TE Vwgh Beschluss 2022/4/28 Ra 2022/10/0041

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Veröffentlicht am 28.04.2022
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Index

L55005 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Salzburg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
NatSchG Slbg 1993 idF 1998/002
NatSchG Slbg 1993 §48a Abs3 Z3
NatSchG Slbg 1999 §1
NatSchG Slbg 1999 §16
NatSchG Slbg 1999 §24
NatSchG Slbg 1999 §51 Abs3
NatSchG Slbg 1999 §51 Abs3 Z3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Landesumweltanwaltschaft Salzburg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 3. Jänner 2022, Zl. 405-1/660/1/33-2021, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: Sgesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde vom Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) die Beschwerde u.a. der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 31. Mai 2021 als unbegründet abgewiesen und der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 8 Abs. 2, 18 Abs. 1 und 2, 31, 50 Abs. 2 und 3 sowie 51 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 - NSchG iVm jeweils § 2 zweier Verordnungen der Salzburger Landesregierung, mit denen Teile des Stadtgebietes zu einem Landschaftsschutzgebiet erklärt wurden, und iVm § 2 Z 1, 2, 5, 8 und 12 der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung 1995 - ALV die naturschutzrechtliche Bewilligung für die dauerhafte Erweiterung der bestehenden Altstadtgarage - Bauteil B, die Errichtung einer Baustellenstraße in Tunnelbauweise verbunden mit einem Tunnelportal samt Lüftungsschacht und der temporären Anlage von Baustellenstraßen, der Verlegung eines Teiles eines bestehenden Geh- und Radweges, der Herstellung von Sickermulden sowie der Adaptierung von Bodenflächen für die Aufstellung von Baustelleneinrichtungen und im Zusammenhang mit dem Baustellenbetrieb stehenden Schutzmaßnahmen (für den erforderlichen Lärm- und Gewässerschutz, die Verkehrssicherheit, den Anrainerschutz, etc.) auf näher bezeichneten Grundstücken entsprechend den Einreichunterlagen und Projektbeschreibungen unter Vorschreibung von Auflagen und Ausgleichsmaßnahmen nach § 51 NSchG erteilt. Gleichzeitig wurde die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

2        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

4        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst darauf verwiesen, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass infolge der Lärmauswirkungen im Hinblick auf den Schutzzweck „Erholungswert“ der beiden betroffenen Landschaftsschutzgebiete eine Bewilligung gemäß § 18 Abs. 2 NSchG nicht erteilt werden könne und dass im Rahmen der Prüfung einer Ausgleichsfähigkeit gemäß § 51 Abs. 3 NSchG ein Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen dieser Schutzgebiete im Sinn des § 51 Abs. 3 Z 3 NSchG gegeben sei, weil der Erholungswert auf Grund der Überschreitung der Lärmpegel für die Dauer von zumindest sechs Monaten „langfristig“ und substantiell, also vollständig beseitigt sei. Durch die Überschreitung der Lärmpegel gemäß der entsprechenden ÖNORM seien die beiden Schutzgebiete im antragsgegenständlichen Bereich auf die Dauer von zumindest sechs Monaten nicht in der Lage, für „nervliche Entspannung“ zu sorgen. Das Verwaltungsgericht habe aber weiters dazu ausgeführt, dass der schwerwiegende, weil „langfristige“ und die positiven Wirkungen substantiell für die Dauer von sechs Monaten beseitigende Eingriff bloß vorübergehend sei und daher unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht geeignet sei, den Bestand der Schutzgebiete oder Teile desselben zu gefährden. Solche - schwerwiegenden aber bloß vorübergehenden - Eingriffe könnten daher im Ergebnis keinen wesentlichen Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen auslösen, weshalb der Eingriff unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen gemäß § 51 Abs. 1 und 3 NSchG bewilligt werden könne.

