TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/9 95/20/0168

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Veröffentlicht am 09.05.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §25 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Dezember 1994, Zl. 4.340.299/3-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Dezember 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 13. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. April 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. April 1993 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16. Februar 1993 angegeben:

Er sei Kurde. Es seien immer wieder die PKK-Kämpfer gekommen und hätten Lebensmittel gewollt. Am Tag darauf seien dann die Soldaten gekommen und hätten das Haus des Beschwerdeführers durchsucht. Im Jahr 1990 sei er sogar geschlagen worden. Sein Vater habe vor diesen Repressalien flüchten müssen. Als der Beschwerdeführer in Pertek gearbeitet habe, sei er gelegentlich nach Hause gekommen. Es sei immer wieder passiert, daß er während einer Polizeikontrolle zu Hause gewesen sei. Bei diesen Kontrollen sei ihm vorgeworfen worden, die PKK zu unterstützen, und er sei beschimpft und bedroht worden. Das letztemal sei dies 3 Tage vor seiner Flucht, welche er am 6. April 1992 mit dem Bus angetreten habe, geschehen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien verneinte eine dem Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat drohende Verfolgung. Sie führte hiezu aus, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Eingriffe in die körperliche Integrität aufgrund ihrer Intensität keinen ernsthaften Nachteil darstellten. Es handle sich dabei vielmehr um Routinevorkommnisse von geringer Eingriffsdauer und Intensität, in deren Folge dem Beschwerdeführer keine weiteren Nachteile erwachsen seien. Die von ihm ins Treffen geführten Durchsuchungen seines Elternhauses ließen nicht die Folgerung zu, daß er mit Grund gegen ihn gerichtete asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen zu fürchten habe. Denn Übergriffe der Polizei, etwa in Form mehrmaliger Hausdurchsuchungen, denen grundsätzlich die gesamte Zivilbevölkerung der betreffenden Region ausgesetzt sein könne, seien nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung anzusehen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor:

Er sei Kurde und deshalb in der Türkei verfolgt, geschlagen und mißhandelt worden. Er habe die PKK mit verschiedenen Mitteln unterstützt und versorgt, weil er überzeugt sei, daß die Kurden nur durch ihren eigenen Kampf frei werden könnten. Als Kurde habe er seinen Beitrag leisten wollen, womit er die kurdischen Freiheitskämpfer unterstützt habe. Das habe der türkischen Polizei nicht "gepaßt", weshalb sie ihm das Leben schwer gemacht habe. Er sei vor der Unterdrückung der türkischen Polizei geflüchtet, weil er um sein Leben Angst und Furcht gehabt habe. Die Gebiete der Kurden würden von der türkischen Polizei kontrolliert und die Männer, Frauen und Kinder würden von der türkischen Polizei unmenschlich behandelt, als wäre es die Sklavenzeit in der Antike. Dies passiere vor den Augen der Welt, welche den Kurden an Ort und Stelle nicht helfe. Im Bescheid sei geschrieben, daß die gesamte Zivilbevölkerung dieser Region (die Kurden) unter der Unterdrückung leide, aber das wäre keine asylrechtlich relevante Verfolgung. Das sei das Pech der Kurden, daß die nationale und soziale Unterdrückung an Kurden nicht von freien Nationen anerkannt werde und als Regionalfrage angesehen werde. Kurden hätten in der Türkei zwei Möglichkeiten, entweder unterstützten sie die kurdischen Freiheitskämpfer oder die türkische Polizei. Er habe das erste ausgewählt und sei deshalb Flüchtling geworden. Er wäre auch ungeachtet der Tatsache, daß sein Vater für ihn den Reisepaß besorgt habe, auf jeden Fall ins Ausland geflüchtet, weil er die Unterdrückung nicht mehr ausgehalten habe. Er habe nicht gewollt, daß die türkische Polizei aus ihm einen "Halbmenschen" mache.

