Entscheidungsdatum
16.03.2022Norm
AuslBG §18 Abs12Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch die Richterin
HR Dr. Hagmann über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 21. April 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführer in drei Fällen wegen Übertretung des § 28 Abs 1 Z 4 lit. b iVm § 18 Abs 12 AuslBG mit Geldstrafen von je € 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: je 33 Stunden) bestraft. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe am 30. November 2020 in ***, ***, entgegen § 18 Abs 12 AuslBG die Arbeitsleistungen von drei namentlich bezeichneten Ausländern, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer
vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wurden, ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung in Anspruch genommen, obwohl die Voraussetzungen des § 18 Abs 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt waren.
Begründend wurde mit Hinweis auf eine Stellungnahme der Finanzpolizei und Zitat der rechtlich relevanten Bestimmungen ausgeführt, die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei aufgrund der Angaben laut Anzeige und der finanzpolizeilichen Stellungnahme als erwiesen anzusehen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Mit der fristgerecht durch den Beschuldigten erhobenen Beschwerde wurde das Straferkenntnis vollinhaltlich angefochten. Der Beschwerdeführer habe stets darauf hingewiesen, dass nach den ihm vorliegenden Unterlagen er davon ausgehen konnte, dass alles rechtmäßig ablaufe. Es habe sich um eine slowenische, somit EU-zugehörige, Firma gehandelt. Zu berücksichtigen sei insbesondere auch, dass er selbst nicht auf der Baustelle gewesen sei und die Beschäftigten niemals gesehen habe. Er beantrage, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen, in eventu eine angemessene Herabsetzung der verhängten Geldstrafen.
Der Finanzbehörde wurde das gegenständliche Straferkenntnis als Partei im Verfahren ebenfalls zugestellt. Beschwerde wurde durch die Finanzpolizei nicht erhoben. In einer schriftlichen Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen wurde vom Amt für Betrugsbekämpfung, Finanzpolizei, zusammengefasst ausgeführt, es sei nicht relevant war, ob der Verpflichtete selbst auf der Baustelle anwesend sei oder nicht. Die Verpflichtung richte sich an denjenigen, der die Arbeitsleistung eines Drittstaatsangehörigen ohne entsprechende Bewilligung in Anspruch nehme. Nach Ansicht der Finanzpolizei habe der Beschuldigte seine Unschuld nicht beweisen können. Zur Strafbarkeit genüge fahrlässiges Verhalten. Es werde um Bestätigung des Straferkenntnisses ersucht.
3. Erwägungen:
3.1.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in Entsprechung des § 44 Abs 1 VwGVG (fortgesetzt) eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in welcher durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie durch Einsicht in die Akten des Verfahrens, auf deren Verlesung verzichtet wurde, Beweis erhoben wurde. Ein Vertreter des Amtes für Betrugsbekämpfung hat ausschließlich an der fortgesetzten Verhandlung teilgenommen.
3.2.
Feststellungen:
3.2.1. Der Beschwerdeführer ist Hälfteeigentümer der spruchgegenständlichen Liegenschaft, auf welcher die zum Zeitpunkt der Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei angetroffenen drei Ausländer bosnischer Herkunft im Auftrag der in Slowenien ansässigen C d.o.o. die Montage von Fenstern ausgeführt haben. Der Beschwerdeführer hatte als alleiniger Auftraggeber die D d.o.o. mit dem Sitz in ***, Bosnien und Herzegowina, mit der Lieferung und Montage von Fenstern und einer Sektionstüre zum vereinbarten Preis von € 25.564,50 beauftragt. Die D d.o.o. hat den Auftrag mit schriftlichem Vertrag an die C d.o.o. mit dem Sitz in Slowenien weitergegeben.
3.2.2. Entsendemeldungen an die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Amtes für Betrugsbekämpfung durch den Dienstgeber waren nicht erstattet. Eine Überprüfung durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice betreffend Vorliegen der Voraussetzungen für die Entsendung wurde nicht durchgeführt. Weder wurden EU- Entsendebestätigungen ausgestellt noch wurde das Nichtvorliegen der Voraussetzungen festgestellt und die Entsendungen untersagt.
3.2.3. Die C d.o.o., deren Geschäftsführer Herr E ist, ist in ***,***, Slowenien, mit der Gewerbeberechtigung „Montage von Fenster aus Alu-Kunststoff“ etabliert und ist Arbeitgeber der drei spruchgegenständlichen Personen, die der Sozialversicherung in Slowenien unterlagen. Die Arbeitskräfte waren jeweils auf Grundlage eines Arbeitsvertrages und eines Zusatzvertrages für die Zeit der Entsendung zu einem Bruttostundenlohn von € 12,90 beschäftigt.
