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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. Juni 2020, 1. VGW-101/042/2643/2019-4 und 2. VGW-101/V/042/2765/2019, betreffend Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 StVO (ad 1.) und Gebrauchserlaubnis nach dem GAG (ad 2.) (mitbeteiligte Partei: D GmbH in W, vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquai-Platz 13/19), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien wurde das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um Bewilligung der Anbringung eines Leuchtkastens am näher bezeichneten Standort gemäß § 82 Abs. 1 StVO abgewiesen und die Gebrauchserlaubnis gemäß § 1 iVm § 2Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1996 (GAG) versagt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht) wurde nach Durchführung öffentlich mündlicher Verhandlungen der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei insoweit Folge gegeben, als unter Vorschreibung näherer Auflagen gemäß § 82 Abs. 1 StVO die Genehmigung erteilt wurde, den Gehsteig mit dem gegenständlich beantragten Leuchtkasten zu benützen. Soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung der Gebrauchserlaubnis nach dem GAG richtete, wurde sie als unzulässig zurückgewiesen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht jeweils für nicht zulässig.
3 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, in Verkennung der Rechtslage habe die revisionswerbende Behörde die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 StVO allein mit der Abweisung des Antrages nach dem GAG begründet. Gemäß § 82 Abs. 1 StVO sei zu prüfen, ob durch die gegenständliche Anlage die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs wesentlich beeinträchtigt werde. Denkmöglich sei fallbezogen lediglich eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinn des § 83 Abs. 1 lit. b StVO, die unter Zugrundelegung des Gutachtens des Amtssachverständigen Ing. R vom 6. September 2019 jedoch nicht vorliege. Eine Beeinträchtigung im Sinn des § 83 Abs. 1 lit. d StVO liege ebenfalls nicht vor, da eine Behinderung des Fußgängerverkehrs durch die gegenständliche Anlage offenkundig denkunmöglich sei. Es sei daher für die Frage der räumlichen Beeinträchtigung des Straßenverkehrs lediglich das Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen Ing. L vom 22. Oktober 2019 heranzuziehen, wonach eine solche nicht vorliege. Zudem führte das Verwaltungsgericht auf Basis der vom lichttechnischen Verkehrssachverständigen - zur Frage der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs durch die Ausstrahlung von Bildern und die dadurch denkbare Irritation von Autofahrern - erstatteten Gutachten mit näherer Begründung aus, welche Auflagen erteilt würden und von welchen Auflagen abgesehen werde.
4 Die Entscheidung betreffend die Gebrauchserlaubnis nach dem GAG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass das gegenständliche Wanddisplay, zumal es entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei keinen Schaukasten oder keine Vitrine darstelle, und für die Anbringung von Wanddisplays wie dem beantragten keine Tarifpost im Anhang des GAG vorgesehen sei, weder gemäß § 1 Abs. 1 GAG genehmigungspflichtig noch genehmigbar sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.
6 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragte.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der revisionswerbende Magistrat bringt zur Begründung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zunächst vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob § 83 Abs. 1 lit. d StVO nur auf den Fußgängerverkehr zu beziehen sei oder auch den Fahrzeugverkehr schützen soll und ob allein der Umstand, dass ein Gegenstand nicht mindestens 60 cm von der Fahrbahn entfernt sei, bereits zwingend zur Versagung einer Bewilligung nach § 82 Abs. 1 StVO führen müsse.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erging (vgl. VwGH 13.7.2020, Ro 2020/02/0001, mwN).
12 Nach § 82 Abs. 1 StVO ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das Gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.
13 Gemäß § 82 Abs. 5 StVO ist die Bewilligung nach Abs. 1 zu erteilen, wenn durch diese Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, ist die Bewilligung bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen; die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung weggefallen sind.
14 Nach dem klaren Wortlaut des § 83 Abs. 1 lit. d StVO liegt eine Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs insbesondere dann vor, wenn die Gegenstände seitlich der Fahrbahn den Fußgängerverkehr auf Gehsteigen oder Straßenbanketten behindern und nicht mindestens 60 cm von der Fahrbahn entfernt sind. Demnach müssen die Behinderung des Fußgängerverkehrs und die Entfernung von weniger als 60 cm von der Fahrbahn kumulativ vorliegen.
15 Da die verfahrensgegenständliche Anlage den Fußgängerverkehr nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts jedoch nicht behindert, führt allein der Umstand, dass sich die Anlage in einem Abstand von weniger als 60 cm zur Fahrbahn befindet, nicht zwingend zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs. Dass eine derartige wesentliche Beeinträchtigung entgegen der Begründung des Verwaltungsgerichts fallbezogen aus anderen Gründen gegeben wäre, legt die Revision indessen nicht dar.
16 Dem Vorbringen, die Qualifikation der Anlage als Leuchtkasten an Stelle eines LED-Screens im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses stelle eine rechtswidrige Aktenwidrigkeit dar, weil der Verwaltungsgerichthof in seiner Rechtsprechung derartige Anlagen niemals als Leuchtkasten bezeichnet habe, ist zu entgegnen, dass Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgestellten Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2020/02/0024, mwN). Derartiges wird von der Revision jedoch nicht aufgezeigt.
17 Sowohl aus der Begründung als auch aus den im Spruch genannten Auflagepunkten ergibt sich eindeutig, dass es sich bei der genehmigten Anlage um den im verfahrenseinleitenden Antrag (sowie in den diesen Antrag ergänzenden weiteren Eingaben) näher konkretisierten visuellen Informationsträger handelt. Die genaue Bezeichnung desselben, als Leuchtkasten oder LED-Screen, ist für das Verfahren nach § 82 Abs. 1 StVO hingegen nicht von Bedeutung.
18 Wenn der revisionswerbende Magistrat vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu der Frage, ob die von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr herausgegebenen Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen 05.06.11 und 05.06.12 (RVS) aufgrund der Verbindlicherklärung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie als Rechtsnormen anzuwenden seien, ist darauf hinzuweisen, dass diesen Richtlinien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes per se keine normative Wirkung zukommt (vgl. VwGH 9.5.2019, Ra 2018/02/0187, mwN). Auch ein allfälliger Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie stellt keine verbindliche Rechtsquelle für den Verwaltungsgerichtshof oder das Verwaltungsgericht, sondern nur eine Anordnung an untergeordnete Behörden dar (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2017/11/0302; 28.11.2013, 2013/03/0130, jeweils mwN).
19 Sofern in der Revision schließlich mehrere nicht näher begründete Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt und pauschal vorgebracht wird, diese hätten insgesamt zu einer unrichtigen und nicht vollziehbaren Bewilligung geführt, wird damit bereits deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil weder eine auf den Sachverhalt bezogene, konkrete Rechtsfrage formuliert, noch die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang dargelegt wird (vgl. zum Erfordernis der Darstellung der Relevanz eines behaupteten Verfahrensmangels etwa VwGH 4.3.2022, Ra 2020/02/0230, mwN). Im Übrigen ist die im Einzelfall vorgenommene, auf einer dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 15.11.2019, Ra 2019/02/0170) entsprechend nicht als unvertretbar zu wertenden Beweiswürdigung beruhende Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht als fehlerhaft erkennbar.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei auf gesonderten - über den dort genannten Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand hinausgehenden - Zuspruch von Umsatzsteuer und auf den Ersatz von ERV-Kosten findet in der genannten Verordnung keine Deckung und war daher abzuweisen (vgl. etwa VwGH 12.8.2020, Ra 2019/05/0245 bis 0275, mwN).
Wien, am 4. Mai 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020223.L00Im RIS seit
30.05.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022