Hierauf erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid. Die Behörde übernahm die mangelnde Flüchtlingseigenschaft betreffend die Sachverhaltsdarstellung und auch die "zutreffende rechtliche Beurteilung" des erstinstanzlichen Bescheides. Zum Berufungsvorbringen führte die belangte Behörde aus, es erscheine nicht plausibel, daß der Beschwerdeführer die PKK auch wirklich unterstützt habe und deswegen verfolgt worden sei. Daß er deswegen verfolgt worden sei, weil diese Unterstützung den Behörden bekannt gewesen sei, habe er erstinstanzlich mit keinem Wort dargetan. Asylwerber machten gerade bei der ersten Einvernahme spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Zudem sei das Berufungsvorbringen unsubstantiiert; der Beschwerdeführer habe die Behauptungen nicht näher mit Fakten konkretisieren können und daher seien diese Behauptungen auch aus dem genannten Grund unglaubwürdig. Die pauschalen Ausführungen das kurdische Volk betreffend seien auch nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu indizieren, da nur ausschließlich konkrete, gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungshandlungen, welche der Beschwerdeführer im gesamten Asylverfahren nicht zu relevieren vermocht habe, von Bedeutung seien. Der Beschwerdeführer sei sohin nicht Flüchtling.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die hiegegen gerichtete Beschwerde erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde aufgrund der Bestimmung des § 25 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 nicht das Asylgesetz 1991 hätten anwenden dürfen, sondern das Asylgesetz 1968 im konkreten Fall hätte zur Anwendung gelangen müssen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Dies bewirkt aber nicht in jedem Fall die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hat sich doch die belangte Behörde ausschließlich mit der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Der Flüchtlingsbegriff des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 entspricht aber inhaltlich jenem des Asylgesetzes 1968, weshalb dem Beschwerdeführer aus der Anwendung des unrichtigen Asylgesetzes kein Rechtsnachteil erwuchs.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer auch nicht dadurch belastet, daß sie auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht Bedacht nahm. Denn sie hat - nach der Rechtslage während der Geltung des Asylgesetzes 1968 zu Recht - auf das Berufungsvorbringen inhaltlich Bedacht genommen und dieses nicht dem Neuerungsverbot des nicht anzuwendenden § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unterstellt.

Ausgehend vom Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint hat. Denn im gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers sind als individuell gegen ihn gerichtete Handlungen der Behörden seines Heimatlandes lediglich die wiederholten Kontrollen und Durchsuchungen des Elternhauses des Beschwerdeführers hervorgekommen. Anläßlich eines solchen Vorfalles sei der Beschwerdeführer im Jahr 1990 auch geschlagen worden. Die anläßlich dieser Hausdurchsuchungen ausgesprochenen Beschimpfungen und Bedrohungen hat der Beschwerdeführer nicht näher ausgeführt.

Weitere Repressalien der staatlichen Behörden seines Heimatstaates hat der Beschwerdeführer weder ihrer Art nach noch hinsichtlich der Personen, gegen die sie konkret gerichtet waren, näher ausgeführt.

In der Beschwerde rügt der Beschwerdeführer zwar die erstinstanzliche Einvernahme als "kursorisch", er übersieht aber, daß er in der Berufung Gelegenheit hatte, ein erweitertes Vorbringen zu erstatten, und daß er diese Gelegenheit auch genützt hat. Nach dem anzuwendenden Asylgesetz 1968 hatte die Berufungsbehörde auf das ergänzte Vorbringen einzugehen, was die belangte Behörde auch getan hat.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer konkret genannten und individuell gegen ihn gerichteten Maßnahmen nicht um asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen von erheblicher Intensität (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0257, und vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/0443). Die belangte Behörde befindet sich auch damit auf dem Boden der Rechtslage, daß die allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers die Lage der Kurden in der Türkei betreffend eine gegen ihn gerichtete individuelle Verfolgung nicht darzulegen imstande sind. Denn die allgemeine Benachteiligung der Kurden schließt nicht zwangsweise ein, daß jedes einzelne Mitglied der kurdischen Volksgruppe individuell für sich verfolgt wird. Im vorliegenden Fall wäre die allgemeine Lage - solange sich aus ihr keine asylrechtlich relevante Gruppenverfolgung ergibt - nur dazu geeignet, behauptete asylrechtlich relevante individuelle Verfolgung glaubhaft zu machen. Da aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine ihm drohende individuelle Verfolgung von erheblicher Intensität abzuleiten ist, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers die Lage der Kurden betreffend als nicht geeignet bezeichnet, eine Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu indizieren.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200168.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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