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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des N G, vertreten durch Dr. Ernst Brandl, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2021, W242 2183234-1/24E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er stellte am 4. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, Probleme mit dem Polizeichef von Jaghuri gehabt zu haben. Dieser habe den Revisionswerber zum Verkauf von Alkohol gezwungen und die Schwester des Revisionswerbers heiraten wollen.
2 Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt A I.). Im Übrigen gab das BVwG der Beschwerde statt, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu (Spruchpunkt A II.), erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt A III.) und hob die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos auf (Spruchpunkt A IV.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
In der Begründung stellte das BVwG - soweit hier maßgeblich - fest, dass der Revisionswerber in Afghanistan keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt sei, von Mitgliedern staatlicher Behörden oder Privatpersonen mit der Anwendung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Die gesamte Fluchtgeschichte sei auf Grund von Widersprüchen bzw. Unstimmigkeiten und der teils ungenügenden Substantiierung sowie der nicht nachvollziehbaren Ausführungen insgesamt unglaubwürdig. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde dem Revisionswerber auf Grund der derzeitigen Sicherheits- und Versorgungslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Er könne auch nicht in zumutbarer Weise auf die Städte Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat verwiesen werden. Im Fall einer Rückführung des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat drohe diesem daher ein reales Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Die Revision wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Verfahrensführung und die Beweiswürdigung des BVwG und bringt dazu zusammengefasst vor, das BVwG habe keine Feststellungen zu den Umständen der Flucht und der Motivation des Revisionswerbers, seinen Heimatstaat zu verlassen, getroffen. Darüber hinaus sei es von dem Grundsatz des Verbotes einer vorgreifenden Beweiswürdigung im Rahmen der freien Beweiswürdigung abgewichen, indem es dem Revisionswerber hinsichtlich des konkreten Vorbringens zu seinem Fluchtgrund von vornherein keine Glaubwürdigkeit zuerkannt und das Fluchtvorbringen als unglaubhaft qualifiziert habe. Das BVwG sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen, weil dieser durch bloß pauschale, abstrakte und inhaltsleere Feststellungen oder Behauptungen nicht Genüge getan werde. Zudem habe sich das BVwG über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinweggesetzt. Überdies habe das BVwG seinem Erkenntnis nicht die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt sowie im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht auf die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Revisionswerbers Bedacht genommen. Es habe sich nicht mit der zum Entscheidungszeitpunkt vorherrschenden Situation in Afghanistan auseinandergesetzt.
6 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 8.11.2021, Ra 2021/19/0390, mwN).
7 Im vorliegenden Fall setzte sich das BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander, erachtete dieses jedoch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Hinblick auf widersprüchliche, unstimmige und teils ungenügend substantiierte Angaben des Revisionswerbers als nicht glaubwürdig. Die Revision zeigt mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre.
8 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit Begründungs-, Ermittlungs- und Feststellungsmängel behauptet, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in Fällen, in denen Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei deren Vermeidung in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass - zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 1.9.2021, Ra 2021/19/0247, mwN).
Eine solche Relevanzdarlegung ist der Revision nicht zu entnehmen. Auch das Vorbringen der Revision zur behaupteten Verwertung veralteter Länderberichte lässt eine derartige Relevanzdarstellung vermissen.
9 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang darüber hinaus rügt, das BVwG habe bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht auf die allgemeinen (zum Entscheidungszeitpunkt vorherrschenden) Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Revisionswerbers Bedacht genommen, übersieht sie, dass dem Revisionswerber im vorliegenden Fall ohnehin subsidiärer Schutz zuerkannt wurde.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190032.L00Im RIS seit
30.05.2022Zuletzt aktualisiert am
15.06.2022