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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. Verein P, vertreten durch den Vereinsvorsitzenden W R in W, und 2. S S in W, beide vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hafengasse 16/4-5, gegen das am 10. Dezember 2021 mündlich verkündete, am 14. Jänner 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W193 2155743-1/645E, betreffend Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. w, 2. X Gemeinnützige allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, 3. W Ges.m.b.H., 4. Y Gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft mit beschränkter Haftung, alle in W, alle vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) - im zweiten Rechtsgang - die Beschwerden u.a. der Revisionswerber gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Februar 2017, mit dem gemäß § 3 Abs. 7 iVm Anhang 1 Z 18 lit. b des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 - UVP-G 2000 festgestellt worden war, dass für das Entwicklungsvorhaben „Projekt B.-Gasse“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen sei, als unbegründet ab und erklärte bestimmt bezeichnete, von den mitbeteiligten Parteien im Beschwerdeverfahren in Vorlage gebrachte ergänzende Unterlagen zum untrennbaren Bestandteil und zur Grundlage des Erkenntnisses. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, „die Auslegung des Tatbestands Städtebauvorhaben nach Anhang 1 Z 18 lit b UVP-G 2000“ bilde die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im gegenständlichen Verfahren, weil dazu keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Es gehe in erster Linie um die generelle, rechtskonforme Auslegung des Begriffs „Städtebauvorhaben“ und in zweiter Linie (hier im Anlassfall) um dessen konkrete Interpretation durch das Verwaltungsgericht. Insbesondere zur Thematik „Magnetwirkung“, die als Begriff gar nicht im Gesetz stehe, bestehe keine Judikatur. Das Verwaltungsgericht habe dazu kurz Stellung genommen und auf eine einzelne Lehrmeinung verwiesen, wonach auf einen Magnetbetrieb abgestellt werde, der ein deutlich größeres Verkehrsaufkommen errege als der betreffende Stadtteil selbst. Folgte man dieser Auslegung des Verwaltungsgerichts, ergebe sich die UVP-Pflicht nur aufgrund der Auswirkungen dieses Magnetbetriebes und nicht aufgrund der Auswirkungen des Stadtteils an sich. Die Auswahlkriterien, die zur Gänze von der Größe des Projektes determiniert seien, würden dadurch untergraben und ad absurdum geführt. Weiters bestehe keine Judikatur, aus der man ableiten könnte, dass für Städtebauvorhaben, die zwar die Schwellenwerte erreichten, aber angeblich doch keine Städtebauvorhaben nach der österreichischen Rechtslage seien, eine Einzelfallprüfung durchzuführen sei. Die Entscheidung stehe auch im Widerspruch zur „klaren Rechtslage und Judikatur“, wonach eine Kumulationsprüfung erfolgen hätte müssen.
6 Dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision mangelt es an jeglicher Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem von den revisionswerbenden Parteien konkret zu Grunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage überhaupt vorliegt (vgl. dazu für viele etwa VwGH 8.3.2022, Ra 2021/05/0143; 11.1.2022, Ra 2021/05/0211 und 0212; 28.5.2019, Ra 2019/05/0060, jeweils mwN). Weder wird in der Zulässigkeitsbegründung ein ausreichender Bezug zum konkreten Sachverhalt hergestellt (vgl. etwa VwGH 30.4.2021, Ra 2021/05/0072, mwN), noch wird dargelegt, aus welchem Grund das Schicksal der Revision von den dort zudem völlig pauschal angeschnittenen Themen abhängen sollte (vgl. VwGH 22.2.2022, Ra 2018/06/0309; 14.7.2021, Ra 2021/05/0117; 23.9.2019, Ra 2019/06/0075, 0076, mwN).
7 Auch das bloße Fehlen von Rechtsprechung führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision (vgl. neuerlich VwGH 14.7.2021, Ra 2021/05/0117, oder etwa VwGH 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 19.2.2020, Ro 2018/09/0004). Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert insoweit etwa die konkrete Darlegung der Rechtsfrage, die der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. wiederum VwGH 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; sowie etwa auch VwGH 26.7.2021, Ra 2018/04/0183, mwN). Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem in Anhang 1 Z 18 lit. b UVP-G 2000 enthaltenen Begriff der „Städtebauvorhaben“ und der „Magnetwirkung“ wird nicht dargelegt, welche konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre. Zudem erörtert das Verwaltungsgericht den Begriff „Magnetwirkung“ nur im Rahmen einer Alternativbegründung; zu der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Hauptbegründung zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter des § 1 Abs. 1 Z 1UVP-G 2000 bringt die Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
8 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050057.L00Im RIS seit
27.05.2022Zuletzt aktualisiert am
12.07.2022