TE Lvwg Beschluss 2021/12/22 VGW-124/061/17725/2021

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Veröffentlicht am 22.12.2021
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Entscheidungsdatum

22.12.2021

Index

97 Öffentliches Auftragswesen
L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Norm

BVergG 2018 §2 Z15 lita sublitdd
WVRG 2020 §25
WVRG 2020 §26 Abs1
WVRG 2020 §26 Abs3
WVRG 2020 §26 Abs4

Text

                                                                                                              

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Schreiner über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte Gesellschaft MBH, vom 17.12.2021, auf Erlassung einer einstweilligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren der Wiener Linien GmbH & Co KG "Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien" den

BESCHLUSS

gefasst

I. Gemäß § 25 WVRG 2020 wird folgende einstweilige Verfügung erlassen:

Der Auftraggeberin, Wiener Linien GmbH & Co KG, wird im Vergabeverfahren „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien" für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, die Bieter zur Erstangebotsabgabe aufzufordern.

Der Antrag, der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zu untersagen, das Vergabeverfahren fortzusetzen, wird abgewiesen.

II.      Gemäß § 25a VwGG ist gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Begründung

Die Wiener Linien GmbH & Co KG (idF Auftraggeberin) führt unter der Bezeichnung „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien", GZ: ..., ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Elektro-Normalbussen durch. Es handelt sich um ein Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb zum Abschluss eines Rahmenvertrages im Sektorenbereich im Oberschwellenbereich. Der geschätzte Auftragswert übersteigt den Oberschwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge um mehr als das 40fache. Die Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen endete am 15.11.2021 um 10.00 Uhr.

Nach den Festlegungen der Ausschreibungsunterlagen (Punkt 4. der Teilnahmebestimmungen) werden nach Prüfung und Bewertung der Teilnahmeanträge anhand der Eignungs – und Auswahlkriterien die drei bestgereihten Bewerber ermittelt und zur Angebotslegung in der 2. Stufe eingeladen. Nur diesen Bewerbern werden die vollständigen Ausschreibungsunterlagen der 2. Stufe übermittelt.

Die Antragstellerin, die A. GmbH, hat am 12.11.2021 einen Teilnahmeantrag über das von der Auftraggeberin festgelegte Vergabeportal abgegeben. Mit Schreiben vom 9.12.2021 teilte ihr die Auftraggeberin mit, dass sie nicht zur 2. Stufe zuzulassen bzw. ihr Teilnaheantrag auszuscheiden wäre. Begründend führte die Auftraggeberin aus, der Teilnahmeantrag sei in eignungsrelevanten Punkten aufklärungsbedürftig und unvollständig gewesen. Einem Aufklärungsersuchen der Auftraggeberin vom 26.11.2021 sei die Antragstellerin trotz Fristverlängerung nicht bzw. nur unvollständig nachgekommen und habe fehlende Unterlagen nicht nachgereicht. Demnach sei ihr Teilnahmeantrag gemäß § 302 Abs. 1 Z 5 BVergG 2018 auszuscheiden.

Mit dem am 17.12.2021, 12:34 Uhr, beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Nachprüfungsantrag begehrt die Antragstellerin mit näherer Begründung die Nichtzulassung zur Teilnahme/Ausscheidensentscheidung vom 9.12.2021 – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – für nichtig zu erklären und der Antragsgegnerin den Ersatz der Pauschalgebühren aufzuerlegen.

Zusätzlich zur Nichtigerklärung der Ausschreibung wird Akteneinsicht, die Erstattung der Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin sowie die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung beantragt.

In letztgenanntem Zusammenhang wird in concreto beantragt,

?    für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien", GZ: ... zu untersagen, das Vergabeverfahren fortzusetzen; in eventu

?    für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien", GZ: ... zu untersagen, die Bieter zur Erstangebotsabgabe aufzufordern; in eventu

?    für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien", GZ: ... aufzutragen, die Erstangebotsfrist auszusetzen und die Öffnung der Erstangebote zu untersagen;

?    für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien", GZ: ... die Öffnung der Erstangebote zu untersagen;

?    für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren „Abschluss eines Rahmenvertrags zur Lieferung u. Instandhaltung von Elektro-Normalbussen für die Wiener Linien", GZ: ... die Zuschlagserteilung zu untersagen;

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, bei Fortsetzung des Vergabeverfahrens, insbesondere durch eine Aufforderung zur Angebotsabgabe, eine Angebotsöffnung bzw. eine Zuschlagserteilung würden irreversible Tatsachen geschaffen werden, die für die Antragstellerin mit den Mitteln des BVergG nicht beseitigt werden könnten. Daraus ergebe sich für die Antragstellerin eine unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen. Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich insbesondere darauf, dass ihr ein Gewinnentgang ebenso drohe wie ein Schaden durch die bereits entstandenen Kosten des Vergabeverfahrens, insbesondere der der Anwaltskosten sowie der Entgang eines wichtigen Referenzprojektes

Eine einstweilige Verfügung sei zwingend erforderlich, um die Antragstellerin vor Rechtsnachteilen zu bewahren, die entstehen würden, wenn die Auftraggeberin durch das Fortführen des Vergabeverfahrens und den Ablauf der Teilnahmeantragsfrist unumkehrbare Tatsachen schaffe könnte. Diese Umstände könnten mit den Mitteln des Vergaberechts nicht mehr beseitigt werden. Die einstweilige Verfügung sei daher das notwendige und geeignete Mittel, um durch die aufgezeigten Rechtswidrigkeiten drohende Schäden zu verhindern. Um der Antragstellerin im Falle einer Nichtigerklärung eine weitere Beteiligung am Vergabeverfahren ohne Wettbewerbsnachteile zu ermöglichen, sei es erforderlich, dieses für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im gegenwärtigen Stand zu halten.

