Entscheidungsdatum
17.05.2022Norm
VwGVG 2014 §33 Abs1Text
Im Namen der Republik!
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Stefanie Wachter aufgrund des Vorlageantrages des B S, M, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG, Feldkirch, betreffend den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21.12.2021 betreffend einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine Enteignung nach dem Straßengesetz,
I. zu Recht erkannt:
Gemäß § 33 Abs 1, 3 und 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 und § 7 Abs 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Mit angefochtenem Bescheid wurde gemäß § 33 Abs 1, 3 und 4 VwGVG der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen (Spruchpunkt I.) Gemäß § 14 Abs 1 iVm § 7 Abs 4 VwGVG wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).
2. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid rechtzeitig einen Vorlageantrag eingebracht. In diesem bringt er im Wesentlichen vor, dass er den Antrag stelle, dass betreffend Spruchpunkt II. seine Beschwerde dem LVwG zur Entscheidung vorgelegt werde. Tatsächlich sei die Zurückweisung nicht zu Recht erfolgt. Der Bescheid vom 08.10.2021 sei nicht am 12.10.2021 zugestellt worden. Es sei (beinahe) unmöglich, dass dieser Bescheid zusammen mit dem Protokoll und den beiden Gutachten übermittelt worden sei. Im angefochtenen Bescheid würden von der Behörde nur Vermutungen angestellt und Schlüsse gezogen werden. Es sei kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Es seien nicht alle Zeugen einvernommen worden. Das Verfahren sei daher mangelhaft geblieben und die Entscheidung sei daher rechtswidrig.
Im angefochtenen Bescheid werde in Spruchpunkt I. der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Dieser Ausspruch werde zur Gänze bekämpft. Tatsächlich hätte die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung dem Wiedereinsetzungsantrag Folge geben müssen. Dies habe sie gemacht, um verhindern zu können, dass der Bescheid der Behörde inhaltlich überprüft werden könne. Insofern tatsächlich davon ausgegangen werde, dass der Bescheid ordnungsgemäß zugestellt worden sei, liege klarerweise eine Fehlleistung der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers vor. Diese Fehlleistung sei dem Sekretär unterlaufen, welcher ein äußerst verlässlicher Mitarbeiter sei, der schon lange in der Rechtsanwaltskanzlei für die Entgegennahme der Post zuständig sei. Es liege eine eidesstaatliche Erklärung vom Sekretär und vom zuständigen Rechtsanwalt vor, wie die Entgegennahme der Post erfolge und wie diese bearbeitet werde. Vom Sekretär werde auch dargelegt, dass, wenn der Bescheid ordnungsgemäß zugestellt worden wäre, er nach dem Öffnen des Kuverts den Bescheid übersehen und versehentlich verlegt haben müsste, weil der Ablauf eine andere Erklärung nicht zulasse. Naturgemäß könne er sich konkret an seine Fehlleistung nicht erinnern, sodass tatsächlich nur Schlüsse gezogen werden könnten. Dieser ihm unterlaufene Fehler stehen mit seiner Gewissenhaftigkeit im völligen Widerspruch und sei ihm ein derartiger Fehler noch nie unterlaufen. Es liege jedenfalls ein minderer Grad des Versehens vor, der die Wiedereinsetzung nicht hindere. Für den Beschwerdeführer sei dieses Versehen ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, welches ihn hindere, die Beschwerde fristgerecht einzubringen, sodass die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben seien. Dies würde von der Behörde verkannt werden. Der angefochtene Bescheid leide bereits deshalb an einer Rechtswidrigkeit, weil von der Behörde die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden seien. Es seien lediglich Feststellungen zum Verfahrenslauf getätigt worden. Im Rahmen der Feststellungen werde von der Behörde nicht auf den bescheinigten Sachverhalt eingegangen. Es würden keine konkreten Feststellungen getroffen werden, sondern nur das Vorbringen des Beschwerdeführers referiert werden. Das Verfahren sei deshalb mangelhaft geblieben. Durch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren wäre die Behörde zum Ergebnis gekommen, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis für den Beschwerdeführer vorgelegen sei und das Verschulden der Partei an der Versäumung der Beschwerdefrist nur gering sei und es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handeln würde, sodass die Wiedereinsetzung zu bewilligen sei. Der Sekretär werde laufend überwacht, da jede von ihm vorgenommene Termineintragung vom zuständigen Sachbearbeiter (RA oder RAA) in einem ersten Schritt kontrolliert werde.