3.3.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere auf die Angaben des Beschwerdeführers sowie den Inhalt des gesamten Verwaltungsaktes, beinhaltend eine ergänzend eingeholte Stellungnahme des Amtes für Betrugsbekämpfung sowie die mit Zustimmung der Parteien verlesenen Aussagen des im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht NÖ (Beschwerdeverfahren LVwG-S-181 bis 183-2021 gegen die spruchgegenständlichen Ausländer wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes) als Zeugen befragten E sowie der in diesem Verfahren jeweils als Beschuldigte einvernommenen Personen F und G, deren Einvernahme jeweils unter Beiziehung eines Dolmetschers erfolgte.
Unbestritten ist, dass der slowenische Arbeitgeber keine Entsendemeldungen erstattet hat, weshalb auch kein formales Überprüfungsverfahren durch das Arbeitsmarktservice geführt wurde.
Aus der Stellungnahme des Amtes für Betrugsbekämpfung ergibt sich, dass die gemäß § 19 Abs 3 LSD-BG geforderten Angaben zufolge Fehlens der Meldung nicht erhoben werden konnten, sowie dass die Gewerbeberechtigung der C d.o.o., deren Geschäftsführer E ist, auf „Montage von Fenstern aus Alu-Kunststoff“ lautet, sowie, dass der Arbeitsbeginn nach den Angaben der Ausländer aus Anlass der Kontrolle am 27.11.2020 war. Es wurde darauf hingewiesen, dass laut Versicherungsformularen, Personenblättern und dem aus Anlass der Amtshandlung vorgelegten Arbeitsvertrag des H der Arbeitgeber dieser Personen die slowenische C d.o.o. war, wobei der Arbeitsvertrag eine Bruttolohnvereinbarung von monatlich € 970,-- aufwies, allerdings weitere Angaben wegen Fehlens der ZKO3-Meldung nicht erhoben werden konnten.
Den Akten des Landesverwaltungsgerichtes NÖ zu LVwG-S-181 bis 183-2021 war eine Zusatzvereinbarung vom 26.11.2020, abgeschlossen zwischen der C d.o.o. und G, einliegend, welche in den verfahrensgegenständlichen Akt einbezogen und in der mündlichen Verhandlung verlesen wurde (Anlage zum Arbeitsvertrag für die Arbeitsdauer in Österreich). Nach der diesbezüglich eindeutigen Aussage des E ist davon auszugehen, dass diese Zusatzvereinbarung zwischen allen drei spruchgegenständlichen Ausländern und der C d.o.o. für den Zeitraum der Entsendung in Berücksichtigung der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates abgeschlossen wurde. Aus dieser Urkunde ergibt sich ein Bruttostundenlohn von € 12,90 für die Dauer des Arbeitseinsatzes in Österreich. Es wird daher davon ausgegangen, dass dieser Betrag die vertragliche Grundlage für die zustehende Lohnzahlung darstellt.
Zusammenfassend ist also nach der bisher dargestellten Beweislage zunächst von der Geltung der Zusatzvereinbarung für die Zeit der Entsendung nach Österreich, somit von einer Entlohnung in Höhe von € 12,90 pro Stunde auszugehen, was nun einer Überprüfung dahingehend zu unterziehen ist, ob dadurch die österreichischen Lohnbedingungen eingehalten wurden. Ausgehend von der Gewerbeberechtigung der C d.o.o. ist der Tätigkeit der Ausländer im Erhebungszeitpunkt der Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe, Fassung vom 1.5.2020, zu Grunde zu legen, der einen Bruttostundenlohn von € 12,88 für angelernte Arbeiter als Mindestlohn festlegt. Somit ist von der Einhaltung der österreichischen Lohnbedingungen auszugehen.
Das Vorliegen der Sozialversicherung in Slowenien ergibt sich aus den A1-Dokumenten. Gestützt auf den Inhalt des zwischen H und der C d.o.o. abgeschlossenen Arbeitsvertrages und die damit korrespondierenden Angaben der beiden anderen Arbeitskräfte ist davon auszugehen, dass alle drei Personen über die Dauer der Arbeitsleistung in Österreich hinaus beim slowenischen Dienstgeber in einem Beschäftigungsverhältnis standen und, soweit einschätzbar, ihren Dienstverhältnissen österreichischen Anforderungen entsprechende Arbeitsbedingungen zu Grunde lagen.
