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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten betreffend einen von Myanmar nach Bangladesch geflüchteten Angehörigen der Volksgruppe der Rohingya; Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf Grund staatlicher Bedrohung wegen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya - trotz Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten - gebotenSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Spruchpunkt A) I. des Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Spruchpunkt A) I. des Erkenntnisses wird aufgehoben.
II. Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird stattgegeben.
III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der am 1. April 1997 geborene Beschwerdeführer, ein Angehöriger moslemischen Glaubens und der Volksgruppe der Rohingya zugehörig, ist im Jahr 2003 mit seinem Vater von Myanmar nach Bangladesch gereist und hat dort bis Anfang 2019, zunächst in einem Flüchtlingscamp, ab 2005 in Gazipur, Dhaka gelebt. Am 12. September 2019 stellte der (mittlerweile volljährige) Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 4. Mai 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Bangladesch ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei und setzte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwal-tungsgericht mit Erkenntnis vom 17. August 2020 als unbegründet ab.
3. Mit Erkenntnis vom 25. Juni 2021, E3260/2020, hob der Verfassungsgerichtshof dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes auf. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes verletzt den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, indem es bei seiner Prüfung der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gänzlich unterließ, auf die von ihm selbst festgestellte Tatsache, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Rohingya angehöre, einzugehen und diese in Bezug zu der in den von ihm selbst wiedergegebenen Länderberichten gezeichneten kritischen Lage von Angehörigen dieser Volksgruppe zu setzen; es habe somit in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Des Weiteren führte der Verfassungsgerichtshof aus, das Bundesverwaltungsgericht werde sich im fortgesetzten Verfahren nicht nur mit der Frage zu befassen haben, inwieweit dem Beschwerdeführer eine individuelle Verfolgung im Zusammenhang mit einer etwaigen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya drohe, sondern auch, ob die Zugehörigkeit zur Volksgruppe für sich genommen bereits Asylrelevanz habe.
4. Mit seinem daraufhin im zweiten Rechtsgang ergangenen, nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis vom 10. September 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt A) I.) als unbegründet ab, gab der Beschwerde der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch jedoch statt (Spruchpunkt A) II.), erteilte dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (Spruchpunkt A) III.) und hob die anderen Spruchpunkte des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ersatzlos auf (Spruchpunkt A) IV.).
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe den größten Teil seines Lebens in Bangladesch verbracht, sei dort erwerbstätig gewesen und habe dort seinen bisherigen Lebensmittelpunkt gehabt, weshalb Bangladesch auch als sein Herkunftsstaat anzusehen sei. Der Beschwerdeführer habe keine individuellen asylrelevanten Fluchtgründe in Bezug auf seinen Herkunftsstaat glaubhaft geltend gemacht. Aus seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya ergebe sich eine derartige Verfolgung nicht, schließlich liege gegen ihn in Bangladesch keine Anzeige vor und es sei auch kein Gerichtsverfahren anhängig, es sei seinem Vater und ihm möglich gewesen, in Gazipur als Tischler erwerbstätig zu sein und sich eine berufliche Existenz aufzubauen.
Auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Rohingya könne nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer ein "real risk" einer Verletzung seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat Bangladesch drohe, weshalb dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei:
"Es konnte keine allgemein lebensbedrohliche Situation bzw landesweite (Bürger-)Kriegslage in Bangladesch, dem Herkunftsstaat des BF, festgestellt werden. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist in […] Bangladesch zudem gewährleis-tet. Der BF erstattete in diesem Zusammenhang auch kein anderslautendes Vor-bringen, weshalb eine Gewährung subsidiären Schutzes aufgrund der allgemeinen Sicherheits- bzw Versorgungslage in seinem Herkunftsstaat nicht in Betracht kommt.
Der Beschwerdeführer ist jedoch Angehöriger der Volksgruppe der Rohingyas.
Dem BF ist [es] sohin im konkreten Einzelfall gelungen, im Entscheidungszeitpunkt ein 'real risk' einer Verletzung seiner Rechte im Falle einer Rückführung in seinem Herkunftsstaat Bangladesch aufzuzeigen.
[…]
Dem Vorbringen des BF, in Bangladesch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Ro-hingyas einer – faktischen - Verfolgung durch die Mehrheitsbevölkerung bzw durch Ignoranz der inländischen Behörden einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, kann unter Zugrundelegung der aktuellen Länderberichte nicht entgegengetreten werden."
Dieser Entscheidung legt das Bundesverwaltungsgericht auszugsweise folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
"Festgestellt wird, dass der BF ein Rohingya ist.
[…]
Es wird auf Grund der aktuellen Länderberichte festgestellt, dass im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch der BF einer unmittelbaren (staatlichen) Bedrohung ausgesetzt ist."
Beweiswürdigend führt das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang aus:
"Die allgemeine Lage im Herkunftsland des BF ergibt sich aus dem bereits vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand Juni 2021) und den darin angeführten Quellen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr die aktuellsten Länderberichte herangezogen (Stand Juni 2021). Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
In Folge der aktuellen politischen Spannungen sowohl in Myanmar als auch die Änderungen, welche sich im Laufe des Jahres 2020 für Angehörige der Volksgruppe der Rohingyas in Bangladesch ergeben haben, und die Lage nach aktuellen Medienberichten (aus 2021) offensichtlich sehr volatil ist, ist nachvollziehbar, dass sich derzeit die Situation für Rohingyas in Bangladesch verschlechtert haben."