Das Protokoll sei zwar zweimal zugestellt worden, jeweils jedoch mit anderen Anlagen. Das Protokoll samt den Gutachten sei zum Zeitpunkt der Zustellung am 12.10.2021 für den Rechtsvertreter als Sachbearbeiter nicht von Bedeutung gewesen, habe er doch auf den Bescheid gewartet. Von ihm seien aber die zugestellten Dokumente, wie alle anderen auch und wie es üblich sei, an den Mandanten weitergeleitet worden. Richtig sei, dass wenn die Aktenzahl auf dem Kuvert mit den zugestellten Schriftstücken verglichen worden wäre, der Sekretär hätte feststellen können, dass die zwei Schriftstücke mit übereinstimmender Aktenzahl zugestellt worden seien, jedoch nicht ein Schriftstück mit der ON 34. Diesbezüglich bestehe aber keine Überwachungspflicht und werde die Ordnungsnummer auf dem Kuvert nicht mit den zugestellten Schriftstücken verglichen. Diese auf dem Kuvert angeführten Aktenzahlen seien nämlich erfahrungsgemäß auch nicht zuverlässig. So fehle meistens die ON, bei mehreren Schriftstücken werde zumeist nur eine Aktenzahl angeführt, etc. Vom Mitarbeiter werde daher nicht überprüft, ob die Ordnungsnummer auf dem Kuvert mit der Ordnungsnummer des im Kuvert enthaltenen Schriftstückes übereinstimmt. Das Kuvert werde auch nicht dem Sachbearbeiter vorgelegt, sondern nur die zugestellte Sendung samt der darauf handschriftlich vermerkten Rechtsmittelfrist.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Folge zu geben gewesen.
Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Beschwerdeführer eine ausführliche Beschwerde, die sich inhaltlich gegen den Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 08.10.2021 richtet, erhoben.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
3.1. Das Land Vorarlberg, vertreten durch die Vorarlberger Landesregierung, vertreten durch die Abteilung VIIb (Straßenbau) hat im Zusammenhang mit der Verbreiterung und dem Ausbau der L X und L Y in D und L, Km XX bis Km YY mit Schreiben vom 30.04.2021 einen Antrag gemäß §§ 50 ff Straßengesetz auf Enteignung sowie einen Antrag gemäß § 48 Straßengesetz (vorübergehende Benutzung eines Grundstückes) bei der Vorarlberger Landesregierung eingereicht.
Bei der L X und der L Y handelt es sich um Landesstraßen, deren Straßenerhalter das Land Vorarlberg ist.
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des GST-NR XXX, KG D (Hinweis: Im Folgenden kurz als GST-NR XXX bezeichnet). Diese Liegenschaft hat eine Gesamtfläche von 7.197 m² und ist im Flächenwidmungsplan der Stadt D als Freifläche – Landwirtschaft ausgewiesen.
Für die Verbreiterung der L X (Sstraße) und die Errichtung des Radweges entlang dieser Straße ist eine Teilfläche von 514 m² aus dem GST-NR XXX dauerhaft notwendig. Diese Fläche setzt sich zusammen aus 112 m² für die Verbreiterung der L X und 402 m² für die Errichtung des Radweges.
Für die Bauarbeiten werden 524 m² Grundfläche aus GST-NR XXX vorübergehend beansprucht. Diese Teilfläche wird nach Durchführung der Bauarbeiten wiederhergestellt werden.
Zwischen dem Straßenerhalter (Land Vorarlberg) und dem Beschwerdeführer wurden vor Einleitung des Enteignungsverfahrens zahlreiche Gespräche geführt. Es konnte jedoch keine Einigung erzielt werden.
3.2. Am 18.08.2021 wurde vor Ort eine mündliche Verhandlung von der Behörde durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde zu dieser mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen. Am 06.08.2021 wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vorab das verkehrsplanerische Gutachten sowie das Verkehrswertgutachten per E-Mail übermittelt. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer haben an der Verhandlung teilgenommen.
Die Behörde hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Verhandlungsniederschrift mit Schreiben vom 07.09.2021, am 09.09.2021 zugestellt. Ein weiteres Schreiben der Behörde wurde dem Rechtsvertreter am 09.09.2021 zugestellt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen dazu Stellung zu nehmen. Am 30.09.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der Behörde ein.
Anfang September 2021 nahm der Beschwerdeführer neuerlich Gespräche mit der Bürgermeisterin der Stadt D auf, um allenfalls noch eine gütliche Lösung zu finden. An diesen Gesprächen nahm der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht teil. Es wurde zwischen dem Rechtsvertreter und seinem Mandanten vereinbart, dass dieser ihn über eine allfällige Einigung in Kenntnis setzt.
3.3. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Ib (Verkehrsrecht) vom 08.10.2021 wurde unter Spruchpunkt I.A. verfügt, dass die im Alleineigentum vom Beschwerdeführer stehende Liegenschaft, mit der GST-NR XXX in EZ YYY, KG D, welche im Grundeinlösungsplan, betreffend unter Spruchpunkt I., angeführt im Enteignungsoperat LS-XX mit dem Plan Nr Y, Einlage Nr Z, erstellt am 26.03.2021, des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Straßenbau VIIb, in welchem die ablösende Flächen bezeichnet und hellblau für die Ablösefläche L X Sstraße und orange für die Ablösefläche des Radweges L X eingezeichnet ist, im Ausmaß von 514 m², zu Gunsten des antragstellenden Landes Vorarlberg, Landesstraßenverwaltung, im Wege der Enteignung dauerhaft und lastenfrei abzutreten ist. In Spruchpunkt I.B. wurde über die vorübergehende Enteignung abgesprochen.
Am 08.10.2021 fertigte A F den Bescheid samt drei Anlagen (Niederschrift vom 07.09.2021, Gutachten des SV für Liegenschaftsbewertung, Gutachten des SV für Verkehrsplanung) per RSb-Brief an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ab. Es war der einzige RSb-Brief, der von A F an diesem Tag abgefertigt wurde. Auf dem RSb-Kuvert wurde unter der Rubrik „ID“ Folgendes notiert: „I“. Dabei handelt es sich um die Geschäftszahl des oben angeführten Bescheides. Der Rückschein wurde von der Post an die Behörde übermittelt.
Am selben Tag fertigte A F diesen Bescheid samt Anlagen an zwei weitere Parteien ab. Diese Abfertigung erfolgte elektronisch. Der Bescheid samt Anlagen wurde diesen beiden Parteien noch am selben Tag zugestellt.
Am 12.10.2021 langte dieser RSb-Brief in der Rechtsanwaltskanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers ein. Dieser Brief wurde von H S entgegengenommen. Auf dem Rückschein wurde bei der Rubrik „Übernahmebestätigung“ einerseits das Datum (12.10.2021), anderseits der Name von H S und der Firmenstempel der Kanzlei samt Paraphe des H S festgehalten. H S entnahm die Schriftstücke aus dem Kuvert und brachte auf der Verhandlungsschrift einen Eingangsstempel an und notierte die kanzleiinterne Geschäftszahl und den zuständigen Sachbearbeiter auf diesem. Das Kuvert wurde von ihm entsorgt. Der angeführten Geschäftszahl schenkte er keine Beachtung.
Der Bescheid ging in der Kanzlei des Rechtsvertreters verloren. Es wurde aus diesem Grund keine Rechtsmittelfrist in den Kalender eingetragen. Der zuständige Rechtsanwalt erlangte keine Kenntnis von der Zustellung des Bescheides am 12.10.2021. Ihm wurde ausschließlich das Protokoll und die beiden Gutachten vorgelegt. Der Rechtsanwalt war nicht verwundert darüber, dass ihm zum zweiten Mal das Protokoll und die beiden Gutachten übermittelt wurden. Er fragte diesbezüglich nicht bei der Behörde nach. Er übermittelte das Protokoll mit Schreiben vom 12.10.2021 seinem Mandanten.
3.4. H S ist seit ca acht Jahren in der Rechtsanwaltskanzlei des Rechtsvertreters beschäftigt. Zuvor war er viele Jahre bei Gericht als Kanzleimitarbeiter tätig. Seine Aufgaben in der Rechtsanwaltskanzlei umfassen, insbesondere die Fristenüberwachung, die Entgegennahme der physischen und elektronischen Post und den Telefondienst. Bei Einlangen der Post widmet er sich ausschließlich dieser und das Telefon wird von einer anderen Mitarbeiterin in der Kanzlei entgegengenommen.
H S überprüft sämtliche einlangenden Schriftstücke auf allfällige Fristen, trägt diese im Kalender ein und legt das Schriftstück dem zuständigen Sachbearbeiter in sein Fach. Dieses Fach befindet sich unmittelbar neben dem Arbeitsplatz von ihm. Die eingetragenen Fristen werden in der Kanzlei vom zuständigen Sachbearbeiter auf ihre Richtigkeit geprüft und allenfalls korrigiert.
Bei H S handelt es sich um einen äußerst zuverlässigen und genauen Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei des Rechtsvertreters. Bislang kam es zu keinen Fristversäumnissen in der Kanzlei aufgrund einer Fehlleistung des H S.
3.4. Am 18.11.2021 übermittelte die Behörde ein Schreiben an der Bezirksgericht D mit dem Ersuchen um Herstellung des rechtmäßigen Grundbuchsstandes.
Am 25.11.2021 erhielt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers von einem Journalisten ein E-Mail, mit der Frage, weshalb kein Rechtsmittel gegen den Enteignungsbescheid eingelegt worden sei.
Der Rechtsvertreter antwortete noch am selben Tag und teilte dem Journalisten mit, dass ihm bislang kein Enteignungsbescheid zugestellt worden sei. Am darauffolgenden Tag rief er die zuständige Sachbearbeiterin der Behörde an und erkundigte sich nach der Richtigkeit der Angaben des Journalisten.