Die dem Verwaltungsgericht vorliegenden Beweismittel sprechen überwiegend dafür, die Erfüllung der Voraussetzungen für die Arbeitstätigkeit in Österreich, sowohl die Arbeits-, als auch die Lohnbedingungen betreffend, als gegeben anzusehen.
Auch scheint ausgehend von den Aussagen des Zeugen E iVm dem Anzeigeinhalt sowie den Aussagen der spruchgegenständlichen Personen, die sich nicht erklären konnten, warum sie unrechtmäßig beschäftigt sein sollten, durchaus nachvollziehbar, dass auf die Entsendemeldungen (aus vom Zeugen E näher dargestellten und glaubhaften Gründen) schlichtweg vergessen wurde.
Unbestritten und im Übrigen durch Urkunden belegt ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer Auftraggeber war (Auftragsschreiben vom 22. September 2020 Beschwerdeführer – D d.o.o.; Rahmenvereinbarung vom 10.1.2020, abgeschlossen zwischen D d.o.o. und C d.o.o.).
3.4.
Rechtliche Würdigung:
Nach § 28 Abs 1 Z 4 lit b AuslBG ist mit Geldstrafe von € 1.000,-- bis zu € 10.000,-- pro unberechtigt beschäftigtem Ausländer zu bestrafen, wer entgegen § 18 Abs 12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt, obwohl § 18 Abs 12 Z 1 und 2 nicht erfüllt ist und im Fall der lit. b auch keine EU- Entsendebestätigung ausgestellt wurde.
§ 18 Abs 12 AuslBG lautet (auszugsweise):
„Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt […] werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn
1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung […] nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind,
2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Abs 3 bis 6, § 4 Abs 2 bis 5 und § 5 des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG), […] sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, und
3. […]
Die Zentrale Koordinationsstelle […] hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter […] Ausländer gemäß § 19 Abs 2 bis 4 LSD-BG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat […] das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung bzw.[…]) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung […] zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht darf bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU- Entsendebestätigung […] begonnen werden.“
Der Beschwerdeführer hat die Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer in Anspruch genommen, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des EWR (Drittstaatsangehörige Arbeitnehmer der C d.o.o. mit Sitz in Slowenien) zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wurden.
Strafbar ist [soweit hier konkret relevant], wer die Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer entgegen § 18 Abs 12 AuslBG in Anspruch nimmt, obwohl auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde. Die EU-Entsendebestätigung hat im Gegensatz zur konstitutiven Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 AuslBG eine rein deklarative Wirkung. Strafbar macht sich also derjenige, der im Inland die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, nur, sofern keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde und die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Bestätigung auch nicht vorliegen (vgl VfGH G 123/2021 zur auf die EU-Entsendebestätigung übertragbaren Rsp des VfGH zur EU-Überlassungsbestätigung).
Ist eine EU-Entsendebestätigung [wie gegenständlich] nicht ausgestellt, bedeutet das weiterhin, dass das Vorliegen für deren Voraussetzungen vom Gericht zu prüfen ist, wobei eine Strafbarkeit in der Folge nur zu bejahen ist, wenn diese Prüfung ergibt, dass die geforderten Voraussetzungen für die Erteilung dieser Bestätigung nicht vorlagen. Im konkreten Fall legt das Beweisergebnis – wie umfangreich ausgeführt – nahe, dass die Voraussetzungen für Entsendebestätigungen gegeben waren. Die genannten, den entsandten Arbeitnehmern vertraglich zugesicherten Löhne lassen den berechtigten Schluss zu, dass die österreichischen Lohnbedingungen eingehalten wurden, und für eine Nichteinhaltung der österreichischen Arbeitsbedingungen ergaben sich keine Hinweise. Aufgrund des Vorliegens der A1-Dokumente ist weiters von der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung im Entsendestaat auszugehen. All diese Umstände iVm dem offenkundigen Vorliegen von - über den Entsendezeitraum hinaus gültigen - Arbeitsverträgen lassen auf rechtmäßige Beschäftigungen beim slowenischen Dienstgeber schließen.
Wie sich aus der klaren Rechtslage ergibt, darf unbeschadet der Meldepflicht nach dem LSD-BG unter diesen Umständen außerdem die Beschäftigung auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden.
Das Verwaltungsgericht hatte aus diesen Erwägungen, die unter den Gesamtumständen für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 18 Abs 12 Z 1 und 2 AuslBG sprechen, somit davon auszugehen, dass eine Strafbarkeit des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine
Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Arbeitsrecht; Ausländerbeschäftigung; Verwaltungsstrafe; Entsendung; EU-Entsendebestätigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.1060.001.2021Zuletzt aktualisiert am
30.05.2022