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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine willkürliche oder denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Selbstbewirtschaftung; keine Verletzung der LiegenschaftserwerbsfreiheitSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 21. Mai/2. Juni 1992 erwarb der Beschwerdeführer ein Grundstück in Going im Ausmaß von 24.019 m2. Die Grundverkehrsbehörde Going erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 15. Oktober 1992 gemäß §3 Abs1 und §4 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), ihre Zustimmung.
2. Der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 16. September 1993 Folge und versagte unter Berufung auf die §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, des GVG 1983 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer weder über land- bzw. forstwirtschaftliche Grundflächen noch über eine eigene Hofstelle verfüge. Das von ihm gehaltene Vieh (2 Kühe, 2 Kälber sowie Kleinvieh) habe er bei einem Landwirt in Fieberbrunn eingestellt. Eine Selbstbewirtschaftung des Grundstückes auf der Basis eines selbständig lebensfähigen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes sei deshalb nicht zu erwarten.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Begründend wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Landarbeiter und besitze mehrere Tiere. Bisher habe er diese immer auf Pachtwiesen und bei fremden Bauern unterstellen müssen; durch den Kauf des Grundstückes werde es ihm erstmals möglich sein, seine Tiere auf eigenem Grund zur Sommerweide zu treiben. Durch die Sommerbeweidung bzw. auch die weitere Bewirtschaftung würde die "sich heute als Brachwiese darstellende Liegenschaft einen viel besseren Erhaltungszustand erreichen", sodaß der Beschwerdeführer die Sommerweide nicht schlechter bewirtschaften würde als ein anderer Bauer. Vielmehr werde er durch die angefochtene Entscheidung "als ein mit der Landwirtschaft befaßter Kleinunternehmer" angrenzenden Großbauern gegenüber willkürlich benachteiligt.
4. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Es ist unbestritten, daß das den Gegenstand des Kaufvertrages bildende Grundstück als ein landwirtschaftliches im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 zu qualifizieren ist und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Der durch den Kaufvertrag bewirkte Eigentumserwerb bedarf deshalb zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß §3 Abs1 lita leg.cit. Eine solche Zustimmung darf nach §4 Abs1 GVG 1983 nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Der nur allgemein formulierte Inhalt des §4 Abs1 GVG 1983 wird durch §6 Abs1 GVG 1983 näher konkretisiert, indem einzelne Tatbestände angeführt werden, bei deren Vorliegen einem Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 leg.cit. insbesondere nicht zuzustimmen ist. Liegt einer der in §6 Abs1 GVG 1983 - demonstrativ - genannten Fälle vor, bedarf es im einzelnen Falle keiner näheren Prüfung der Interessenslage, weil ein Widerspruch zu den in §4 Abs1 GVG 1983 geschützten Interessen von Gesetzes wegen angenommen wird und zur Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung führen muß (vgl. VfSlg. 12823/1991, 13101/1992, VfGH 22.3.1993, B1470/92).
1.2. Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf §4 Abs1 und §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983. Die Beschwerde bringt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides vor. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind keine solchen entstanden (vgl. VfSlg. 11413/1987, 11790/1988, 12985/1992).
1.3. Im Hinblick darauf ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 8428/1978, 9127/1981) nur vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens oder einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980, 10338/1985, 12985/1992).
2.2. All das ist hier nicht der Fall:
Daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der Verfassungsgerichtshof vermag solches nicht zu erkennen.
Der Beschwerdevorwurf aber, die belangte Behörde habe Willkür geübt, ist nicht begründet, ist der Erlassung des angefochtenen Bescheides doch ein aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen und kann sich dieser verfassungsrechtlich unbedenklich auf den Akteninhalt und den ermittelten Sachverhalt stützen. Über Sachverhalt und Akteninhalt bestehen zwischen belangter Behörde und Beschwerdeführer auch keinerlei Divergenzen, vielmehr beziehen sich diese auf die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhaltes. Daß dieses Ergebnis aus der Sicht des Beschwerdeführers unbefriedigend sein mag, indiziert nicht ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde. Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist das Ausmaß des Eigengrundes im Hinblick auf §4 Abs1 GVG 1983 wesentlich, ist doch Gesetzeszweck die Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Besitzes, wobei der Verfassungsgerichtshof den Erwerb von rund 2,3 ha Grundfläche (wovon ca. 2 ha auf Weidefläche und 0,3 ha auf forstwirtschaftliche Nutzung entfielen) als nicht ausreichend erachtete (s. VfSlg. 12463/1990, 12985/1992).
2.3. Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
3.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. etwa VfSlg. 10370/1985, 11635/1988, 12984/1992).
3.2. Wie bereits dargelegt, hat die belangte Behörde, indem sie die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung damit begründete, daß die Selbstbewirtschaftung des Grundstückes durch den Beschwerdeführer nicht gewährleistet sei, das Gesetz nicht so fehlerhaft ausgelegt, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
3.3. Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
4.1. Dem Beschwerdevorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs ist schließlich entgegenzuhalten, daß sich das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 10896/1986, 12984/1992, 12985/1992), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben. Art6 StGG verbietet es, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern, nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (vgl. VfSlg. 11411/1987, 11516/1987, 12984/1992).
Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 10744/1986, 10902/1986, 12985/1992).
4.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Entscheidung, daß die Übertragung des Eigentums an den Beschwerdeführer dem §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 widerspreche, nicht getroffen, um den Erwerb des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Grundstückes durch den Beschwerdeführer zugunsten eines Landwirtes, der dieses Grundstück zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr erfolgte diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsbehördlicher Interessen deshalb, weil nach Ansicht der belangten Behörde die in den genannten Regelungen des GVG 1983 umschriebenen Voraussetzungen nicht vorlagen.
4.3. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht im bezogenen Grundrecht verletzt.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.
III. Diese Entscheidung konnte
gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, SelbstbewirtschaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B1816.1993Dokumentnummer
JFT_10059386_93B01816_2_00