Daraufhin übermittelte die Sachbearbeiter dem Rechtsvertreter per Mail den Bescheid vom 08.10.2021. Am 29.11.2021 wurde dem Rechtsvertreter auf seinen Wunsch hin auch der Rückschein des Bescheides übermittelt. Am 30.11.2021 übermittelte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ein E-Mail an die Behörde, in welchem er den Sachverhalt aus seiner Sicht rekonstruierte. Insbesondere teilte er mit, dass der Bescheid vom 08.10.2021 ihm nicht zur Kenntnis gelangt sei, sondern ihm am 12.10.2021 ausschließlich die Verhandlungsschrift zugestellt worden sei.
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Einvernahme der Zeugen Mag. M M, H S und A F, sowie der angeführten Schriftstücke, die alle Bestandteile des Behördenaktes sind, als erwiesen angenommen.
4.1. Die Feststellungen zum Inhalt des Enteignungsantrages ergeben sich aus dem unter Punkt 3.1. angeführten Schreiben vom 30.04.2021. Aus diesem ist zu entnehmen, dass das Land Vorarlberg, vertreten durch die Vorarlberger Landesregierung, wiederum vertreten durch die Abteilung Straßenbau eine solchen Antrag eingebracht hat.
Unstrittig ist, dass es sich bei den Straßen L X und L Y um Landesstraßen handelt, deren Straßenerhalterin das Land Vorarlberg ist.
Aus dem Grundbuch ergibt sich die Eigentümereigenschaft des Beschwerdeführers, sowie die Fläche des Grundstückes. Die Flächenwidmung konnte dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Stadt D entnommen werden.
Der Gegenstand des Enteignungsverfahrens ergibt sich aus den im Behördenakt vorliegenden Plänen und ist unstrittig. Ebenso ist unstrittig, dass es zu keiner gütlichen Einigung zwischen dem Land Vorarlberg und dem Beschwerdeführer kam.
4.2. Die Feststellungen zu Punkt 3.2. ergeben sich aus den angeführten Schriftstücken und sind unstrittig.
4.3. Die Feststellungen zum Inhalt des Bescheides vom 08.10.2021 ergeben sich aus diesem Bescheid.
Zum Ablauf der Abfertigung des Bescheides wurde A F als Zeugin einvernommen. Diese gab dazu im Wesentlichen an, dass der Großteil bei ihnen elektronisch rausgehe. Es sei so, dass sie vom jeweiligen Sachbearbeiter den Akt, der zu verschicken sei, digital ins Programm bekomme. Sie könne es dann öffnen und sehe was sie an wen, wie schicken müsse. Wenn es elektronisch abzufertigen sei, mache sie das elektronisch über ihr Programm. Sie habe dann das Dokument, das zum Abfertigen sei, ausgedruckt und das liege links neben ihr auf dem Schreibtisch. RSb-Briefe seien, wie sie bereits gesagt habe, eine Seltenheit. Wenn sie einen RSb-Brief zu verschicken habe, dann sei es so, dass ihr Programm das automatisch generiere und sie könne dann einfach alles auf einmal ausdrucken, was als RSb zu verschicken sei. Es liege dann das Hauptdokument immer links auf ihrem Schreibtisch und sie könne dann noch einmal kontrollieren, was sie alles verschicken müsse. Sie achte immer sehr darauf, dass das Hauptdokument, das zu verschicken sei, sich ganz vorne befinde. Sie hake dann die Beilagen auf dem Dokument, das auf dem Schreibtisch liege, immer ab. Dieses Hauptdokument das bleibe dann auch im Akt zurück. Das RSb-Fenster werde automatisch von ihrem Programm generiert. Sie drucke das mit aus und klebe das auf den Brief drauf bzw auf das Kuvert drauf. Auf dem RSb-Kuvert scheine immer der Empfänger, der Absender und die Aktenzahl auf. Wenn es einen physischen Akt gebe, dann bekomme sie den zur Abfertigung immer mit auf ihren Schreibtisch gelegt.
