TE Vwgh Beschluss 2022/4/25 Ra 2021/04/0100

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Veröffentlicht am 25.04.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
VwGG §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der G Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Krist Bubits Rechtsanwälte OG in 2340 Mödling, Elisabethstraße 2, gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2021, Zlen. 1. W134 2239829-1/2E, 2. W134 2239829-2/15E und 3. W134 2239829-3/2E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich, vertreten durch den Bundesminister für Inneres in 1010 Wien, Herrengasse 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Die Revisionswerberin hat sich an einem von der Republik Österreich (Bund) im Oktober 2020 ausgeschriebenen offenen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Videonachfahreinrichtungen für die Bundespolizei beteiligt.

2        Mit Schreiben vom 8. Februar 2021, amtssigniert am 15. Februar 2021, wurde der Revisionswerberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, mit einem anderen Unternehmer die Rahmenvereinbarung abzuschließen.

3        Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2021 begehrte die Revisionswerberin beim Bundesverwaltungsgericht ein Nachprüfungsverfahren und beantragte, „das Bundesverwaltungsgericht möge [...] die Zuschlagsentscheidung der Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres, vom 15.02.2021 im Vergabeverfahren ‚Videonachfahreinrichtungen für die Bundespolizei‘ (Rahmenvereinbarung) [...] für nichtig erklären“. Weiters stellte die Revisionswerberin den Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 351 BVergG 2018 eine einstweilige Verfügung dahingehend erlassen, dass das gesamte Vergabeverfahren der Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres, ‚Rahmenvereinbarung Videonachfahreinrichtungen für die Bundespolizei[...]‘, insbesondere aber die Zuschlagserteilung hinsichtlich der Vergabe des nachprüfungsverfahrensgegenständlichen Lieferauftrages bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vorübergehend ausgesetzt wird bzw. allfällig sonst geeignete Maßnahmen angeordnet werden, dass seitens des Auftraggebers Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres, der Zuschlag in gegenständlichem Vergabeverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung nicht erteilt werden kann“.

4        2. Mit Beschluss vom 8. März 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht sowohl den Nachprüfungsantrag gemäß § 342 BVergG 2018 (Spruchpunkt 1.A.) als auch den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 350 BVergG 2018 (Spruchpunkt 2.A.I.) zurück. Zudem wies es den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren gemäß § 341 BVergG 2018 ab (Spruchpunkt 2.A.II.).

5        Die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages begründet das Bundesverwaltungsgericht damit, dass die Revisionswerberin einen Antrag „auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 15.02.2021“ gestellt habe. Die Auftraggeberin habe aber am 15. Februar 2021 „die Entscheidung, mit welchem Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll,“ erlassen. Eine Zuschlagsentscheidung habe die Auftraggeberin in diesem Verfahren nicht erlassen, weshalb die Revisionswerberin eine gesondert anfechtbare Entscheidung anfechte, die nicht existiere. Gegenstand eines Nachprüfungsantrages gemäß § 342 Abs. 1 BVergG 2018 könne aber nur eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers sein, die auch erlassen wurde und somit existent sei. In diesem Sinne sei auch § 344 Abs. 2 Z 1 BVergG 2018 zu verstehen. Demnach sei ein Nachprüfungsantrag jedenfalls unzulässig, wenn er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richte. Dies sei dem gegenständlichen Fall der nicht existenten gesondert anfechtbaren Entscheidung gleichzuhalten. Ein „lediglich irrtümliches Vergreifen in der Wortwahl im Schreiben der Antragstellerin vom 23.02.2021 kann ausgeschlossen werden, da in diesem Schreiben mehr als 20 [M]al das Wort ‚Zuschlagsentscheidung‘ vorkommt“. Aus diesem Grund sei ein amtswegiges Umdeuten des verfehlten Begehrens nicht möglich, weshalb ein Vorgehen nach § 13 Abs. 3 AVG nicht in Frage komme. Auch der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 sei zurückzuweisen, da kein das Nachprüfungsverfahren einleitender zulässiger Antrag vorliege.

6        3. Gegen diese Beschlüsse richtet sich die außerordentliche Revision.

7        Die angefochtenen Beschlüsse wurden mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. März 2022, E 1531/2021-10, aufgehoben.

8        Die Revisionswerberin wurde dadurch klaglos gestellt. Das Verfahren war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

9        Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021040100.L00

Im RIS seit

25.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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