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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ZustG §17Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Mag. Dr. S N T in P, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 11a/Herrenstraße 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. November 2020, LVwG-302720/4/GS/JW, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit der Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. Februar 2020 wurden über den Revisionswerber wegen zwei Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG zwei Geldstrafen von jeweils € 3.500 verhängt.
2 Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2020 erhob der Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis eine Beschwerde. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, die Hinterlegung des Straferkenntnisses sei an seiner Abgabestelle am 20. Februar 2020 erfolgt. Er habe sich jedoch von 20. bis 28. Februar 2020 aufgrund einer Geschäftsreise im Ausland befunden, sodass eine Behebung der Sendung erst danach möglich gewesen sei. Tatsächlich behoben habe er die Sendung erst am 6. März 2020.
3 Nach Vorhalt durch das Verwaltungsgericht, dass die Beschwerde verspätet erscheine, brachte der Revisionswerber vor, seine Abwesenheit von der Abgabestelle habe vom frühen Morgen des 20. Februar 2020 bis zum späten Abend des 28. Februar 2020 (einem Freitag) gedauert. Eine Behebung der Sendung sei daher erst am 2. März 2020 (einem Montag) möglich gewesen. Zum Beweis für dieses Vorbringen legte der Revisionswerber eine von ihm unterfertigte eidesstattliche Erklärung vor und beantragte die Einvernahme von zwei Zeugen.
4 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als verspätet zurück und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
5 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Zustellung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. Februar 2020 an den Revisionswerber sei durch Hinterlegung erfolgt. Die Verständigung von der Hinterlegung sei am 19. Februar 2020 an der Abgabestelle des Revisionswerbers zurückgelassen worden. Dass der Revisionswerber von 20. bis 28. Februar 2020 nicht an der Abgabestelle aufhältig gewesen sei, sei nicht glaubhaft.
6 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, die Zustellung der Sendung sei im Sinn des § 17 Abs. 3 ZustG durch Hinterlegung mit dem ersten Tag der Abholfrist, somit mit dem 20. März 2020, wirksam erfolgt. Die Beschwerdefrist habe davon ausgehend am 19. März 2020 geendet. Das mit 22. März 2020 in Kraft getretene Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz komme somit nicht zur Anwendung. Davon ausgehend erweise sich die Beschwerde vom 4. Mai 2020 jedenfalls als verspätet.
7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, das Verfahren des Verwaltungsgerichts sei mangelhaft geblieben, weil hinsichtlich des Vorbringens des Revisionswerbers, er sei von 20. bis 28. Februar 2020 ortsabwesend gewesen, die beantragte Einvernahme von zwei Zeugen unterblieben sei. Die vorgreifende Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, wonach dieses Vorbringen nicht glaubwürdig sei, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass den Revisionswerber insoweit eine Beweislast träfe.
12 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bzw. dem im Akt befindlichen Rückschein wurde - im Sinn des § 17 ZustG nach einem erfolglosen Zustellversuch - am 19. Februar 2020 eine Verständigung von der Hinterlegung der Sendung an der Abgabestelle des Revisionswerbers zurückgelassen. Nach dem Vorbringen des Revisionswerbers begann seine Abwesenheit von der Abgabestelle am frühen Morgen des 20. Februar 2020. Nicht in Abrede gestellt wurde vom Revisionswerber im Verfahren des Verwaltungsgerichts sowie nunmehr in der Revision, dass er am 19. Februar 2020 - somit am Tag der Hinterlassung der Verständigung - noch an der Abgabestelle aufhältig war.
13 Davon ausgehend kommt aber - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs der vierte Satz des § 17 Abs. 3 ZustG, wonach hinterlegte Sendungen nicht als zugestellt gelten, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, nicht zum Tragen. Beginnt die Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle nämlich erst am Tag nach dem Zustellversuch und der Hinterlegung der Sendung sowie der Verständigung hievon, konnte er rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es hiebei nicht an (vgl. VwGH 24.9.1991, 90/11/0232; 11.10.2011, 2010/05/0115; Wessely in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely (Hrsg) Österreichisches Zustellrecht² [2011] § 17 Rz 7, mit weiteren Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
14 Damit begann die Beschwerdefrist im Sinn des § 17 Abs. 3 ZustG am 20. Februar 2020 - dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde - zu laufen. Darauf, ob der Revisionswerber - wie von ihm vorgebracht - von 20. bis 28. Februar 2020 ortsabwesend war, kommt es nicht an. Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass das Verfahren infolge Unterbleibens der Einvernahme der zum Nachweis dieses Vorbringens beantragten Zeugen mangelhaft geblieben wäre. Dass die Beschwerde sich ausgehend vom Beginn des Fristenlaufs mit 20. Februar 2020 als verspätet erweist, stellt die Revision nicht in Abrede.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 2. Mai 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080017.L00Im RIS seit
27.05.2022Zuletzt aktualisiert am
21.06.2022