Die Zeugin erklärt anschließend nach Vorlage und über Frage der Verhandlungsleiterin den Bescheid vom 08.10.2021, wie folgt: Vorne bei Anlagen würden sich Haken befinden. Diese Haken habe sie angeführt. Es sei so, dass die erste Seite immer ganz wichtig sei, weil sie ja schauen müsse, was alles mitgeschickt werde. Sie hake das ab, wenn es ins Kuvert komme. Wenn sie etwas physisch zu verschicken habe, sei es so, dass sie es ausdrucke, schön aufeinanderlege und dann einfach noch einmal kontrolliere, ob wirklich alles da sei und dann hake sie es auch ab. Wenn sie das erledigt habe, dann widme sie sich dem Empfänger. Sie hake das dann auch ab. Sie hake zB wenn ein RSb-Brief zu verschicken sei, dies einfach noch einmal zusätzlich ab. Wenn sie dann den Brief physisch in ihren Postkorb gelegt habe, dann bringe sie einen Abfertigungsstempel, wie hier auf Seite 26 an. Das Datum der Abfertigung habe sie auch gestempelt. Die Paraphe stamme von ihr. Darüber befinde sich noch eine Zeile mit WV: 15.11.2021 und ein Haken. Das habe sie drauf geschrieben. Das bedeutet eine Wiedervorlage, dass der Akt wieder vorgelegt werde.
Die Zeugin gab dann weiter an, dass es ihr noch nie passiert sei, dass sie einen Bescheid nicht verschickt habe und nur die Anlagen übermittelt habe. Sie könne sich noch konkret an diesen Bescheid erinnern. Sie wisse nämlich, dass es da schon eine Vorbesprechung mit Frau Dr. K gegeben habe. Es war nämlich so, dass dieser Bescheid eben gerade nicht an den Beschwerdeführer direkt gegangen sei, sondern an seinen Rechtsvertreter. Sie habe diesbezüglich dann schon Vorarbeiten gemacht und eben das mit Frau Dr. K besprochen. Es sei so, dass bei ihnen der Beschwerdeführer als Person hinterlegt sei im System. Wenn sie den anklicken würde, dann würde es an seine Adresse selbst gehen. Der Herr Rechtsanwalt scheine dann nur dahinter auf. Ihr habe dann eine Kollegin auch erklärt, wie sie das richtig zu machen habe, nämlich mit der Formatierung und so und wie das im System auch zu hinterlegen sei. Deshalb habe sie auch vorhin gesagt, dass sie noch einmal mit Frau Dr. K über die Adressierung gesprochen habe. Ihr sei dann erklärt worden, wie sie das konkret zu machen habe, nämlich an den Beschwerdeführer, zH dem Anwalt. Das habe sie im konkreten Fall noch einmal einspielen müssen in ihr System. Es sei bislang nur in zwei Fällen der Fall gewesen, dass sie einen Rechtsanwalt gehabt habe, an den sie dann per RSb zugestellt habe.
Sie könne sich noch konkret an den Freitag erinnern, an dem sie diesen Brief hier abzufertigen gehabt habe. Es sei an dem Tag der einzige RSb-Brief gewesen. Am Freitag sei es bei ihnen oft sehr ruhig, weil einige Mitarbeiter im Home-Office seien. Deshalb könne sie sich daran erinnern, dass es an diesem Tag nur der eine gewesen sei. Weiters sei es so, dass sie ganz besonders darauf achte, dass ihr Schreibtisch aufgeräumt sei. Es sei nichts mehr auf ihrem Schreibtisch gewesen und es wäre ihr aufgefallen, wenn dort noch irgendwas gelegen wäre.
Die Zeugin F machte auf das Verwaltungsgericht einen glaubwürdigen Eindruck. Sie schilderte detailliert, wie sie die Abfertigung des Bescheides per RSb-Brief vorgenommen hat und schilderte auch eindrucksvoll die Gründe dafür, weshalb sie sich so gut an diesen RSb-Brief erinnern könne (zB Zustellung an Rechtsanwalt als Seltenheit, ein ruhiger Freitag im Büro, der einzigen RSb-Brief an diesem Tag, die handschriftlichen Vermerke auf dem Bescheid im Behördenakt). Für das Gericht bestehen aufgrund der Angaben dieser Zeugin keine Zweifel daran, dass sie den Bescheid samt den auf der ersten Seite angeführten Anlagen kuvertiert hat und an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers übermittelt hat. Im gesamten Verfahren sind keine gegenteiligen Anhaltspunkte hervorgekommen, die dafürsprechen würden, dass der Bescheid nicht im Kuvert war.
Die Feststellungen zur Rubrik des RSb-Kuverts ergeben sich aus dem Rückschein, der im Original vorliegt. Dass der Bescheid den anderen Parteien am 08.10.2021 digital zugestellt wurde, ergibt sich aus deren schriftlichen Stellungnahmen, die das Verwaltungsgericht von Amts wegen im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholt hat. Beide gaben an, dass sie den Bescheid samt den angeführten Anlagen in einem Zustellakt am 08.10.2021 erhalten haben.
Da der Bescheid samt Anlagen mit einem RSb-Brief und nicht mit einem eingeschriebenen Brief übermittelt wurde, war es trotz Anfrage des Verwaltungsgerichtes bei der Poststelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung nicht möglich, das Gewicht des Briefes zu eruieren.
