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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ASVG §113 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der Y Z in P, vertreten durch Mag. Monika Keki-Angermann, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Ferstelgasse 1/Top 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2022, W156 2243634-1/10E, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Niederösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin verpflichtet, gemäß § 113 Abs. 1 und 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.000,-- zu entrichten. Das wurde damit begründet, dass der chinesische Staatsangehörige X.W. am 28. Februar 2021 um 13:05 Uhr im von der Revisionswerberin betriebenen Lokal von Organen der Abgabenbehörden bei Arbeiten für die Revisionswerberin betreten worden sei, ohne dass er zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sei. X.W. sei auf dem Weg ins Restaurant gewesen und habe sich an der Hintertür versteckt, nachdem er die Kontrolle wahrgenommen habe. Er sei mit einem vom 27. März 2019 bis 24. April 2019 gültigen Visum in Österreich eingereist und halte sich nunmehr illegal hier auf. Im fremdenrechtlichen Verfahren habe er am 1. März 2021 gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben, dass er seit 20. Jänner 2021 nach Bewerbung aufgrund eines Stelleninserats in einer chinesischen Zeitung als Tellerwäscher für die Revisionswerberin „vorgesehen“ sei und für sie arbeite. Er habe auch angegeben, im Besitz eines Schlüsselbundes mit zwei Schlüsseln für die Hintertür zur Restaurantküche und die von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellte Unterkunft zu sein. Beweiswürdigend ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass diese Angaben glaubwürdig seien. Die Revisionswerberin habe zwar angegeben, dass X.W. nie für sie gearbeitet hätte und im Zeitpunkt der Betretung lediglich einen Spaziergang gemacht hätte; den Restaurantschlüssel hätte er nur gehabt, weil sie ihm eine Unterkunft ohne Privatküche zur Verfügung gestellt hätte. Diese Aussagen seien aber nicht glaubwürdig, zumal die Revisionswerberin keine plausible Erklärung für den Aufenthalt des X.W. an der Hintertür des Restaurants gehabt habe und es auch unglaubwürdig erscheine, dass die Revisionswerberin einem ihr völlig Unbekannten einen Schlüssel zu Räumlichkeiten ihres Betriebs geben sollte und ihn nur aus dem Grund, dass er ihr Landsmann sei, verköstige und unterbringe. Da die Unterlassung der Meldung des Dienstnehmers auch zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Abgabenbehörde noch nicht nachgeholt worden sei, liege das typische Bild eines Meldeverstoßes mit nicht nur unbedeutenden Folgen vor. Der Beitragszuschlag sei daher gemäß § 113 Abs. 2 ASVG mit insgesamt € 1.000,-- festzusetzen gewesen.
5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Die Revision erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass zu klären sei, „ob der bloße Aufenthalt im Nahbereich des Betriebes des möglicherweise zukünftigen Dienstgebers bereits als Arbeitsleistung, die Beitragszuschläge auslöst, zu qualifizieren“ sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe verkannt, wo die Grenzen einer Beitragszuschlagspflicht lägen: Es habe „in Folge eines bloßen Antreffens ohne weitere Sachverhaltszusatzelemente“ eine Arbeitstätigkeit angenommen. Der vermeintliche Arbeitnehmer habe sich auf dem Parkplatz vor dem Betrieb der Revisionswerberin aufgehalten. Er sei zwar zuvor im Lokal aufhältig gewesen, diese Sachverhaltselemente begründeten jedoch „noch keine Beitragszuschläge Arbeitstätigkeit“. Die Beitrags(-zuschlags)pflicht sei erst ausgelöst, wenn klar sei, dass der Arbeitnehmer tatsächlich einer Tätigkeit für die Arbeitgeberin nachgegangen sei. Es stelle sich daher die Rechtsfrage, ab wann eine Arbeit vorliege, für die Beitragszuschläge zu verrechnen seien. Das angefochtene Erkenntnis gehe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon aus, dass „eine örtliche Nähe zum allfällig zukünftigen Arbeitgeber“ bereits ausreiche, um eine beitragspflichtige Arbeitstätigkeit zu begründen.
7 Damit wendet sich die Revision im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich nicht im Aufenthalt in der Nähe des Betriebs eine Arbeitstätigkeit gesehen, sondern aus dem Ort der Betretung in Verbindung mit den Begleitumständen und den aktenkundigen Aussagen des X.W. (der im Hinblick auf seinen unbekannten Aufenthalt nicht zur Verhandlung geladen werden konnte) darauf geschlossen, dass dieser im Zeitpunkt der Betretung auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses für die Revisionswerberin tätig war. Diese Beweiswürdigung kann nicht als unschlüssig erkannt werden und ist daher nicht revisibel (vgl. dazu, dass nur eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Beweiswürdigung zur Zulässigkeit der Revision führen könnte, etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2019/08/0080, Rn. 7, mwN).
8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 25. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080037.L00Im RIS seit
25.05.2022Zuletzt aktualisiert am
21.06.2022