Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des S in W, vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 22. Juni 2021, VGW-031/019/13733/2020-38, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Einholung eines Gutachtens eines nichtamtlichen Sachverständigen für Messtechnik und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 10. September 2020, mit dem der Revisionswerber einer Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO schuldig erkannt und über ihn gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 23 Stunden) verhängt worden war, mit der Maßgabe der Anführung der korrekten Fundstellen der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafsanktionsnorm im Spruch ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
2 Mit Beschluss vom 30. November 2021, E 2959/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichthof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2022 erhob der Revisionswerber die vorliegende, vom Verwaltungsgericht vorgelegte außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wendet sich der Revisionswerber gegen das messtechnische Gutachten des vom Verwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen und wiederholt das bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erstattete Vorbringen zu der seiner Ansicht nach mangelnden Sachkunde des Gutachters.
8 Damit greift der Revisionswerber die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Würdigung eines Sachverständigengutachtens Teil der Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/04/0036, mwN). Die Beweiswürdigung ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, das heißt den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen; die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen (vgl. etwa VwGH 25.2.2022, Ra 2022/02/0019, mwN).
9 Die vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall vorgenommene Beweiswürdigung hält den dargestellten Prüfkriterien der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes stand.
10 Mit den vom Revisionswerber in der Revision aufgeworfenen Fragen zur Schlüssigkeit und Vollständigkeit des beanstandeten Gutachtens hat sich das Verwaltungsgericht hinreichend und unter Hinweis auf die in der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zutreffend auseinandergesetzt. Das Verwaltungsgericht kam unter Zugrundelegung des selbst von der Revision (allerdings „in Bezug auf seine pauschalen Feststellungen“) als inhaltlich schlüssig, konkludent und richtig bezeichneten Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen für Messtechnik, der sich im Gutachten und auch in der mündlichen Verhandlung ausführlich mit den im Verfahren aufgeworfenen Fragen zur Messung der Geschwindigkeit mithilfe des verwendeten Messgeräts auseinandergesetzt hat, zum Ergebnis, dass die fallbezogene Geschwindigkeitsmessung fehlerfrei erfolgt und durchgeführt worden ist und der Revisionswerber daher die angelastete Geschwindigkeitsübertretung begangen hat.
11 Soweit das Verwaltungsgericht weiteren Beweisanträgen (Bereitstellung von Rohmessdaten, Lokalaugenschein, konkrete Untersuchung des gegenständlich verwendeten Messgerätes) nicht nachgekommen ist, hat es die Abweisung der Beweisanträge umfassend und schlüssig begründet.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. z.B. VwGH 23.2.2022, Ra 2019/07/0077, mwN). Dass dies im vorliegenden Fall zutreffe, zeigt die Revision nicht auf. Die Revision legt weder dar, dass diese Beurteilung grob fehlerhaft war, noch zeigt sie konkret auf, inwiefern die Aufnahme weiterer Beweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte. Die Abstandnahme von den beantragten Beweisen ist daher nicht zu beanstanden.
13 Soweit der Revisionswerber schließlich moniert, dass ihm keine Rohmessdaten zur Überprüfung der Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung zur Verfügung gestellt und daher der Sachverhalt unvollständig festgestellt worden sei, hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis festgestellt, dass Rohmessdaten nach der Messung mit dem verwendeten Messgerät nicht weiter gespeichert würden. Da das Verwaltungsgericht schlüssig und nachvollziehbar begründet hat, warum es angesichts der aufrechten Eichung des Messgeräts, der Einhaltung der Betriebsanleitung, der ordnungsgemäßen Handhabung durch besonders geschulte Beamte und der sachverständigen Auskunft, wonach dem Messprotokoll und den Umständen folgend von keiner Fehlerhaftigkeit der Messung auszugehen sei, von einem ordnungsgemäß zustandegekommenen Messergebnis ausging, gelingt es dem Revisionswerber nicht, die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels darzulegen.
14 Schließlich vermag der Revisionswerber mit seiner Behauptung, das Verwaltungsgericht sei mit seinem Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 28.2.2013, 2012/07/0114) abgewichen, weil das Verwaltungsgericht trotz seines konkreten Vorbringens den Sachverständigen nicht wegen mangelnder Sachkunde abgelehnt habe, schon deshalb keine solche Abweichung aufzuzeigen, weil das von ihm zitierte Erkenntnis einen anderen Sachverhalt betraf: im zitierten Fall stellte der Verwaltungsgerichtshof nämlich fest, dass es nicht darauf ankomme, wo sich der im entscheidenden Landesagrarsenat stimmberechtigte Sachverständige sein fachliches Wissen angeeignet habe, und beanstandete angesichts der beruflichen Erfahrungen die Fachkunde des nichtamtlichen Sachverständigen nicht. Inwiefern das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen sein soll, erschließt sich nicht und legt die Revision auch nicht konkret dar. Insbesondere legt die Revision nicht substantiiert dar, warum die Fachkunde des Sachverständigen beanstandet wird: Die mangelnde Sachkunde wird auch nicht konkret bestritten, sondern leitet die Revision diese Einschätzung nur daraus ab, dass der Sachverständige nicht das im konkreten Fall zur Messung herangezogene Messgerät untersucht hat, sondern allgemeine Aussagen zur Funktionsweise und Handhabung baugleicher Messgeräte getroffen hat, und nicht das verwendete Fahrzeug des Revisionswerbers untersucht hat.
15 Dem Verwaltungsgericht kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn es ausgehend von den schlüssigen Aussagen des Sachverständigen zu baugleichen Messgeräten (deren Tauglichkeit zur Verkehrsgeschwindigkeitsmessung vom Verwaltungsgerichtshof bereits bejaht wurde, vgl. VwGH 31.5.2012, 2012/02/0082) und ihren Störungsanzeichen sowie zur Irrelevanz von in baugleichen Fahrzeugen verbauten LED-Leuchten für das Messergebnis zum Ergebnis gelangte, dass das Gutachten schlüssig, nachvollziehbar und ausreichend war, um ein fehlerfreies Messergebnis festzustellen. Eine im Sinn der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegende Unvertretbarkeit dieser Beurteilung vermag die Revision nicht darzulegen. Diesem Gutachten wurde vom Revisionswerber auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 11.10.2019, Ra 2019/02/0158, mwN) und es wurde ebenso wenig die Relevanz der behaupteten Unvollständigkeit des Gutachtens konkret aufgezeigt.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. Mai 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020056.L00Im RIS seit
30.05.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022