Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAO §115 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Amstetten (nunmehr: Finanzamt Österreich, Dienststelle Amstetten Melk Scheibbs) in 3300 Amstetten, Graben 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. März 2020, Zl. RV/5100852/2018, betreffend Einkommensteuer 2009 bis 2012 (mitbeteiligte Partei: P L in U, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Vater der Mitbeteiligten ließ im Jahr 1998 eine Familienstiftung als Stifter in Liechtenstein errichten. Zweck dieser Stiftung ist die Verwaltung, Anlage und Verwendung des Vermögens im Interesse der Begünstigten. Die Familienstiftung hält die Gründerrechte an einer Anstalt, die weitere Unternehmensbeteiligungen hält.
2 Laut Beistatut vom 17. August 1998 war der Vater der Mitbeteiligten, der im Jahr 2009 verstarb, Erstbegünstigter auf Lebenszeit. Nach seinem Tod sollten seine Töchter, das sind die Mitbeteiligte und ihre Schwester, vollumfänglich in seine Begünstigtenrechte eintreten.
3 Im Reglement der Familienstiftung vom 30. Juni 1998 wurde ein aus einer Person bestehender Beirat eingerichtet, dessen Befugnisse unter anderem die Ernennung der Mitglieder des Stiftungsrates, deren Abberufung ohne Angabe von Gründen, die Aufsicht über die Verwaltung der Stiftung und Mitwirkung bei den Entscheidungen des Stiftungsrates in Bezug auf die Vertretung der Stiftung umfasst. Die Belastung des Stiftungsvermögens, Änderung der Statuten oder Erlass und Änderung der Beistatuten sowie Auflösung der Stiftung kann der Stiftungsrat nur auf Antrag oder mit Zustimmung des Beirates vornehmen.
4 Nachdem der erste Beirat im Jahr 2005 verstorben war, wurde mit Beschluss des Stiftungsrates vom 12. Mai 2010 der Taufpate der Schwester der Mitbeteiligten und langjährige Freund des Stifters zum Beirat bestellt.
5 Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt den Feststellungen des Prüfers folgend - nach Wiederaufnahme der Verfahren - Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 und - aufgrund einer noch offenen Beschwerde - eine Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2012. Dabei wurden der Mitbeteiligten und ihrer Schwester die Einkünfte der liechtensteinischen Familienstiftung (einschließlich der Ausschüttungen aus der Anstalt) je zur Hälfte zugerechnet.
6 Gegen die in Rede stehende Zurechnung der Einkünfte erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, die dem Bundesfinanzgericht (BFG) ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vorgelegt wurde.
7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das BFG - nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens - der erhobenen Beschwerde Folge und änderte die bekämpften Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2012 hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Einkommensteuer im Sinne der Beschwerdeanträge ab. Begründend führte es aus, die Mitbeteiligte sei nicht Begünstigungsberechtigte nach liechtensteinischem Recht, da ihr aus den Statuten und Beistatuten kein der Höhe nach und zeitlich bestimmter Rechtsanspruch auf Zuwendungen aus dem Stiftungsvermögen oder dessen Erträgnissen zukomme. Vielmehr liege es im Ermessen des Stiftungsrats die Höhe und den Zeitpunkt von Zuwendungen an die Begünstigten zu entscheiden sowie darüber ob Ausschüttung aus dem Kapital und/oder Erträgen des Stiftungsvermögens vorzunehmen seien. Es habe kein wirtschaftliches Eigentum der Mitbeteiligten an der Familienstiftung und deren Vermögen bzw. den „Anteilen“ an der Anstalt festgestellt werden können. Die Mitbeteiligte habe in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht über das der Familienstiftung und der Anstalt gewidmete Vermögen gleichsam wie über ihr eigenes verfügen können. Die vom Finanzamt dazu getroffenen Schlussfolgerungen würden auf Vermutungen basieren, die nicht geeignet seien, eine solch weitgehende Feststellung zu tragen. Das Vorliegen eines (konkludenten) Mandatsvertrags sei durch keinerlei Beweismittel belegt worden und werde durch die eidesstattliche Erklärung des Stiftungsrates der Familienstiftung entkräftet; aus der Nichtvorlage von Unterlagen durch die Mitbeteiligte könne dazu nichts abgeleitet werden. Auf eine allfällige (seinerzeitige) Machthaberschaft des Erstbegüngstigten komme es für die Frage der anteiligen Zurechnung an die Mitbeteiligte nicht an. Ebenso könne aus dem Anbot des Rechtsvertreters der Familienstiftung und Anstalt vor Prüfungsbeginn im Jahr 2013, eine Steuerleistung von 1,500.000 € (für die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Mitbeteiligten und ihrer Schwester) zu erbringen, das wirtschaftliche Eigentum der Mitbeteiligten nicht abgeleitet werden.
