonen von vier Straßenkilometern im Umkreis um die Betriebsstätte der geplanten und der bestehenden Apotheke(n) zu ermitteln und dann festzustellen, wie viele dieser ständigen Einwohner nach Errichtung der geplanten Apotheke auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich ihren Bedarf an Arzneimitteln aus der jeweils unter dem Aspekt des Bedarfes betrachteten Apotheke decken werden. Ergibt sich für eine der in die Betrachtung einbezogenen Apotheken die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern ihrer 4-km-Zone, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden bzw. weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird.

Das Ergebnis der Prüfung der von der geplanten und der bestehenden Apotheke jeweils zu versorgenden Personen hat in einer auf entsprechende Erhebungen gestützten prognostischen Zuordnung konkreter Kundenpotentiale zu den beteiligten Apotheken zu bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 91/10/0214, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde gelangt auf mehreren Wegen zu dem Ergebnis, der Bedarf für die geplante neue Apotheke sei zu bejahen. Zunächst vertritt sie die Auffassung, das gesamte in Betracht kommende Kundenpotential sei gleichmäßig auf beide Apotheken aufzuteilen; eine Zuordnung von Personen zur einen oder anderen Apotheke müsse Spekulation bleiben.

§ 10 Abs. 3 und 4 ApG knüpfen beim Begriff der "zu versorgenden Personen" einerseits an die Eigenschaft als ständige Einwohner im 4-km-Umkreis und andererseits an die örtlichen Verhältnisse an, nach denen diese Personen aus der neu zu errichtenden bzw. der bestehenden Apotheke zu versorgen bzw. weiterhin zu versorgen sein werden.

Aus dieser Anknüpfung an die örtlichen Verhältnisse hat die Rechtsprechung zu § 10 Abs. 2 Z. 1 und 3 in Verbindung mit Abs. 3 und 4 ApG abgeleitet, daß unter den "in einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen "jene zu verstehen sind, die eine besondere RÄUMLICHE NAHEBEZIEHUNG (im 4-km-Umkreis) zur neuen bzw. zur bestehenden alten Apotheke haben. Im Überschneidungsbereich der 4-km-Polygone ist für die Zuordnung der Kundenpotentiale zur einen oder anderen Apotheke die leichtere Erreichbarkeit ausschlaggebend, wobei es in erster Linie auf die zurückzulegende Entfernung ankommt; darüberhinaus können noch andere Umstände, wie etwa erhebliche Höhenunterschiede, besonders unangenehme und gefährliche Wegstücke etc., eine Rolle spielen. Gegebenenfalls ist eine konkrete Zuordnung der in bestimmten Straßenzügen und Häusern wohnhaften Bevölkerung zum Versorgungspotential der einen oder anderen Apotheke vorzunehmen. Die Zuordnung der Wohnbevölkerung zu den in Betracht kommenden Apotheken hat sich somit (im Überschneidungsbereich der 4-km-Polygone) an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 93/10/0056, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die Zuordnung von zu versorgenden Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG richtet sich nach den dort genannten Kriterien, wobei auch die Erreichbarkeit - je nach der Lage des Einzelfalles - eine Rolle spielen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1994, Zlen. 94/10/0042, 0045, u.a.).

An den durch § 10 ApG vorgegebenen Kriterien für die Zuordnung von Kundenpotentialen hat sich die Behörde im Verfahren zur Erteilung einer Apothekenkonzession zu orientieren und den Sachverhalt entsprechend zu ermitteln.

Es sind allerdings Fälle denkbar, in denen die Frage der leichteren Erreichbarkeit der einen oder der anderen Betriebsstättte für einen bestimmten, zahlenmäßig feststehenden Personenkreis nach (insbesondere) räumlichen und verkehrstechnischen Gesichtspunkten nicht entschieden werden kann, weil in der Erreichbarkeit der beiden Betriebsstätten für diesen Personenkreis keine solchen Unterschiede bestehen, die bei lebensnaher Betrachtung für einen Entschluß, die eine oder die andere Apotheke aufzusuchen, von Bedeutung sein können. In einem solchen Fall bestehen keine Bedenken dagegen, die Bevölkerung eines solchen Gebietes jeweils nach gleichen Bruchteilen dem Versorgungspotential der in Betracht kommenden Apotheken (bei zwei in Betracht kommenden Apotheken somit jeweils zur Hälfte) zuzurechnen. Eine solche Vorgangsweise kommt aber nur dann in Betracht, wenn die Zurechnung einer bestimmten Personengruppe zum Versorgungspotential einer der in Betracht kommenden Apotheken im Rahmen einer nachvollziehbaren Prognoseentscheidung bei lebensnaher Betrachtung nicht möglich ist, weil die für die Zuwendung des Apothekenpublikums zur einen oder anderen Apotheke ausschlaggebenden Umstände in Ansehung beider (aller) in Betracht kommenden Apotheken gleiches Gewicht haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1993, Zl. 92/10/0110).

Der von der belangten Behörde eingeschlagene Weg, ein als vorhanden erachtetes Gesamtversorgungspotential von vorherein auf Grund der bloßen Vermutung, dieses Versorgungspotential werde sich auf beide in Betracht kommenden Apotheken gleichmäßig aufteilen, den beteiligten Apotheken in gleichem Umfang zuzuordnen, entspricht nicht dem ApG. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde daher zunächst an den Zuordnungskriterien des § 10 ApG zu orientieren haben. Erst wenn das Ermittlungsverfahren ergibt, daß an Hand dieser Kriterien eine Zuordnung der in Betracht kommenden Kundenpotentiale nicht möglich ist, wird sie zur Methode der Zuteilung nach gleichen Bruchteilen greifen können.

Die belangte Behörde stützt ihre einen Bedarf für die geplante neue Apotheke bejahende Annahme auch auf die Zuordnung von Kundenpotentialen an Hand einer Trennlinie und kommt zum Ergebnis, bei Zugrundelegung dieser Trennlinie ergäbe sich für die geplante neue Apotheke ein Versorgungspotential von 6.366 zu versorgenden Personen, während der Apotheke der mP ein solches von 6.564 zu versorgenden Personen verbliebe.

Auch diese Begründungsschiene ist nicht geeignet, den angefochtenen Bescheid zu tragen; dies schon deswegen, weil sie nicht erkennen läßt, ob die angenommene Trennlinie - welche die belangte Behörde zuvor selbst als willkürlich bezeichnet hat - der Vorschrift des § 10 ApG betreffend die bei der Zuordnung von Kundenpotentialen zu den Apotheken zu berücksichtigenden Kriterien entspricht.

Schließlich verweist die belangte Behörde noch auf das Gutachten der Apothekerkammer.

Hiezu ist zunächst festzustellen, daß dieses Gutachten in Begründung des angefochtenen Bescheides aktenwidrig wiedergegeben wird. Während nämlich im Gutachten der Apothekerkammer der geplanten neuen Apotheke ein Versorgungspotential von 6.109 zu versorgenden Personen, bestehend aus 4.834 Personen aus dem 4-km-Umkreis und

1.275 Personen im Sinn des § 10 Abs. 5 ApG und der bestehenden öffentlichen Apotheke ein solches von 5.742 ständigen Einwohnern zugeordnet wird, behauptet die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Apothekerkammer habe in ihrem Gutachten der geplanten neuen Apotheke 6.390 und der Apotheke der mP 6.426 zu versorgende Personen zugeordnet. Diese Differenz geht offenbar darauf zurück, daß die belangte Behörde bei einigen Zählsprengeln unrichtige Zahlen verwendet hat. So hat die Apothekerkammer den Zählsprengel 61713002 (G-Bahnhofsviertel) je zur Hälfte der Apotheke der mP und der Apotheke der beschwerdeführenden Partei zugeordnet. Dieser Zählsprengel hat nach den in den Akten erliegenden Unterlagen 798 Einwohner. Die belangte Behörde ordnet, wiewohl sie ebenso wie die Apothekerkammer von einer Hälfteaufteilung ausgeht, diese 798 Einwohner zunächst zur Gänze der geplanten neuen Apotheke und dann noch einmal 399 Einwohner der Apotheke der beschwerdeführenden Partei zu, verteilt also wesentlich mehr Einwohner, als dieser Zählsprengel aufweist. Ähnliches gilt für H. Aus dieser Gemeinde ordnet das Gutachten der Apothekerkammer den Zählsprengel 61719001 der bestehenden öffentlichen Apotheke zu. Dieser Zählsprengel umfaßt nach den im Akt erliegenden Unterlagen 856 Einwohner. Die belangte Behörde geht aber von

1.649 Personen aus; hiebei handelt es sich um die Gesamtheit aller Einwohner von H, also nicht nur des Zählsprengels 001, sondern auch der Zählsprengel 000 und 002.

Diese Fehler würden für sich allein nicht bewirken, daß die Berufung auf das Apothekerkammergutachten nicht tragfähig ist, da dieses Gutachten auch bei Zugrundelegung der richtigen Zahlen auf ein Versorgungspotential von mehr als 5.500 zu versorgenden Personen für beide Apotheken kommt. Nun hat aber die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme zum Gutachten der Apothekerkammer die darin vorgenommene Zuordnung von Kundenpotentialen mit konkreten Einwänden bekämpft. Mit diesen Einwendungen hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt, sodaß nicht feststellbar ist, ob die Aussagen im Apothekerkammergutachten oder die gegenteiligen der beschwerdeführenden Partei zutreffen. Eine solche Auseinandersetzung wäre aber um so notwendiger gewesen, als die mP ausdrücklich die Richtigkeit eines Teiles der Einwendungen der beschwerdeführenden Partei gegen das Apothekerkammergutachten eingeräumt hat. Die beschwerdeführende Partei hat in ihrer Stellungnahme zum Gutachten der Apothekerkammer behauptet, auf Grund der Verkehrsverhältnisse seien die Bewohner einer Reihe näher bezeichneter Gemeinden dem Versorgungspotential der geplanten neuen Apotheke und nicht ihrer bestehenden Apotheke zuzurechnen, wie es die Apothekerkammer getan hatte. Die mP hat dies ausdrücklich als richtig anerkannt. Die belangte Behörde hat nicht begründet, warum sie dem Apothekerkammergutachten folgt.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid sowohl inhaltlich rechtswidrig als auch rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Da eine Rechtswidrigkeit des Inhalts einer solcher infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Existenzgefährdung Bedarfsbeurteilung Existenzgefährdung Prognose Parteistellung Bedarf Standort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995100072.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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