TE Lvwg Beschluss 2022/2/17 LVwG-M-10/001-2022

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Veröffentlicht am 17.02.2022
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Entscheidungsdatum

17.02.2022

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
WaffG 1996 §13

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Maßnahmenbeschwerde des A, wohnhaft in der *** in ***, betreffend die Sicherstellung von Waffen am 3.1.2022 im Zuge der Hausdurchsuchung durch die Polizei, den

BESCHLUSS

gefasst:

1.       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG aufgrund Gegenstandslosigkeit der Maßnahmenbeschwerde zurückgewiesen.

2.       Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Begründung:

I.       Gang des Verfahrens

Mit Schriftsatz vom 12.1.2022 brachte der Beschwerdeführer, die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde ein und brachte im Wesentlichen vor, dass am 3.1.2022 eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung bei ihm stattgefunden habe. Es sei ihm eine Anordnung zur Durchsuchung des Hauses und Sicherstellung von Langwaffen inklusive Zieloptik gezeigt worden. Dieser Akt sei willkürlich erlassen worden. Es wäre abzuwägen gewesen, ob nicht eine Einvernahme des Beschwerdeführers ein ausreichendes Mittel dargestellt hätte. In diesem Fall hätte sich herausgestellt, dass die Sicherstellung unnötig gewesen sei. Neben den Langwaffen seien auch andere Gegenstände sichergestellt und mitgenommen worden. Es werde die Feststellung der Rechtswidrigkeit und eine Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung sowie die Herausgabe und Rückstellung aller mitgenommener Gegenstände beantragt.

II.     Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Am 3.1.2022 fand bei dem Beschwerdeführer eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung statt. Im Zuge der Hausdurchsuchung wurde ein vorläufiges Waffenverbot erlassen und die im Haus befindlichen Waffen sichergestellt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde.

Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt hat mit Bescheid vom 25.1.2022 (am selben Tag zugestellt), Zl. *** ein Waffenverbot erlassen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und ist unstrittig.

Rechtlich folgt:

1. Rechtsgrundlagen aus dem Waffengesetz:

§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

(1a) Bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 liegen jedenfalls bei einer Verurteilung wegen § 278b bis § 278g oder § 282a StGB vor. Dies gilt auch, wenn diese bereits getilgt ist, sofern auf eine Freiheitsstrafe von mindestens 18 Monaten erkannt wurde.

(2) Die im Besitz des Menschen, gegen den ein Waffenverbot erlassen wurde, befindlichen

1. Waffen und Munition sowie

2. Urkunden (ausgenommen Jagdkarten), die nach diesem Bundesgesetz zum Erwerb, Besitz, Führen oder zur Einfuhr von Waffen oder Munition berechtigen,

sind unverzüglich sicherzustellen. Für die damit betrauten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gilt § 50 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991.

(3) Eine Beschwerde gegen ein Waffenverbot hat keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Waffenverbotes gelten

1. die sichergestellten Waffen und Munition als verfallen;

2. die im Abs. 2 Z 2 angeführten Urkunden als entzogen.

(4) Die Behörde hat dem Betroffenen auf Antrag für die verfallenen Waffen und verfallene Munition, soweit er deren rechtmäßigen Erwerb glaubhaft macht, mittels Bescheides eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen. Ein solcher Antrag ist binnen einem Jahr ab Eintritt der Rechtskraft des Verbotes nach Abs. 1 zu stellen.

(5) Die gemäß Abs. 2 sichergestellten Waffen und Munition gelten trotz eines rechtmäßig verhängten Waffenverbotes nicht als verfallen,

1. wenn das ordentliche Gericht, dem sie anläßlich eines Strafverfahrens vorgelegt worden sind, ihre Ausfolgung an deren Eigentümer verfügt oder

2. wenn jemand anderer als der Betroffene binnen sechs Monaten, vom Zeitpunkt der Sicherstellung an gerechnet, der Behörde das Eigentum an diesen Gegenständen glaubhaft macht und dieser Eigentümer die Gegenstände besitzen darf.