8 Die Revision ließ das BFG mit der Begründung nicht zu, weil die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig seien und die gegenständlichen Rechtsfragen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung umfassend geklärt seien. Die Frage der Einkünftezurechnung stelle eine auf Sachverhaltsebene zu lösende Tatfrage dar, die einer Revision nicht zugänglich sei.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts, zu deren Zulässigkeit vorgebracht wird, das BFG habe es - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen zu untersuchen, ob das seinerzeit im wirtschaftlichen Eigentum des Stifters gestandene Vermögen aus abgabenrechtlicher Sicht jemals auf die Stiftung übergegangen sei, da es gegebenenfalls in weiterer Folge relevant sei, wer bei Ableben des Stifters neuer wirtschaftlicher Eigentümer des Vermögens werde. Dabei sei eine Auseinandersetzung mit der erbrechtlichen Situation sowie den Satzungsgrundlagen, insbesondere der Begünstigungsberechtigung nach liechtensteinischem Recht, entscheidungsrelevant. Darüber hinaus fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob einer Person, die gegenüber einer liechtensteinischen Stiftung begünstigungsberechtigt sei, das wirtschaftliche Eigentum am Vermögen dieser Stiftung zukomme. Schließlich sei die Beweiswürdigung des BFG unvertretbar vorgenommen worden und liege ein relevanter Begründungsmangel vor, da dem Erkenntnis nicht entnommen werden könne, auf Grundlage welcher Sachverhaltselemente das BFG zur Negativfeststellung des wirtschaftlichen Eigentums der Mitbeteiligten - das eigentlich eine Rechtsfrage darstelle - gekommen sei.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage n der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon ausgehen, dass kein Anwendungsfall des Teils 2 des Abkommens zwischen Österreich und Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern vom 29. Jänner 2013, BGBl III Nr. 301/2013, vorliegt.
15 Die Revision stützt sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit darauf, dass zu der Rechtsfrage, ob einer Person, die gegenüber einer liechtensteinischen Stiftung „begünstigungsberechtigt“ ist, das wirtschaftliche Eigentum am Vermögen dieser Stiftung zukommt, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.
16 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil es sich von der Feststellung des BFG entfernt, welches das Vorliegen einer „Begünstigungsberechtigung“ nach liechtensteinischem Recht (vom Wortlaut des Beistatuts ausgehend) verneint und Ermessen des Stiftungsrates bei der Entscheidung über Zuwendungen an Begünstigte angenommen hat. Die Frage der Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen liechtensteinischer Privatstiftungen ist in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet als maßgeblichen Gesichtspunkt für die Zurechnung solcher Einkünfte die Frage des wirtschaftlichen Eigentums am Kapitalvermögen der Stiftung. Entscheidend ist dabei für wirtschaftliches Eigentum nicht nur die Weisungsbefugnis, sondern insbesondere auch der Umstand, dass das Risiko eines Wertverlusts und die Chance einer Wertsteigerung den wirtschaftlich Berechtigten treffen (vgl. VwGH 25.4.2018, Ro 2017/13/0004; 25.2.2015, 2011/13/0003; 25.3.2015, 2012/13/0033).
17 Soweit in der Revision zu ihrer Zulässigkeit weiters abstrakt vorgebracht wird, es stelle sich zur Beurteilung der Einkünftezurechnung an die Mitbeteiligte die Frage, ob das wirtschaftliche Eigentum ihres Vaters, des Stifters und Erstbegünstigten, jemals auf die Stiftung übergegangen sei und welche erbrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergäben, zeigt das Revisionsvorbringen nicht konkret auf, dass dem Stifter das wirtschaftliche Eigentum verblieben sei, und auch nicht, dass allfälliges wirtschaftliches Eigentum des Stifters auf die Mitbeteiligte übergegangen sei.
18 Zur Frage des wirtschaftlichen Eigentums der Mitbeteiligten bringt die Revision - wie bereits im Beschwerdeverfahren - vor, es bestünden Weisungsbefugnisse der Mitbeteiligten gegenüber der Stiftung, die dazu führten, dass sie das Risiko eines Wertverlusts und die Chance einer Wertsteigerung trage, etwa in Form eines konkludent vereinbarten Mandatsvertrags nach liechtensteinischem Recht zwischen der Mitbeteiligten und der Stiftung. Wie bereits vom BFG erkannt, handelt es sich dabei aber lediglich um Vermutungen des Finanzamts, die nicht geeignet sind, daraus verbindliche Willenserklärungen der Mitbeteiligten und der Stiftung, die auf den Abschluss eines Mandatsvertrags nach liechtensteinischem Recht bzw. eines Treuhandvertrags (vgl. VwGH 25.2.2015, Ra 2011/13/0003 und aus der zivilrechtlichen Judikatur OGH 16.9.2020, 6 Ob 165/20p) oder gleichartiger Vereinbarungen gerichtet wären, abzuleiten.
19 In diesem Zusammenhang moniert die Revision auch eine Reihe von Ermittlungsmängeln des BFG als Verfahrensmängel. Zwar können auch Ermittlungs- bzw. Begründungsmängel des Bundesfinanzgerichts zur Zulässigkeit der Revision führen (vgl. VwGH 27.7.2016, Ra 2015/13/0048; 27.7.2016, Ra 2015/13/0051). Dazu ist aber in der Revision die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 1.6.2017, Ra 2016/15/0051; 22.11.2018, Ra 2018/15/0022). Der Rechtsmittelwerber muss die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind (vgl. VwGH 23.10.2020, Ra 2020/13/0081, mwN). In der Revision wird aber nicht aufgezeigt, welche weiteren (konkreten) Tatsachen sich aus der Zeugeneinvernahme der Geschäftsführer bzw. „Gesellschafter“ der Anstalt, die im Verfahren vor dem BFG auch gar nicht beantragt wurde, und den Vereinbarungen zwischen dieser Anstalt und einer österreichischen GmbH, ergeben hätte.
20 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150061.L00Im RIS seit
30.05.2022Zuletzt aktualisiert am
21.06.2022