TE OGH 2022/4/21 5Ob76/22w

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Veröffentlicht am 21.04.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U* GmbH, *, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen 155.175,09 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Februar 2022, AZ 13 Nc 2/22a, mit dem die von der klagenden Partei erklärte Ablehnung des Berufungssenats zu AZ 1 R 113/21a des Oberlandesgerichts Wien zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.110,32 EUR (darin enthalten 351,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Der Kläger begehrte im Anlassverfahren zunächst 114.800 EUR sA und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für zukünftige Schäden, die wegen eines ärztlichen Aufklärungsfehlers zum Schadenersatz verpflichtet sei. Im ersten Rechtsgang sprach das Erstgericht dem Kläger 1.156,92 EUR sA – unbekämpft und somit rechtskräftig – zu und wies das Klagebegehren im Übrigen ab. Der gegen die Abweisung erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht zu 1 R 176/19p Folge, hob das bekämpfte Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf, um nähere Feststellungen zu treffen, ob die Zahnimplantate deswegen nicht lege artis gesetzt worden seien, weil Entzündungsherde bestanden und diese gegen die Durchführung der weiteren Behandlungsschritte gesprochen hätten. Der Kläger dehnte sein Zahlungsbegehren im zweiten Rechtsgang auf insgesamt 155.175,09 EUR sA aus und brachte vor, schon im Vorfeld der Implantatsetzung am 26. 11. 2015 seien ein Entzündungsherd an der Position 34 und eine Knochenheilungsstörung erkennbar gewesen, aber von den Ärzten der Beklagten übersehen worden. Darüber sei er ebenso wenig aufgeklärt worden, wie über die geplante Einbringung artfremden biologischen Materials und die damit verbundenen Risiken. Das Erstgericht wies das im zweiten Rechtsgang noch strittige Klagebegehren ab. Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung gab der erste Senat des Oberlandesgerichts Wien zu 1 R 113/21a nicht Folge.

[2]       Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der die Abweisung seiner Klage durch das Erstgericht im Anlassverfahren bestätigt worden war, erhob der Kläger außerordentliche Revision und lehnte zugleich mit Schriftsatz vom 14. 1. 2022 die drei Mitglieder des Berufungssenats als befangen ab.

[3]       Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies der zuständige Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien die Ablehnung der zu 1 R 113/21a erkennenden Richter zurück. Der Vorwurf, das Berufungsurteil enthalte keine Aussage darüber, ob die Rechtsmittelgründe vorlägen oder nicht, sei nicht nachvollziehbar, weil das Berufungsgericht das Vorliegen sämtlicher Rechtsmittelgründe verneint habe. Dieses habe lediglich beurteilt, ob eine vom Erstgericht getroffene Feststellung vom Vorbringen der Beklagten gedeckt sei. Ob das Berufungsgericht diese Frage zutreffend beurteilt habe, sei nicht im Ablehnungsverfahren zu prüfen. Selbst eine allenfalls „großzügige“ Auslegung des Parteivorbringens durch das Berufungsgericht wäre nicht geeignet, den Anschein der Befangenheit zu begründen, weil sich daraus nicht ableiten lasse, dass die Mitglieder des Berufungssenats zu einer der Prozessparteien eine persönliche Nähe, die die unbefangene Beurteilung der Streitsache hindern könnte, gehabt hätten.

Rechtliche Beurteilung

[4]       Der dagegen erhobene Rekurs des Ablehnungswerbers ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt:

[5]       1. Die im Rekurs vertretene Rechtsansicht, das Verfahren vor dem Oberlandesgericht sei nichtig, zumindest aber mangelhaft, weil der Ablehnungsantrag direkt der zuständigen Geschäftsabteilung übermittelt und in das Nc-Register eingetragen worden sei, ohne die Vorgangsweise nach § 183 Geo einzuhalten, wurde in Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits wiederholt abgelehnt (jüngst 1 Ob 37/21d; 1 Ob 227/21w mwN). Eine Entscheidung über eine mögliche Befangenheit ist nicht als Akt der Justizverwaltung, sondern als Akt der unabhängigen Rechtsprechung anzusehen. Ablehnungsanträge und Befangenheitsanzeigen in bürgerlichen Rechtssachen als Nc-Sachen sind seit dem Inkrafttreten der Geo-Novelle 1999, BGBl II 1999/69, nur mehr in das Nc-Register einzutragen (RS0132677). Den Bestimmungen des § 183 Abs 1 und 3 Geo wurde derogiert (4 Fsc 2/19k).

[6]       2. Die Urschrift des angefochtenen Beschlusses wurde unzweifelhaft von allen drei im Kopf der angefochtenen Entscheidung als Senatsmitglieder angeführten Richtern eigenhändig unterfertigt. Aus welchen Gründen ein Verstoß gegen § 429 Abs 1 ZPO vorliegen und deswegen die Nichtigkeit dieser Entscheidung gegeben sein soll, ist nicht zu erkennen. Warum der angefochtene Beschluss nichtig sein soll, weil „seine Erlassung als solche gegen unbedingt geltende gesetzliche Verbote verstieß“, bleibt völlig unklar. Dass die Auslegung des Prozessvorbringens der Überprüfung im Instanzenzug unterliegt, hat der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien völlig zutreffend festgehalten.

[7]       3. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO läge nur vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft wäre, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn die Entscheidung mit sich selbst im Widerspruch ist oder keine Gründe angegeben sind. Geringere Unklarheiten reichen demgegenüber nicht aus (RS0042206). Selbst davon kann aber bei der vorliegenden Entscheidung keine Rede sein.

[8]       4. Nach der Bestimmung des § 8 Abs 2 JN entscheiden die Oberlandesgerichte über Berufungen gegen Urteile, die in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelsrechtssachen gefällt wurden, in Senaten mit einem fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand. Der Ablehnungssenat hatte demgegenüber über die behauptete Befangenheit der Vorsitzenden des Berufungssenats sowie eines Mitglieds dieses Senats und des nach der Bestimmung des § 8 Abs 2 JN in den Senat eingetretenen fachmännischen Laienrichters zu entscheiden, der damit auch nicht vorschriftswidrig besetzt war.

[9]       5. Welche „Bestimmungen über die Paginierung“ nicht eingehalten worden seien oder welche Tatsachenfeststellungen fehlen sollen und welche Relevanz all dem zukommen soll, erläutert der Rekurswerber erst gar nicht, sodass darauf auch nicht näher einzugehen ist.

[10]     6. Insgesamt begegnet die Zurückweisung der Ablehnung von Mitgliedern des Berufungssenats zu 1 R 113/21a keinen Bedenken. Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

[11]     7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten ihrer Rekursbeantwortung als solche des Zwischenstreits über die Ablehnung zu ersetzen.

Textnummer

E134879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00076.22W.0421.000

Im RIS seit

25.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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