Unstrittig ist, dass am 12.10.2021 ein RSb-Brief der Behörde in der Kanzlei des Rechtsvertreters eingelangt ist und dieser von H S entgegengenommen wurde. Dies ergibt sich aus dem Rückschein des RSb-Briefes und wird vom Rechtsvertreter auch nicht in Abrede gestellt.
H S gab als Zeuge in der mündlichen Verhandlung zur Zustellung am 12.10.2021 im Wesentlichen an, dass es sich bei der Paraphe auf dem Rückschein um seine Schrift handle. Da das Ganze jetzt doch schon über ein Jahr her sei, könne er nicht mehr ganz detailliert über den Zustellvorgang berichten. Er wisse natürlich nicht mehr ganz genau, welches Schriftstück das gewesen sei. Seit vielen Jahren sei es so, dass er sich nur noch auf den Inhalt des Briefes konzentriere. Es sei so, dass auf den Kuverts oft gar nichts genau oben stehe oder wenn eine Ordnungsnummer oben stehe, dass diese dann auch nicht richtig sei. Er schenke daher dem Kuvert keine Beachtung. Das Kuvert selber werde vernichtet, es komme in den Papiereimer. Er könne sich heute nur noch daran erinnern, dass Mag. M ca einen Monat nach dem 12.10. zu ihm gekommen sei. Er habe dann zu ihm gesagt, dass eben da am 12.10. auch ein Bescheid hätte zugestellt werden sollen. Er könne sich noch erinnern, dass er damals zu ihm gesagt habe, dass er sich sicher sei, dass er nicht mitzugestellt worden sei. Nämlich deshalb nicht, weil er sonst eine Frist eingetragen hätte. Es handele sich ja hier um ein Konvolut von 27 Seiten, nicht nur um eine einzelne Seite. Deshalb, wenn er das in den Händen gehabt hätte, dann hätte er da ja auch eine Frist eingetragen, weil da wäre ja auch eine Frist in dem Bescheid gewesen, die einzutragen gewesen wäre. Er könne heute nicht mehr sagen, ob er mit dem RA M am 12.10.2021 über den Inhalt gesprochen habe. Ihm sei nur aufgefallen, dass da eben auch noch Gutachten bei der Verhandlungsschrift gewesen seien. Er wisse eben, dass das ganz selten sei und das sei ihm eben aufgefallen. Auf seinem Schreibtisch schaue es sehr sauber aus. Er lege nämlich sehr viel Wert darauf, dass die Dinge nacheinander abgearbeitet werden würden. Wenn der Postler komme und er dann die Post mache, dann nehme er keine Telefonate entgegen und dann störe ihn auch kein anderer Mitarbeiter in der Kanzlei. Das sei ihm nämlich ganz wichtig, dass er das in Ruhe machen könne.
Bei ihnen würde im Durchschnitt nur noch jeden zweiten Tag der Postler kommen. Wenn man das so hochrechnet, hätten sie am Tag vielleicht noch zwei bis drei eingeschriebene Briefe. Seit ca 10 Jahren stelle nämlich das Gericht nur noch über den elektronischen Verkehr zu. Es sei fast mit allen Behörden so. Es sei so, dass der Postler direkt in die Kanzlei komme. Er sitze dann eben an seinem Schreibtisch und der Postler übergebe ihm RSa- und RSb-Briefe. Er unterschreibe diese und gebe den Kanzleistempel drauf. Er gebe dann die Briefe zurück an den Postler. Der Postler reiße dann die Rückscheine runter und übergebe ihm dann die Briefe. Es sei so, dass bei ihnen natürlich die Briefe Priorität hätten. Er öffne diese Briefe sofort, wenn sie kommen. Er öffne das Kuvert, nehme den Inhalt heraus, schau dann wem dieses Schriftstück zuzuordnen sei. Er müsse dazu manchmal eben in das elektronische System bei ihnen schauen, schreibe die Geschäftszahl rauf und den Vornamen des Sachbearbeiters. Dann schaue er sich das Dokument an. Als erstes mache er einen Eingangsstempel auf das Schriftstück drauf und dann schaue er erst nach, wem es zuzuordnen sei. Er schaue dann die Schriftstücke von hinten bis vorne durch. Fristen könnten sich nämlich überall in den Schriftstücken befinden. Wenn er dann irgendwelche Fristen finde, trage er dann diese Frist zuerst im händischen Kalender ein und dann im digitalen Kalender ein. Sie seien nämlich dort doppelt abgesichert, damit wirklich nichts passiere. Erst wenn er das dann eingetragen habe, dann lege er es in das Fach des jeweiligen Sachbearbeiters ein. Die Fächer würden sich direkt neben seinem Arbeitsplatz befinden. Ihm sei in 40 Jahren noch nie passiert, dass er eine Frist übersehen habe oder nicht eingetragen habe.
