TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/7 94/09/0082

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Veröffentlicht am 07.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der P Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 22. Februar 1994, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 15. Juli 1993 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die bosnische Staatsangehörige G. für die berufliche Tätigkeit als Bedienerin.

Mit Bescheid vom 31. August 1993 wies das zuständige Arbeitsamt den Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Nach der Begründung zu diesem Bescheid habe der Vermittlungsausschuß im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung vom 2. September 1993 wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, daß das Arbeitsamt bisher nicht in der Lage gewesen sei, geeignete Ersatzkräfte zu vermitteln. Der vom Arbeitsamt geltend gemachte Ablehnungsgrund sei nicht gegeben und könne aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht abgeleitet werden. Bei der beschwerdeführenden Partei seien ab Antragstellung keine Ersatzkräfte erschienen, welche die Mindestanstellungserfordernisse erfüllt hätten. Sie sei wie bisher an der Zuweisung von befähigten, geeigneten und gewillten Ersatzkräften interessiert. Erklärungen mit Wirkung für die beschwerdeführende Partei gebe ausnahmslos deren Geschäftsführer sowie der bevollmächtigte Rechtsvertreter ab (Erklärungen anderer Personen seien rechtlich unbeachtlich).

Mit Schreiben vom 19. November 1993 teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit, daß derzeit eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Bedienerinnen möglich sei. Die beschwerdeführende Partei habe einen Vermittlungsauftrag erteilt, es sei aber mindestens einer Person erklärt worden, daß die Stelle besetzt sei. Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes lasse die Beschäftigung eines beantragten Ausländers nicht zu, wenn feststehe, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung auszuüben. Die beschwerdeführende Partei habe Gelegenheit, zu diesen Feststellungen binnen 7 Tagen schriftlich Einwendungen zu erheben.

Mit Schreiben vom 30. November 1993 teilte der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei mit, nach den ihm erteilten Informationen seien bei der beschwerdeführenden Partei bisher keine Ersatzkräfte erschienen, welche die Mindestanstellungserfordernisse erfüllt hätten. Es werde Wert gelegt auf die Feststellung, daß die Arbeitsstelle weiterhin zur Besetzung frei sei. Die beschwerdeführende Partei habe weder mündlich noch schriftlich, "weder ausdrücklich noch schlüssig dritten Personen gegenüber erklärt", daß die Arbeitsstelle bereits besetzt sei. Die Ausführungen im Schreiben vom 19. November 1993, daß dies die beschwerdeführende Partei zumindest einer Person gegenüber erklärt habe, seien unrichtig. Diese "eine Person" sei im Schreiben auch nicht namentlich genannt. Nach Bekanntgabe des Namens dieser Person und des Tages ihrer Vorsprache könnte die beschwerdeführende Partei noch weiters Stellung nehmen.

In einem Vorhalt vom 14. Dezember 1993 gab die belangte Behörde neuerlich bekannt, daß eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Bedienerinnen möglich sei. Die beschwerdeführende Partei habe einen Vermittlungsauftrag erteilt und Frau A. am 20. September 1993 erklärt, daß die Stelle bereits besetzt sei. Einer weiteren Ersatzkraft sei erklärt worden, daß die Arbeitszeit nur vier Stunden betrage. Diese Angaben "bestätigten Sie am 18.11.1993 dem Landesarbeitsamt Wien (Dr. M) gegenüber". Es werde die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 7 Tagen Stellung zu nehmen.

Daraufhin teilte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 17. Dezember 1993 mit, daß nach wie vor dringender Bedarf an der Beschäftigung der beantragten Ausländerin bestehe. Aus dem Vorhalt vom 14. Dezember 1993 könne nicht entnommen werden, welche zur Vertretung befugte Person der beschwerdeführenden Partei Erklärungen abgegeben habe. Der beschwerdeführenden Partei sei nicht bekannt, daß einer Frau A. erklärt worden wäre, daß "die Stelle bereits besetzt sei". Ausdrücklich werde nochmals darauf hingewiesen, daß Erklärungen mit Wirkung für die beschwerdeführende Partei ausnahmslos deren Geschäftsführer sowie deren Rechtsvertreter abgebe.