(6) Erlangt die Behörde Kenntnis, dass sich ein Waffenverbot gegen den Inhaber einer Jagdkarte richtet, so ist der Behörde, die die Jagdkarte ausgestellt hat, eine Abschrift des vollstreckbaren Verbotsbescheides zu übermitteln. Erlangt die Behörde Kenntnis, dass sich ein Waffenverbot gegen jemanden richtet, dem auf Grund seines öffentlichen Amtes oder Dienstes von seiner vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle eine Dienstwaffe zugeteilt worden ist, so ist eine Abschrift des vollstreckbaren Verbotsbescheides dieser Behörde oder Dienststelle zu übermitteln.

(7) Ein Waffenverbot ist von der Behörde, die dieses Verbot erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

(8) Die örtliche Zuständigkeit für die Verhängung eines Waffenverbotes gegen Personen ohne Hauptwohnsitz oder Wohnsitz in Österreich richtet sich nach dem Ort des Vorfalls, der dazu Anlass gibt, ein Verfahren zur Verhängung eines Waffenverbots einzuleiten.

§ 13. (1) Die Organe der öffentlichen Aufsicht sind bei Gefahr im Verzug ermächtigt, ein vorläufiges Waffenverbot auszusprechen, wenn sie Grund zur Annahme haben, dass der Betroffene durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Zudem gilt mit Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbotes gemäß § 38a SPG ein vorläufiges Waffenverbot als ausgesprochen. Darüber hinaus sind sie in diesen Fällen ermächtigt,

1.   Waffen und Munition sowie

2.   Urkunden (ausgenommen Jagdkarten), die nach diesem Bundesgesetz zum Erwerb, Besitz, Führen oder zur Einfuhr von Waffen oder Munition berechtigen,

sicherzustellen. Die Organe haben dem Betroffenen über die Aussprache des vorläufigen Waffenverbots sowie im Falle einer Sicherstellung über diese sofort eine Bestätigung auszustellen.

(1a) Soweit die Befugnis gemäß Abs. 1 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wahrgenommen wird, gilt § 50 SPG. Weigert sich ein Betroffener im Falle der Sicherstellung durch ein anderes Organ der öffentlichen Aufsicht Waffen, Munition oder Urkunden dem Organ zu übergeben, hat dieses unverzüglich die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen.

(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht haben unverzüglich jene Behörde, in deren Sprengel die Amtshandlung geführt wurde, über das vorläufige Waffenverbot zu informieren und dieser die allenfalls sichergestellten Waffen, Munition und Urkunden vorzulegen; sie hat eine Vorprüfung vorzunehmen. Sind die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbotes offensichtlich nicht gegeben, so hat die Behörde das vorläufige Waffenverbot aufzuheben, indem sie den Betroffenen darüber informiert und die allenfalls sichergestellten Gegenstände dem Betroffenen sofort ausfolgt. Andernfalls hat sie das Verfahren zur Erlassung des Verbotes (§ 12) durchzuführen, sofern sich hierfür aus § 48 Abs. 2 nicht die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt.

(3) Erweist sich in der Folge, dass die Voraussetzungen für das Waffenverbot doch nicht gegeben sind, so hat die Behörde den Betroffenen darüber zu informieren und ihm jene allenfalls sichergestellten Waffen, Munition und Urkunden ehestens auszufolgen, die er weiterhin besitzen darf.

(4) Gegen den Betroffenen gilt ab Aussprache des vorläufigen Waffenverbotes oder, sofern die Sicherstellung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte, ab diesem ein mit vier Wochen befristetes vorläufiges Waffenverbot, es sei denn, die Behörde hebt es gemäß Abs. 2 oder 3 früher auf oder die sichergestellten Waffen, Munition oder Urkunden werden von der Behörde vorher ausgefolgt.

2. Höchstgerichtlicher Judikatur:

Wird nach Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde die vorläufige Beschlagnahme durch einen Beschlagnahmebescheid nachträglich bestätigt, tritt dadurch Gegenstandslosigkeit der Maßnahmenbeschwerde ein und das Verfahren ist einzustellen. Nach einer solchen Einstellung gibt es keine obsiegende Partei iSd § 35 VwGVG, sodass es auch keinen Kostenersatz nach dieser Bestimmung gibt (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0160, mwN). (Erkenntnis des VwGH vom 21.1.2019, Zl. Ra 2018/17/0009)

Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - d. h. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer vorläufigen Beschlagnahme, solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgestellt hat, eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor. Eine Beschlagnahme ist nur solange mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar, bis die Behörde einen Beschlagnahmebescheid erlässt (vgl. VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003). Wie der VwGH anlässlich dieser Maßnahmenbeschwerde im Erkenntnis vom 22. November 2017 ausgeführt hat, deckt in einem solchen Fall der in der Folge über die vorläufige Beschlagnahme ergangene Beschlagnahmebescheid auch die vorläufige Beschlagnahme des Geldes (vgl. erneut VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003, Rn. 17). Aus diesem Grund war aber ab Erlassung des Beschlagnahmebescheides die selbstständige Bekämpfung der vorläufigen Beschlagnahme durch Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde unzulässig (vgl. erneut VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003, Rn. 18). Die dennoch erhobene Maßnahmenbeschwerde wäre daher - vom zur Entscheidung über die Maßnahmenbeschwerde zuständigen BFG - zurückzuweisen gewesen. Indem das BFG über die Maßnahmenbeschwerde jedoch inhaltlich entschieden hat, anstatt sie zurückzuweisen, hat es eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zukam. Es hat daher das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes belastet (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2014/17/0023). (Erkenntnis des VwGH vom 6.8.2018, Zl. Ra 2018/17/0100)

Es gibt keinen Kostenersatz nach § 35 VwGVG und somit auch keinen Anspruch auf Aufwandersatz der belangten Behörde, wenn nach Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde die vorläufige Beschlagnahme durch einen Beschlagnahmebescheid nachträglich bestätigt wird, dadurch Gegenstandslosigkeit der Maßnahmenbeschwerde eintritt und eine formlose Einstellung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht gerechtfertigt ist, so dass es nach einer solchen Einstellung keine obsiegende Partei iSd § 35 VwGVG gibt (vgl. VwGH 20.3.2009, 2008/02/0273, ergangen noch zu § 79a AVG, an dessen Stelle mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, die seit 1.1.2014 geltende, im Wesentlichen idente Bestimmung des § 35 VwGVG trat). (Erkenntnis des VwGH vom 14.3.2018, Zl. Ra 2017/17/0160)

3.   Vorliegender Fall:

Gegenstand von Maßnahmenbeschwerden sind Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person liegt nur vor, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den geforderten Zustand herzustellen. (vgl. Hauer/Keplinger; Kommentar zum SPG, 4. Auflage, Seite 813ff)

Die Sicherstellung von Waffen stellt einen Eingriff in das Eigentum dar und wurde mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt. Daraus ergibt sich, dass die Bekämpfung so eines Aktes grundsätzlich mittels Maßnahmenbeschwerde möglich ist. Im gegenständlichen Fall wurde jedoch bereits ein Waffenverbot gemäß § 12 WaffG am 25.1.2022, Zl. ***, durch die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt erlassen.

Gemäß der höchstgerichtlichen Judikatur zur Beschlagnahme – welche ebenfalls eine Sicherungsmaßnahme darstellt – tritt Gegenstandslosigkeit der Maßnahmenbeschwerde ein und das Verfahren ist einzustellen, wenn nach der Einbringung der einer Maßnahmenbeschwerde die vorläufige Beschlagnahme durch einen Beschlagnahmebescheid nachträglich bestätigt wird. Die selben Überlegungen treffen auch für die Erlassung eines vorläufigen Waffenverbotes nach § 13 WaffG zu, welches nachträglich durch ein Waffenverbot gemäß § 12 WaffG bestätigt wird. Der Beschwerdeführer hat auch in diesem Fall den vollen Rechtsschutz im Verfahren gegen das erlassene Waffenverbot gemäß § 12 WaffG. Die Maßnahmenbeschwerde dient als subsidiäre Rechtsschutz und soll eine Doppelgleisigkeit der Rechtsprechung verhindert werden, weshalb die Maßnahmenbeschwerde bei der Möglichkeit eines anderen Rechtsmittels zurücktritt.

Da das gegenständliche Verfahren somit gegenstandslos wurde, war die Maßnahmenbeschwerde mittels Beschlusses zurückzuweisen. Einen Kostenersatz – welcher im Übrigen antragsbedürftig gewesen wäre – gibt es in einem solchen Fall nicht, da keine Partei die obsiegende Partei ist.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Waffen; Beschlagnahme; Bescheiderlassung; Gegenstandslosigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.10.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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