Der Zeuge H S machte auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck und schilderte auch er nachvollziehbar und schlüssig, wie er seine Arbeit mache. Jedoch gab er an, dass er sich nicht mehr konkret an die Zustellung am 12.10.2021 erinnern könne. Er sei sich jedoch sicher, dass er den Bescheid aufgrund des Umfanges (27 Seiten) nicht übersehen habe und eine Frist eingetragen hätte, wenn er den Bescheid in Händen gehalten hätte. Das Verwaltungsgericht geht jedoch, wie oben ausführlich dargelegt und begründet wurde, davon aus, dass der Bescheid im RSb-Brief Kuvert enthalten war. Der Bescheid muss in der Kanzlei des Rechtsvertreters beim Öffnen der Post verloren gegangen sein. Auf welche Art und Weise lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. So ist es für das Verwaltungsgericht denkbar und vorstellbar, zB dass der Bescheid in einen anderen Akt gelangt ist, bevor H S einen Stempel angebracht hat oder er zB im Kuvert, das entsorgt wurde, versehentlich geblieben ist. H S machte auf das Verwaltungsgericht den Eindruck, als ob er ein sehr verlässlicher und korrekter Mitarbeiter ist, der seine Arbeit gewissenhaft und mit größter Sorgfalt erledigt. Da er sich jedoch im Gegensatz zu A F nicht mehr konkret an die Zustellung am 12.10.2021 erinnern kann, schenkt das Gericht der Aussage von A F mehr glauben. Aufgrund des im Akt befindlichen Rückscheines, welcher die Ordnungsnummer (ON) des Bescheides enthält und den Angaben der Zeugin F konnte die Feststellung getroffen werden, dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 12.10.2021 der Bescheid zugestellt wurde.
Bei dem Rückschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde iSd § 292 ZPO. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, dass Gericht von dessen Unrichtigkeit zu überzeugen.
Die Feststellungen zu den Vorgängen in der Kanzlei des Rechtsvertreters am 12.10.2021, insbesondere, dass das Kuvert entsorgt wurde, der ON auf dem Kuvert keine Beachtung geschenkt worden ist, die ON vom Rechtsanwalt nicht überprüft wurde und keine Rechtsmittelfrist im Kalender eingetragen wurde, weil der Bescheid weder vom Sekretär noch vom Rechtsanwalt wahrgenommen wurde, konnten aufgrund der Angaben des Zeugen S getroffen werden. Die von ihm geschilderten Vorgängen sind nachvollziehbar und schlüssig.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Mag. M M, wurde als Zeuge einvernommen. Dieser schilderte nachvollziehbar und glaubwürdig, dass er keine Kenntnis vom Bescheid erlangt habe, lediglich das Protokoll und die beiden Gutachten in seinem Fach vorgefunden habe und er am 12.10.2021 lediglich das Protokoll an seinen Mandanten weitergeleitet habe. Auch gab er an, dass er nicht verwundert gewesen sei, dass er zum zweiten Mal das Protokoll erhalten habe.
4.4. Die Feststellungen zu Punkt 3.4. konnten aufgrund der Angaben der Zeugen S und Mag. M und des persönlichen Eindrucks, den H S in der Verhandlung hinterlassen hat, getroffen werden. Das Verwaltungsgericht hat keine Zweifel daran, dass es sich bei H S um einen äußerst zuverlässigen Mitarbeiter handelt, der stets seinen Arbeitsplatz in Ordnung hält.
4.5. Die Feststellungen zu Punkt 3.5. ergeben sich aus den dort angeführten Schriftstücken, die alle im Behördenakt aufliegen.
5.1. § 33 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, idF, BGBl I Nr 109/2021, lautet wie folgt:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“
5.2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es – wie sich aus der Parenthese in Abs 1 erster Satz ergibt („so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat“) – nur bei einer ordnungsgemäßen Zustellung, weil andernfalls keine Versäumung einer Handlung vorliegt.
Wie unter Punkt 3.3. festgestellt wurde, wurde der Bescheid vom 08.10.2021 dem Rechtsvertreter am 12.10.2021 zugestellt. Der Rechtsvertreter erlangte am 26.11.2021 Kenntnis von der erfolgten Zustellung, auch wenn er eine solche stets bestritten hat. Der am 09.12.2021 eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist deshalb rechtzeitig.
Im Wiedereinsetzungsantrag ist konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu bezeichnen, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist gehindert hat (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0070). Es ist dann unvorhergesehen, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (VwGH 26.02.2014, 2012/13/0051).
Die Behörde (das Landesverwaltungsgericht) ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Wiedereinsetzungsverfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen. Eine amtswegige Prüfung, ob sonstige vom Antragsteller nicht geltend gemachte Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat nicht zu erfolgen. (VwGH 17.03.2015, Ra 2014/01/0134).