5. Gegen den Spruchpunkt A) I. dieser Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Mit näherer Begründung wird dazu unter anderem ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht die Asylrelevanz der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya verkenne. Zudem wird die Gewährung von Verfahrenshilfe in näher bezeichnetem Umfang beantragt.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §3 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl I 100/2005, idF BGBl I 24/2016 lautet auszugsweise:
"Status des Asylberechtigten
§3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art1 Abschnitt A Z2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2)-(4b) […]
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."
2. Artikel 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flücht-lingskonvention – GFK), BGBl 55/1955, lautet auszugsweise:
"Artikel 1
Definition des Ausdruckes 'Flüchtling'
A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer:
1. gemäß den Vereinbarungen vom 12. Mai 1926 und 30. Juni 1928, den Abkommen vom 28. Oktober 1933 und 10. Februar 1938, dem Protokoll vom 14. September 1939 oder der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling angesehen worden ist.
Entscheidungen, die von der Internationalen Flüchtlingsorganisation während der Zeit ihrer Tätigkeit über die Anerkennung als Flüchtling getroffen worden sind, werden nicht hindern, daß Personen, die die Bedingungen der Ziffer 2 dieses Abschnittes erfüllen, die Rechtsstellung von Flüchtlingen erhalten;
2. sich infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Falls jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, ist unter dem Heimatland jedes Land zu verstehen, dessen Staatsangehöriger er ist; wenn jemand ohne triftige, auf wohlbegründeter Furcht beruhende Ursache sich des Schutzes eines der Staaten, dessen Staatsangehöriger er ist, nicht bedient, soll er nicht als eine Person angesehen werden, der der Schutz des Heimatlandes versagt worden ist.
B. […]"
3. Artikel I des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974, lautet:
"Artikel I
ALLGEMEINE BESTIMMUNG
(1) […]
(2) Im Sinne dieses Protokolls ist unter dem Ausdruck 'Flüchtling', außer bei der Anwendung des Absatzes 3 dieses Artikels, jede unter die Begriffsbestimmung des Artikels 1 der Konvention fallende Person zu verstehen, so als wären die Worte 'infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen' und die Worte 'infolge obiger Umstände' in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 nicht enthalten.
(3) […]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer groben Verkennung der Rechtslage (zB VfSlg 19.838/2013).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
3.1. Gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art1 Abschnitt A Z2 GFK droht. Die Gefahr einer Verfolgung iSd §3 Abs1 AsylG 2005 iVm Art1 Abschnitt A Z2 GFK muss nicht nur auf individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen beruhen, sondern kann auch darin begründet sein, dass die Verfolgung in zielgerichteten, regelmäßigen Maßnahmen gegen eine in Art1 Abschnitt A Z2 GFK genannte Gruppe liegt und sohin auch der Fremde, der dieser Personengruppe angehört, Grund hat, eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe" (VwGH 25.9.2020, Ra 2019/19/0407; 12.3.2021, Ra 2020/19/0315).
Vor dem Hintergrund der Länderberichte zur Situation von (aus Myanmar geflüchteten) Angehörigen der Volksgruppe der Rohingya in Bangladesch und des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 2021, E3260/2021, hatte sich das Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren nicht nur mit der Frage zu befassen, inwieweit dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Bangladesch eine individuelle Verfolgung im Zusammenhang mit einer etwaigen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya droht, sondern auch zu prüfen, ob die Zugehörigkeit zur Volksgruppe für sich genommen bereits Asylrelevanz hat.
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seinem Erkenntnis fest, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Rohingya angehört und "auf Grund der aktuellen Länderberichte […] im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch […] einer unmittelbaren (staatlichen) Bedrohung ausgesetzt ist". Gestützt auf diese Feststellungen und die Länderberichte zur Situation von (aus Myanmar geflüchteten) Angehörigen der Volksgruppe der Rohingya kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers, im Falle seiner Rückkehr nach Bangladesch "aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Rohingyas einer – faktischen [–] Verfolgung durch die Mehrheitsbevölkerung bzw durch Ignoranz der inländischen Behörden einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, […] unter Zugrundelegung der aktuellen Länderberichte nicht entgegengetreten werden [kann]".
Wenn das Bundesverwaltungsgericht ungeachtet dieser Ausführungen dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten (und nicht den Status des Asylberechtigten) zuerkennt, verkennt es, dass eine Person, deren Leben oder Freiheit von staatlichen Behörden wegen der Zugehörigkeit zu einer in Art1 Ab-schnitt A Z2 GFK genannten Gruppe bedroht wird, als Flüchtling anzuerkennen und ihr gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Indem das Bundesverwaltungsgericht daher den Beschwerdeführer, der nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya staatlicher Bedrohung ausgesetzt ist, nicht als Flüchtling iSd Art1 Abschnitt A Z2 GFK anerkannt hat, hat es im Hinblick auf §3 Abs1 AsylG 2005 die Rechtslage grob verkannt (vgl VfGH 16.12.2021, E1999/2021).
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Spruchpunkt A) I. des Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Völkerrecht, Auslegung völkerrechtlicher VerträgeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E3892.2021Zuletzt aktualisiert am
31.05.2022