6        Die Revisionswerberin vertrete hingegen die Rechtsansicht, dass auch schwerwiegende und vorübergehende Eingriffe in einen verordneten Schutzzweck eines Schutzgebietes, dessen Zielsetzung die „Erhaltung“ des Schutzzwecks normiere, einen wesentlichen Widerspruch zu dieser Zielsetzung darstellen könnten. Das Salzburger Naturschutzgesetz enthalte dazu keine einschränkende Regelung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs befasse sich hinsichtlich der Frage der Ausgleichsfähigkeit und des Vorliegens der Wesentlichkeit eines Widerspruchs zu den Zielsetzungen der Erhaltung eines geschützten Naturguts ausschließlich mit dauerhaften physischen Eingriffen, ihrer Lage im Schutzgebiet und ihrer Größe im Vergleich zum Schutzgebiet und mit deren optisch verbleibenden Auswirkungen, nicht aber mit vorübergehenden, trotzdem schwerwiegenden, weil langfristigen und den Schutzzweck für diese Dauer vollständig beseitigenden Auswirkungen eines Eingriffs. Die Frage der „Wesentlichkeit“ eines solchen vorübergehenden Eingriffs sei damit nicht beantwortet. Im NSchG fehle dazu eine eindeutige Regelung; dies zeigten auch die jeweils im Einzelfall ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs zur Präzisierung dieser Bestimmung.

7        Das Verwaltungsgericht habe sich im angefochtenen Erkenntnis auf das Erkenntnis Verwaltungsgerichtshof vom 21. November 2005, 2003/10/0085, gestützt, dem jedoch eine physische Zerstörung ökologischer Funktionen des Naturhaushalts eines geschützten Lebensraums zugrunde gelegen sei, und diese Konstellation mit dem hier zu beurteilenden Fall der „Beseitigung“ von Wirkungen immaterieller Schutzgüter in Landschaftsschutzgebieten gleichgesetzt, obwohl eine solche Fallkonstellation von der zitierten Rechtsprechung gar nicht umfasst sei. Damit sei das Verwaltungsgericht auch von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass der im Verfahren festgestellte Eingriff - ein schwerwiegender Eingriff, der auf Grund der Überschreitung von Lärmgrenzwerten „langfristig“ und substantiell die positiven Wirkungen des zu erhaltenden Schutzzwecks „Erholungswert“ für die Dauer von sechs Monaten beseitige - nur deshalb nicht geeignet sei, den Bestand der Schutzgebiete oder Teile desselben zu gefährden, also den grundsätzlichen Zielsetzungen wesentlich zu widersprechen, weil er bloß vorübergehend sei und die zuvor beseitigten Wirkungen nachher wieder zur Verfügung stünden. Folgte man dieser Rechtsansicht, dürften auch die denkbar schwersten Auswirkungen von Eingriffen auf immaterielle Schutzgüter niemals einen wesentlichen Widerspruch im Sinn des § 51 Abs. 3 Z 3 NSchG auslösen, wenn sie nur „vorübergehend“ seien. Dies müsste auch unabhängig von der Dauer des vorübergehenden Eingriffs gelten, weil gegenständlich bereits ein „langfristiger Eingriff“ festgestellt worden sei. Zu dieser Rechtsansicht fehle sowohl eine eindeutige gesetzliche Regelung als auch eine eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

8        Dem ist wie folgt zu erwidern:

Vom gegenständlichen Vorhaben betroffen sind zwei Landschaftsschutzgebiete, die jeweils sowohl eine besondere landschaftliche Schönheit aufweisen als auch dem besonderen (Erlebnis- und) Erholungswert dienen. Die jeweiligen Verordnungen, mit denen die betroffenen Gebiete zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurden, haben die Erhaltung dieser Schutzzwecke zum Ziel (vgl. jeweils § 1a der Verordnungen LGBl. Nr. 106/1980 und LGBl. Nr. 23/1981, jeweils idF LGBl. Nr. 83/2003).

9        Die besondere landschaftliche Schönheit würde nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zwar durch die temporär beantragten Maßnahmen beeinträchtigt, die dauerhaft verbleibenden Anlagen seien hingegen kaum wahrnehmbar und würden die besondere landschaftliche Schönheit der betroffenen Landschaftsschutzgebiete nicht beeinträchtigen. Was den Erholungswert betreffe, so sei auf Grund des langfristig andauernden, die ÖNORM überschreitenden Lärms der besondere Erholungswert eingeschränkt, weshalb die aktive und passive Erholung nicht mehr erwartungsgemäß „ausgeführt“ werden könne. Es liege daher eine Beeinträchtigung des Schutzzwecks der gegenständlichen Landschaftsschutzgebiete vor; insoweit widersprächen die beantragten Maßnahmen den grundsätzlichen Zielsetzungen der betroffenen Schutzgebiete. Aus der während der Bauphase - und daher bloß temporären - Beeinträchtigung sei jedoch nicht auf eine Gefährdung der Schutzgebiete in ihrem Bestand zu schließen, weil nach Projektumsetzung eine Wiederherstellung der beeinträchtigten Flächen erfolge. Es liege daher kein wesentlicher Widerspruch zu den Schutzzwecken der Landschaftsschutzverordnungen vor.

10       Gemäß § 51 Abs. 3 Z 3 NSchG ist die Erteilung einer Bewilligung unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen nur zulässig, wenn die Maßnahme, die bewilligt werden soll, nicht wesentlich den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes oder Naturdenkmales oder des Lebensraumschutzes nach § 24 widerspricht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. November 2005, 2003/10/0085, zu dem Begriff des „wesentlichen Widerspruchs“ ausgeführt, dass von einem solchen wohl dann gesprochen werden müsse, wenn sich eine geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung (nicht nur der erheblichen Beeinträchtigung, sondern) der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter im betreffenden Raum oder eines maßgeblichen Teils derselben auswirkten. In diesem Erkenntnis sind auch die Materialien zur Naturschutzgesetz-Novelle 1997, LGBl. Nr. 2/1998, mit der (unter anderem) das Erfordernis des Fehlens eines Widerspruchs zu den grundsätzlichen Zielsetzungen des Lebensraumschutzes in das Gesetz aufgenommen wurde, wie folgt zitiert (392 BlgLT 4. Session 11. GP, zu Z 23):

„Durch das Vorschlagen geeigneter Ausgleichsmaßnahmen kann der Antragsteller auch Projekte bewilligungsfähig machen, die sonst auch im Wege der Interessensabwägung (§ 3) nicht konsensfähig wären, da zB keine öffentlichen Interessen dafür sprechen. Rechtspolitisch beruht dieses Instrumentarium auf der Überlegung, dass Eingriffe in den Naturraum durch Verbesserungen an anderer Stelle aufgewogen werden können, so dass im Endeffekt allen gedient ist.

[....] Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Ausgleichsmaßnahmen enthält § 48a Abs. 3. Wie bisher ist erforderlich, dass die Verbesserungen durch die Ausgleichsmaßnahme den Eingriff durch das beantragte Projekt erheblich überwiegen müssen, sodass insgesamt eine Verbesserung für den Naturraum erzielt wird. Ergänzend zur jetzt geltenden Rechtslage wird angeordnet, dass diese Verbesserungen den Landschaftsraum betreffen müssen, in dem auch der Eingriff vorgenommen werden soll.

Für bestimmte Maßnahmen kann auch durch Ausgleichsmaßnahmen keine naturschutzbehördliche Bewilligung erreicht werden. Für Schutzgebiete, die Teil des ‚Natura 2000‘-Netzwerkes sind, ergibt sich der Ausschluss von Ausgleichsmaßnahmen bereits aus dem EU-Recht. Maßnahmen, die Zielsetzungen eines geschützten Gebietes grundsätzlich zuwiderlaufen (zB den Weiterbestand eines Naturdenkmales gefährden oder das Landschaftsbild in einem Landschaftsschutzgebiet schwer beeinträchtigen) sind ebenfalls von der Ausgleichsmöglichkeit ausgenommen, da hier der Weiterbestand des Schutzgebietes höher zu bewerten ist als das Interesse an der Verwirklichung der Maßnahme.“

11       Richtig ist, dass es sich bei dem Projekt, das der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. November 2005 zugrunde lag, um dauerhafte Maßnahmen in einem geschützten Lebensraum nach § 24 NSchG handelte, nämlich um eine Aufschüttung, eine Verfüllung eines Grabens und eine Neuanlage eines Entwässerungsgrabens. Es ist aber nicht zu sehen, wieso die in diesem Erkenntnis getroffenen Aussagen zu einem „wesentlichen Widerspruch“, ausgehend von den dort zitierten Materialien zu der inhaltlich insoweit unveränderten Bestimmung des § 51 Abs. 3 Z 3 (vormals § 48a Abs. 3 Z 3 Salzburger Naturschutzgesetz 1993), nicht auch hinsichtlich bloß vorübergehender Maßnahmen relevant sein sollten. Ein wesentlicher Widerspruch zu grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes ist demnach dann anzunehmen, wenn sich eine geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter auswirken wird, was bei bloß vorübergehenden Maßnahmen in der Regel nicht der Fall ist. Schon die Materialien sprechen diesbezüglich nämlich davon, dass der Weiterbestand des Schutzgebietes höher zu bewerten sei als das Interesse an der Verwirklichung der Maßnahme.

12       Da - wie die Revisionswerberin treffend ausführt - das NSchG hinsichtlich der gesetzlich verankerten immateriellen Zielsetzungen von Landschaftsschutzgebieten (wie hier: Erholung; s. § 16 leg. cit.) keine besonderen Regelungen trifft, gelten auch für immaterielle Zielsetzungen die Bestimmungen des § 51 Abs. 3 NSchG gleichermaßen. Dass es diesbezüglich einer besonderen Regelung oder Rechtsprechung bedürfte, ist nicht ersichtlich, zumal auch der Schutzzweck der Erhaltung des Erlebnis- und Erholungswertes eines Landschaftsschutzgebietes dessen Weiterbestand voraussetzt.

13       Demnach durfte sich das Verwaltungsgericht bei der Auslegung des Begriffs des „wesentlichen Widerspruchs“ der beantragten Maßnahme zu den grundsätzlichen Zielsetzungen der betroffenen Landschaftsschutzgebiete auf die Rechtsprechung insbesondere im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. November 2005, 2003/10/0085, stützen. Die darauf gegründete Beurteilung des Verwaltungsgerichts, der vorübergehende, dem Schutzzweck „Erholung“ widersprechende Eingriff stelle mangels Bestandsgefährdung des Schutzgebietes keinen wesentlichen Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen der Schutzgebiete dar, begegnet sohin keinen Bedenken. Die Zulässigkeitsbegründung zeigt auch weder auf, dass die Ausführung, wonach eine Bestandsgefährdung der Schutzgebiete nicht vorliege, unzutreffend wäre, noch, dass es sich nicht um einen bloß vorübergehenden Eingriff handle (nach dem Revisionsvorbringen sei von sechs oder sieben Monaten auszugehen, was jedenfalls vertretbar die Beurteilung als „bloß vorübergehend“ erlaubte).

14       Im Übrigen sind auch dem weiteren Vorbringen, es könnten mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts Verfahren gemäß § 3a NSchG umgangen werden, in welchen für die Durchsetzung eines Vorhabens trotz Bestehens von Versagungsgründen nachgewiesen werden müsste, dass die Maßnahmen unmittelbaren und besonders wichtigen öffentlichen Interessen dienten und diese Maßnahmen die Naturschutzinteressen überwögen, die wiedergegebenen Materialien entgegen zu halten. Darin wird nämlich festgehalten, dass durch das Vorschlagen geeigneter Ausgleichsmaßnahmen auch Projekte bewilligungsfähig würden, die sonst auch im Wege der Interessensabwägung (vormals in § 3 Naturschutzgesetz 1993 geregelt) nicht konsensfähig wären.

15       Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen der Revisionswerberin zum Bestehen einer Gesundheitsgefährdung bei Umsetzung des Vorhabens auseinandergesetzt. Hätte sich das Verwaltungsgericht mit dem vorgebrachten Erschwernisgrund der potentiellen Gesundheitsgefährdung, die sich aus dem Gutachten eines umweltmedizinischen Amtssachverständigen im durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfungs-Feststellungsverfahren dadurch ergebe, dass Dauerschallpegel von 65 dB bei längerer Expositionszeit als gesundheitsgefährdend angesehen würden, auseinandergesetzt, hätte es zu dem Schluss kommen müssen, dass auch auf Grund der potentiellen Gesundheitsgefährdungen ein wesentlicher Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen der Landschaftsschutzgebiete vorliege.

16       Abgesehen davon, dass sich das Verwaltungsgericht mit dem Antrag auf Einholung eines weiteren umweltmedizinischen Gutachtens bzw. auf Vernehmung des einschlägigen Sachverständigen insofern beschäftigt hat, als es diese Anträge mit der Begründung abgewiesen hat, dass das bisherige Ermittlungsverfahren bereits ergeben habe, dass die Erholungswirkung während der Bauphase erheblich beeinträchtigt sei und das Vorhaben dem Schutzzweck „Erholung“ insoweit widerspreche, ist auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines wesentlichen Widerspruchs zu den grundsätzlichen Zielsetzungen der Landschaftsschutzgebiete nicht zu erkennen. Denn auch eine potentielle Gesundheitsgefährdung der erholungssuchenden Bevölkerung, sofern diese sich über längere Zeit während der lärmintensiven Bauphase im Projektgebiet aufhielte, änderte nichts daran, dass mit dem Vorhaben keine Zerstörung oder Beseitigung der Landschaftsschutzgebiete einherginge.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. April 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022100041.L00

Im RIS seit

27.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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