Als unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis wird vom Beschwerdeführer der Umstand vorgebracht, dass sein Rechtsvertreter keine Kenntnis von der Zustellung am 12.10.2021 erlangt hat, weil ihm der Bescheid vom 08.10.2021 nicht vorgelegt worden sei. Es sei unvorhergesehen und unabwendbar für den Rechtsvertreter gewesen, dass sein zuverlässiger und genauer Mitarbeiter einen Bescheid übersehe und daher nicht terminisierte.
Dass der Bescheid in der Kanzlei verloren ging, bevor er dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt wurde stellt ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis im vorliegenden Fall dar, da es sich bei H S, wie unter Punkt 3.4. festgestellt wurde, um einen äußerst zuverlässigen und genauen Mitarbeiter handelt. Der Rechtsvertreter musste nicht damit rechnen, dass ein (derartig wichtiges) Schriftstück verloren geht.
Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss gegenüber seiner Kanzlei als Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis in Betracht. (VwGH 30.06.2016, Ra 2015/19/0155).
In der Kanzlei des Rechtsvertreters werden sämtliche eingetragenen Fristen vom zuständigen Sachbearbeiter (Rechtsanwalt / Rechtsanwaltsanwärter) kontrolliert und gegebenenfalls geändert und gestrichen. Die Fristen werden gleich zweifach vermerkt (elektronisch und in einem händischen Kalender).
Zu prüfen ist nunmehr, ob es sich um einen minderen Grades des Versehens handelt.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 33 Abs 1 VwGVG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 24.03.2022, Ra 2020/21/0369).
Der Fehler einer Kanzleimitarbeiterin eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Mitarbeiterin verletzt hat. Zu den Aufgaben des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Wahrung einer Frist gehört es, die Frist festzusetzen (zu berechnen), ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl zB VwGH 30.10.2003, 2003/15/0042 und 0071, sowie 29.09.2004, 99/13/0248). Er hat Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen, indem er zB eine andere geschulte und verlässliche Mitarbeiterin mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchführt. (VwGH 06.10.2021, Ra 2021/02/0208).
Im vorliegenden Fall kann aus nachfolgenden Gründen gerade nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden:
Vorab wird festgehalten, dass das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung ist dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten verletzt hat (VwGH 19.03.2021, Ra 2020/02/0192).
Auf dem Rückschein des RSb Kuvert, der eine öffentliche Urkunde iSd § 292 ZPO darstellt, war die Ordnungsnummer des Bescheides angeführt. Dieser Geschäftszahl wurde weder vom Kanzleimitarbeiter noch vom zuständigen Rechtsanwalt Beachtung geschenkt. Vielmehr wurde das Kuvert unverzüglich nach dem Öffnen entsorgt, dies mit der Begründung, dass die auf dem Kuvert angeführten Geschäftszahlen oftmals unrichtig seien oder ein Kuvert erst gar keine Geschäftszahl enthalte. Dem Rechtsanwalt wurde in der Folge von seinem Kanzleimitarbeiter lediglich das Protokoll der mündlichen Verhandlung, sowie die beiden Gutachten vorgelegt.
Das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die beiden Gutachten wurden dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits im September bzw August 2021 zugestellt. Es macht keinen Sinn, dass eine Behörde zweimal dieselben Dokumente verschickt ohne dass es hierfür einen ersichtlichen Grund gibt. Der Rechtsvertreter war über die doppelte Zustellung im Abstand von doch über sechs Wochen nicht verwundert. Dies ist für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar. Bei Einhaltung der dem Rechtsvertreter zumutbaren Sorgfalt hätte er dieser scheinbar „doppelten Zustellung“ ein- und derselben Dokumente nachgehen müssen. So hätte er einerseits bei seinem Mitarbeiter, der die Post erledigt, nachfragen müssen und andererseits, wenn dies zu keiner Aufklärung der Situation geführt hätte, sich telefonisch bei der Behörde erkunden müssen, weshalb ihm diese Dokumente ein zweites Mal zugestellt wurden. Auch hätte ein Blick auf das Kuvert gezeigt, dass jenes Dokument, welches die Ordnungsnummer (ON) 34 enthält, ihm nicht vorgelegt wurde.
Aus all diesen Gründen hat die Behörde zu Recht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen.
5.4. Nach § 7 Abs 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters ordnungsgemäß am 12.10.2021 zugestellt. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde ist somit am 09.11.2021 abgelaufen.
Die am 09.12.2021 eingebracht Beschwerde ist aus diesen Grund verspätet und wurde von der Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
6. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Wiedereinsetzung, kein minderer Grad des VersehensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2022:LVwG.343.1.2022.R17Zuletzt aktualisiert am
30.05.2022