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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des T E, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2021, I411 2168905-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 19. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Mit Bescheid vom 8. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2021, E 3741/2021-7, ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In weiterer Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, der Revisionswerber stamme aus keinem sicheren Herkunftsstaat, sein Asylverfahren hätte daher einer Einzelfallentscheidung unterzogen werden müssen, anstatt sich auf generelle Länderberichte zu verlassen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit der Gesamtheit der verfügbaren Berichte nicht auseinandergesetzt und habe kein objektives Bild von den tatsächlichen Umständen in Nigeria dargestellt. Eine Auseinandersetzung mit der Frage der Wiederansiedlungsmöglichkeit fehle. Zudem habe das Gericht nicht die erforderliche Interessensabwägung iSd Art 8 EMRK durchgeführt.
10 Soweit die Revision Verfahrensmängel - hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel im Zusammenhang mit der Lage im Herkunftsstaat - als Zulassungsgründe ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss (vgl. VwGH 12.3.2021, Ra 2021/14/0064, mwN). Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung lässt die Revision mit ihrem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen jedoch vermissen.
11 Wenn sich die Revision gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidungen nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommene Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/14/0231, mwN).
12 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen der vorgenommenen Interessenabwägung die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände, darunter auch den Aspekt der Verfahrensdauer, den fünfjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet sowie seine Integrationsbemühungen. Dass es die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte oder die Gewichtung der einbezogenen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien widerspräche, zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 13.10.2021, Ra 2021/14/0320, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 28. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140013.L00Im RIS seit
27.05.2022Zuletzt aktualisiert am
21.06.2022