TE Vwgh Beschluss 2022/5/3 Ra 2021/22/0212

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2022
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §56
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §21 Abs3
NAG 2005 §21a Abs1
NAG 2005 §21a Abs5
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der A J, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das am 12. Juli 2021 mündliche verkündete und mit 20. August 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, LVwG-AV-366/001-2021, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Eingabe vom 11. Februar 2020 beantragte die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Nordmazedoniens, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ verfügenden Ehemann.

2        Mit (dem im Akt befindlichen) Schreiben vom 21. Oktober 2020 forderte die Landeshauptfrau von Niederösterreich (belangte Behörde) die Revisionswerberin zur Vorlage noch fehlender Urkunden und Nachweise auf. Aufgetragen wurde ua. die Vorlage eines Diploms über den Abschluss eines Deutschkurses auf dem Niveau A1. Daran anschließend wurden unter dem Punkt „Hinweis und Belehrung“ zunächst diejenigen Einrichtungen aufgelistet, deren Diplome als Nachweise gelten würden, und es wurde festgehalten, dass das Diplom zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein dürfe. Anschließend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

„Gemäß § 21a Abs. 5 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs. 1 absehen:

1.   im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z. 17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder

2.   zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig.“

3        Mit Bescheid vom 12. Jänner 2021 wies die belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin gestützt auf § 11 Abs. 2 Z 1, 2 und 4 sowie § 21a Abs. 1 NAG ab. Die belangte Behörde ging - neben dem Fehlen mehrerer allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen - davon aus, dass der erforderliche Sprachnachweis gemäß § 21a Abs. 1 NAG nicht erbracht worden sei.

4        Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Der in der Beschwerde gestellte Antrag gemäß § 21a Abs. 5 NAG wurde mit Beschluss als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für nicht zulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde: Die Revisionswerberin habe mit ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein ÖSD-Zertifikat A1 vom 16. April 2018 vorgelegt. Mit dem - ihr nachweislich zugestellten - Schreiben vom 21. Oktober 2020 sei die Revisionswerberin über die Möglichkeit eines Antrags gemäß § 21a Abs. 5 NAG sowie darüber belehrt worden, dass eine solche Antragstellung nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig sei. Ein Sprachdiplom, das nicht älter als ein Jahr gewesen sei, habe die Revisionswerberin weder bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides noch im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegt. Es sei auch nicht feststellbar gewesen, dass ihr die Erbringung dieses Nachweises aufgrund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes unzumutbar gewesen sei. Einen Antrag auf Absehen von einem Sprachnachweis habe die Revisionswerberin im Verfahren vor der belangten Behörde nicht gestellt.

In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, das von der Revisionswerberin vorgelegte Sprachzertifikat sei zum Zeitpunkt der Vorlage bereits älter als ein Jahr gewesen und daher sei die Voraussetzung des § 21a Abs. 1 NAG nicht erfüllt. Diplome, die älter als ein Jahr seien, seien nicht als taugliche Nachweise anzusehen, zumal die Gefahr bestehe, dass die Sprachkenntnisse ohne entsprechende Übung rasch wieder verloren gingen. Da die Revisionswerberin trotz Belehrung über die Möglichkeit einer solchen Antragstellung keinen Antrag gemäß § 21a Abs. 5 NAG gestellt habe, seien Aspekte des Privat- und Familienlebens (im Sinn des § 21a Abs. 5 Z 2 NAG) nicht zu berücksichtigen. Die Beschwerde sei daher schon aus diesem Grund abzuweisen und auf die übrigen Erteilungsvoraussetzungen sei nicht mehr einzugehen gewesen.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision (der in Spruchpunkt II. der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ergangene Beschluss wird in der Revision nicht angesprochen).

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision nur vor, die Belehrung (gemäß § 21a Abs. 5 NAG) sei unzureichend gewesen, weil die belangte Behörde „nur die Paragrafennummern der gesetzlichen Bestimmung wiedergegeben“ habe. Durch die „alleinige Angabe von Paragrafennummern“ werde die unvertretene Partei gerade nicht in die Lage versetzt, ohne Rechtskenntnisse ihre Möglichkeiten im Verfahren wahrzunehmen. Die rechtsunkundige Partei müsse durch die Rechtsbelehrung der Behörde in die Lage versetzt werden, entscheiden zu können, ob sie eine Rechtshandlung vornehmen oder unterlassen solle. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den Inhalt dieser Bestimmung in irgendeiner Form wiederzugeben. Der Revisionswerberin sei lediglich mitgeteilt worden, dass eine Antragstellung nach § 21a Abs. 5 NAG möglich sei und eine solche nur bis zur Erlassung des Bescheides erfolgen könne.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

8        Gemäß § 21a Abs. 1 NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 NAG (Rot-Weiß-Rot - Karte plus) durch Vorlage eines Sprachdiploms elementare Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein. Gemäß § 21a Abs. 5 NAG kann die Behörde unter den darin genannten Voraussetzungen auf begründeten Antrag des Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach § 21a Abs. 1 NAG absehen, wobei die Stellung eines solchen Antrages nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig ist.

9        Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass die Revisionswerberin kein den Vorgaben des § 21a Abs. 1 NAG entsprechendes Sprachzertifikat vorgelegt und vor Erlassung des Bescheides keinen Antrag auf Absehen von diesem Nachweis gestellt hat. Strittig ist lediglich, ob die im Schreiben der belangten Behörde vom 21. Oktober 2020 enthaltenen Ausführungen den Vorgaben an eine Belehrung gemäß § 21a Abs. 5 letzter Satz NAG entsprechen.

10       Nach der hg. Rechtsprechung ist die Behörde verpflichtet, den Drittstaatsangehörigen nicht nur über die Möglichkeit des Antrags, sondern auch darüber zu belehren, dass die Antragstellung nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig ist (vgl. VwGH 15.3.2021, Ra 2020/22/0077, Rn. 10, mwN). Das (oben wiedergegebene) Schreiben der belangten Behörde enthält im Wege der Wiedergabe des § 21a Abs. 5 erster und zweiter Satz NAG sowohl einen Hinweis auf die Möglichkeit der Antragstellung an sich (sowie auf die Voraussetzungen für ein Absehen vom Nachweis) als auch auf die zeitliche Begrenzung der Antragstellung („bis zur Erlassung des Bescheides“). Entgegen den Revisionsausführungen beschränkt sich die Belehrung daher nicht auf die bloße Angabe von „Paragrafennummern“, sondern es wird der Inhalt der Regelung dargelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber - im Zusammenhang mit der insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 21 Abs. 3 NAG - zu erkennen gegeben, dass eine vollständige Wiedergabe des (dort) § 21 Abs. 3 NAG einen ausreichenden Hinweis auf die Notwendigkeit der Antragstellung im behördlichen (damals: erstinstanzlichen) Verfahren darstellt (vgl. VwGH 20.8.2013, 2013/22/0147). Inwieweit die Revisionswerberin angesichts der im vorliegenden Fall erfolgten Belehrung nicht in der Lage gewesen wäre, darüber zu entscheiden, ob sie einen Antrag auf Absehen von einem Sprachnachweis stellen sollte, ist für den Verwaltungsgerichtshof somit nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht aufgezeigt.

11       Aus dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Umstand, dass die Belehrungspflicht nach § 21a Abs. 5 NAG - anders als die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG - auch gegenüber einer rechtlich vertretenen Partei besteht, ergibt sich für die hier zu beantwortende (und fallbezogen zu bejahende) Frage der ausreichenden Bestimmtheit der gegenständlichen Belehrung nichts Gegenteiliges.

12       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021220212.L00

Im RIS seit

30.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten