TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/17 LVwG-S-818/001-2021, LVwG-S-824/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.03.2022

Norm

StVO 1960 §52 lita Z7a
StVO 1960 §99 Abs3 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerden 1. des A in *** und 2. des B in ***, beide vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Melk 1. vom 5. März 2021, Zl. ***, und 2. vom 12. März 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht:

1.   Den Beschwerden wird gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm
§ 25a Abs. 1 VwGG eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

I.       Sachverhalt und Verfahrensgang

1.       Mit den angefochtenen Straferkenntnissen wurden die Beschwerdeführer (mit geringfügig unterschiedlichen Spruchformulierungen) jeweils schuldig erkannt, sie hätten zu näher bezeichneten Tatzeitpunkten im Mai 2020 mit näher bezeichneten Anhängern im Gemeindegebiet von *** auf der Landesstraße *** an der Kreuzung *** bei Straßenkm *** bis zum östlichen Ende des Ortsgebietes von *** das Verbotszeichen „Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t“ mit der Zusatztafel „mit dem Fahrziel östlich von ***“ nicht beachtet und seien unter Missachtung dieses Fahrverbotes auf der Landesstraße *** Richtung *** (also über das östliche Ortsgebiet von *** hinaus) weitergefahren.

Dadurch hätten sie jeweils § 52 lit. a Z 7a und § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960 iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 3. Juli 2008, *** verletzt, wofür über sie auf Grundlage des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,– (92 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Weiters wurden ihnen Beiträge zu den Kosten der Verwaltungsstrafverfahren in der Höhe von jeweils € 20,– vorgeschrieben.

In den Begründungen traf die belangte Behörde auf Grundlage von Anzeigen der Polizeiinspektion *** jeweils Feststellungen entsprechend den ihnen im Spruch zur Last gelegten Tathandlungen. Insbesondere sei entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer in ihren Einsprüchen gegen die zuvor erlassenen Strafverfügungen ihr Fahrziel östlich von *** gelegen gewesen.

In weiterer Folge bejahte die belangte Behörde auch das Verschulden der Beschwerdeführer an den ihnen zur Last gelegten Taten und traf Ausführungen zur Strafbemessung.

2.       Gegen diese Straferkenntnisse richten sich die vorliegenden rechtzeitigen Beschwerden, mit denen die Beschwerdeführer jeweils die Aufhebung des an sie ergangenen Straferkenntnisses und die Einstellung des zugehörigen Verwaltungsstrafverfahrens beantragen.

Die Beschwerden wurden von der belangten Behörde am 9. bzw. 12. April 2021 samt den zugehörigen elektronischen Verwaltungsstrafakten dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

3.       Über Aufforderung des Landesverwaltungsgerichtes legte die belangte Behörde am 31. Mai 2021 außerdem die Akten betreffend die Erlassung jener Verordnung vor, deren Verletzung den Beschwerdeführern mit den angefochtenen Straferkenntnissen zur Last gelegt worden war. Im Hinblick darauf sowie die Ergebnisse eines am 16. Juni 2021 durchgeführten Ortsaugenscheins richtete das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Beschluss vom 11. August 2021 gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 28. April 2004, ZI. ***, in der Fassung der Verordnung vom 3. Juli 2008, Zl. ***, dem ganzen Inhalt nach als gesetzwidrig aufzuheben.

4.       Unter anderem auf Grund dieses Antrages sprach der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 2022, ***, aus, dass die Wort- und Zeichenfolgen „, - Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von ***“ und „, bei km *** Zusatz: ‚Mit dem Fahrziel östlich von ***‘“ sowie das Wort „jeweils“ in dieser (mittlerweile von der Bezirkshauptmannschaft Melk selbst aufgehobenen) Verordnung gesetzwidrig waren. Im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen.

Das Erkenntnis wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 15. März 2022 zugestellt.

5.       Dieser Sachverhalt bzw. Verfahrensgang ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten bzw. den Gerichtsakten und wird von keiner Partei bestritten.

II.      Rechtliche Beurteilung

1.       Die beiden Beschwerdeverfahren betreffen Verwaltungsübertretungen, die sich in wesentlichen Punkten gleichen. Sie werden daher gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2.       Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2022 wurde das mit der zuvor bezeichneten Verordnung von der Bezirkshauptmannschaft Melk für die *** zwischen km *** und km *** verhängte Fahrverbot für LKW und Anhänger mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t für aus Richtung Westen kommende Fahrzeuge (mit dem Fahrziel östlich von ***) für gesetzwidrig erklärt.

Da die Beschwerdefälle für diese Aufhebung Anlassfälle iSd Art. 139 Abs. 6 B-VG waren, ist auf sie die Verordnung im Umfang ihrer Aufhebung nicht mehr anzuwenden.

3.       Den Beschwerdeführern wurde mit den angefochtenen Straferkenntnissen jeweils das Ziehen von Anhängern zur Last gelegt, mit denen sie aus Richtung Westen (nämlich von km ***) kommend auf der *** in Richtung eines östlich von *** gelegenen Fahrziels unterwegs waren. Diese Taten bilden ohne die vom Verfassungsgerichtshof für gesetzwidrig erklärten Verordnungsteile keine Verwaltungsübertretungen (insbesondere keine solchen nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960), sodass den Beschwerden Folge zu geben ist. Dementsprechend sind die angefochtenen Straferkenntnisse aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

4.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind den Beschwerdeführern keine Beiträge zu den Kosten der Beschwerdeverfahren aufzuerlegen.

5.       Eine – von keiner Partei beantragte – mündliche Verhandlung kann gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.

III.     Zur Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist nicht zulässig, weil in den vorliegenden Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die Entscheidung weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch wird die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet.

Die Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen ergibt sich vielmehr aus dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut, insbesondere jenem des Art. 139 Abs. 6 B-VG, des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 sowie des § 45 Abs. 1 Z 1 VStG (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision in diesem Fall etwa VwGH 23.05.2017, Ra 2017/05/0086) im Zusammenhalt mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2022.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Fahrverbot; Aufhebung; Gesetzwidrigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.818.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten