TE Vwgh Beschluss 2022/4/28 Ra 2021/06/0217

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Veröffentlicht am 28.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
96/02 Sonstige Angelegenheiten des Straßenbaus

Norm

BStMG 2002 §10 Abs1
BStMG 2002 §11 Abs1
BStMG 2002 §20 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VStG §20
VStG §45 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des A N in A, vertreten durch Mag. Bernhard Hofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 7. Oktober 2021, LVwG-S-1743/001-2021 und 2. LVwG-S-1744/001-2021, betreffend Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurden die Beschwerden des Revisionswerbers gegen zwei Straferkenntnisse der belangten Behörde jeweils vom 14. Juni 2021, mit welchen er jeweils einer Übertretung der §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) schuldig erkannt und mit welchen über ihn gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,- (Ersatzfreiheitsstrafe je 72 Stunden) verhängt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde der vom Revisionswerber zu leistende Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens festgesetzt und ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe am 25. September 2019, am 12. Oktober 2019 und am 30. Oktober 2019 ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne zuvor die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Für die Übertretung am 25. September 2019 habe der Revisionswerber fristgerecht die Ersatzmaut geleistet. Für den hier vorliegenden Fall des Austausches der Windschutzscheibe sehe die Mautordnung explizit die Möglichkeit vor, eine Ersatzvignette von der ASFINAG zu erlangen, wovon der Revisionswerber keinen Gebrauch gemacht habe. Bis zum Erhalt einer Ersatzvignette sei die Benützung der mautpflichtigen Straßen ohne Vignette nicht erlaubt, weshalb die Tat auch subjektiv vorwerfbar sei. Für die Annahme eines Dauerdeliktes fehle es am Erfordernis der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes, da mit der Abfahrt von der mautpflichtigen Strecke der rechtswidrige Zustand jeweils jedenfalls geendet habe. Auch ein fortgesetztes Delikt liege nicht vor (Hinweis auf VwGH 25.1.2018, Ra 2016/06/0025). Weiters legte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung dar, dass weder die Voraussetzungen für ein Absehen von der Fortführung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 VStG noch für eine außerordentliche Milderung der Geldstrafe gemäß § 20 VStG vorlägen.

6        In den zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision vorgetragenen Gründen bringt der Revisionswerber vor, dass im Revisionsfall ein fahrlässig begangenes fortgesetztes Delikt vorliege, das vor dem Hintergrund des Art. 4 des 7. ZPEMRK eine kumulative Bestrafung des Revisionswerbers unzulässig mache. Weiters hänge die Entscheidung von der Lösung der Frage ab, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht in Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG von einer Bestrafung nach dem BStMG Abstand zu nehmen habe. Zudem hänge die Entscheidung von der Lösung der Frage ab, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht von der Möglichkeit außerordentlicher Strafmilderung Gebrauch zu machen habe.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

7        In Bezug auf die vom Revisionswerber aufgeworfene Frage des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 23. März 2022, Ra 2020/06/0156, verwiesen werden. Es liegt somit bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur strittigen Rechtsfrage vor (s. dazu auch schon VwGH 29.5.2019, Ra 2017/06/0190), anhand derer sich auch der Revisionsfall lösen lässt, und von der das angefochtene Erkenntnis nicht abweicht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher insoweit nicht vor.

8        Auch zur Frage der Anwendung der §§ 20 und 45 Abs. 1 Z 4 VStG gibt es bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG etwa VwGH 7.4.2017, Ra 2016/02/0245 und 0246; zu § 20 VStG etwa VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009). Dass das Verwaltungsgericht von den dazu entwickelten Leitlinien abgewichen sei, zeigt die Revision nicht auf. Im Übrigen kommt der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG bzw. eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gerechtfertigt hätten, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. zum Ganzen auch VwGH 12.1.2018, Ra 2017/08/0043, mwN). Dass das Verwaltungsgericht dabei von einer unvertretbaren Rechtsansicht ausgegangen wäre, ergibt sich aus der Zulässigkeitsbegründung, welche sich mit der im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Argumentation nicht auseinandersetzt, nicht.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

9        Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 28. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060217.L00

Im RIS seit

27.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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