In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich zur Vermittlung der Frau A. ein Vordruck über die erfolgte Bewerbung, der mit dem Firmenstempel der beschwerdeführenden Partei und einer unleserlichen Paraphe versehen ist und auf dem (ohne weitere Angaben) die Rubrik "nicht eingestellt" angekreuzt ist. Einer beim Arbeitsamt "Persönliche Dienste - Gastgewerbe" am 20. September 1993 aufgenommenen Niederschrift mit Frau A. ist zu entnehmen, daß diese am 20. September 1993 bei der beschwerdeführenden Partei "vorstellen" gewesen sei. Es sei ihr mitgeteilt worden, "daß die Stelle bereits besetzt ist".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zunächst die zu § 4 Abs. 6 leg. cit. bestehende Rechtslage (einschließlich der Überschreitung der für das Kalenderjahr 1994 festgesetzten Landeshöchstzahl) dargestellt. Weiters werden die im § 4 Abs. 1 AuslBG normierten Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung angeführt. Dazu wird bezogen auf die beantragte Beschäftigung von G. ausgeführt, daß eine Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsmarkt ergeben habe, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung stünden. Angesichts dieser Situation sei im Zuge des Berufungsverfahrens die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten worden. Es sei zwar ein Vermittlungsauftrag erteilt, aber am 20. September 1993 Frau A. erklärt worden, daß die Stelle besetzt sei. Es gebe keine Zweifel "an der Erklärung diese Ersatzkräfte". Laut Schreiben des Rechtsvertreters vom 17. Dezember 1993 "ist Ihnen nicht bekannt, wer in Ihrem Unternehmen befugt ist, Vorstelltermine entgegenzunehmen". Dies sei allerdings nach den Bestimmungen des AuslBG nicht zu berücksichtigen. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung "für den beantragten Ausländer" zu begründen.

In die Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Im Beschwerdefall erübrigen sich aber Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages der beschwerdeführenden Partei im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG, weil darauf - außer mit allgemeinen Ausführungen zur Gesetzeslage und zum Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen - in der Begründung des angefochtenen Bescheides (der auch ausdrücklich auf die Ablehnung des Antrages gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG hinweist) nicht weiter eingegangen wird. Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände entgegenstehen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, 93/09/0426).

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

1)

daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

2)

wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 21. April 1994, 93/09/0112) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer (in der Reihenfolge nach § 4b AuslBG) zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. das oben zitierte Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, mit weiteren Nachweisen).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde zwar von keiner von vornherein erfolgten Ablehnung einer Ersatzkraftstellung ausgegangen, sie glaubte aber, aufgrund einer von einer vermittelten Arbeitskraft (Frau A.) getätigten Aussage, "die Stelle sei bereits besetzt", von einer weiteren Ersatzkraftstellung Abstand nehmen zu können.

Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Im besonderen ist bei der Aufnahme von Beweisen den Parteien nach § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Zu Recht macht die beschwerdeführende Partei zur Ablehnung nach § 4 Abs. 1 AuslBG in der Beschwerde Verfahrensmängel geltend. Die beschwerdeführende Partei hat in ihrem Schreiben vom 17. Dezember 1993 ausdrücklich darauf hingewiesen, ihr sei nicht bekannt, daß einer Frau A. erklärt worden wäre, daß "die Stelle bereits besetzt sei". Sie hat dazu auch betont, daß rechtsgültige Erklärungen für sie nur ihr Geschäftsführer bzw. ihr Rechtsvertreter abgeben könnten. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Aussage, laut Schreiben vom 17. Dezember 1993 sei der beschwerdeführenden Partei nicht bekannt, wer in ihrem Unternehmen befugt sei, Vorstellungstermine entgegenzunehmen, läßt sich im übrigen aus dem erwähnten Schriftsatz vom 17. Dezember 1993 nicht entnehmen.

Aufgrund des bestreitenden Vorbringens der beschwerdeführenden Partei wäre die belangte Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei vom Ergebnis ihrer Ermittlungen (sohin konkret von der Niederschrift mit Frau A. vom 20. September 1993 oder auch dem Vordruck über die erfolgte Bewerbung vom 17. September 1993) in Kenntnis zu setzen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Da die belangte Behörde aus diesen Gründen den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, 93/09/0319), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Ausführungen in der Gegenschrift (so wird dort u.a. eine weitere Person genannt, der gegenüber die beschwerdeführende Partei erklärt haben soll, daß die Stelle bereits bereits besetzt sei) können Bescheidmängel nicht beheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994090082.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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