Sollte die Auftraggeberin die weiteren Bieter im Vergabeverfahren zur Angebotsabgabe auffordern, so hätten diese auch im Falle der Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung einen wesentlichen Wettbewerbsvorsprung, zumal sie die Ausschreibungsunterlagen der 2. Verfahrensstufe früher kennen würden.

Die Auftraggeberin habe nach der ständigen Rechtsprechung allenfalls entstehende zeitliche Verzögerungen durch mögliche Nachprüfungsverfahren und den Erlass einer einstweiligen Verfügung in ihre Terminplanung miteinzubeziehen.

Die Interessen der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung würden allfällige Interessen der Auftraggeberin deutlich überwiegen.

Die Auftraggeberin sprach sich in ihrer Stellungnahme vom 20.12.2021 nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Der Antrag auf Nichtigerklärung richtet sich gegen die Ausschreibung eines auf den Abschluss eines Rahmenvertrages gerichteten Verhandlungsverfahrens mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb, mithin gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. dd BVergG 2018.

Der geschätzte Auftragswert übersteigt den Oberschwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge um mehr als das 40fache. Die Beibringung der Pauschalgebühren für den Antrag auf Nichtigerklärung in einem Verfahren zur Vergabe eines solchen Lieferauftrages, sowie – in halber Höhe – für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß der WVPVO 2020 ist ordnungsgemäß nachgewiesen worden.

Der Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde am 17.12.2021 fristgerecht gemäß § 19 Abs. 1 WVRG 2020 eingebracht.

Die Antragstellerin hat den ihr allenfalls drohenden Schaden bei Nichterlangung des gegenständlichen Auftrages plausibel dargelegt (vgl. VwGH 23.5.2007, Zl. 2007/04/0010). Der Antrag auf Nichtigerklärung entspricht den Bestimmungen der §§ 18 ff WVRG 2020.

Gemäß § 25 WVRG 2020 hat das Verwaltungsgericht Wien auf Antrag einer Unternehmerin oder eines Unternehmers, der oder dem die Antragsvoraussetzungen nach § 18 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Verwaltungsgericht Wien gemäß § 26 Abs. 1 WVRG 2020 die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers, der sonstigen Bewerberinnen oder Bewerber oder Bieterinnen oder Bieter und der Auftraggeberin oder des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Mit einer einstweiligen Verfügung können gemäß § 26 Abs. 3 WVRG 2020 das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

In einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 26 Abs. 4 WVRG 2020 die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wurde, außer Kraft. Das Verwaltungsgericht Wien hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Verwaltungsgericht Wien hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Wesentliche Zielsetzung des primären Vergaberechtschutzes (also des Rechtschutzes vor Zuschlagserteilung) ist es, den Bieter auch vor jenen Schäden zu schützen, die nicht im Wege eines späteren Schadenersatzanspruches abgedeckt werden können.

Ein öffentlicher Auftraggeber hat nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich mit der Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Verzögerung des Vergabeverfahrens durch eine einstweilige Verfügung zu rechnen.

Vorliegend hat die Antragstellerin ihr Interesse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung insofern dargelegt, als sie ausgeführt hat, die Auftraggeberin könne ohne eine solche unumkehrbaren Tatsachen schaffen.

Die Auftraggeberin hat sich im Zuge seiner schriftlichen Stellungnahme vom 20.12.2021 nicht gegen die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung ausgesprochen.

Zunächst ist zu bemerken, dass der Hauptantrag auf Untersagung der Fortsetzung des gesamten Vergabeverfahrens überschießend ist. Eine jegliche Handlung der Auftraggeberin untersagende Verfügung entspricht nämlich nicht den Vorgaben des § 26 Abs. 3 WVRG 2020 und erweist sich nicht als das gelindeste Mittel, um den Anliegen der Antragstellerin Rechnung zu tragen.

Der Eventualantrag, der Auftraggeberin für die Dauer des Vergabeverfahrens zu untersagen, die Bieter zur Erstangebotsabgabe aufzufordern, erweist sich dagegen als berechtigt. Die Antragstellerin führt zu Recht aus, dass den Bietern mit der Zur Verfügung Stellung der Ausschreibungsunterlagen der 2. Stufe ein bedeutender Wettbewerbsvorteil eingeräumt würde, der auch im Falle einer Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgeglichen werden könnte. Die Rechtsposition der Antragstellerin ist somit nur dann ausreichend gewahrt, wenn der Auftraggeberin für die Dauer des Vergabeverfahrens untersagt wird, die Bieter zur Erstangebotsabgabe aufzufordern und diesen sohin die Ausschreibungsunterlagen nicht zugänglich gemacht werden.

Hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung hat die Antragstellerin zutreffend ausgeführt, dass die Auftraggeberin mit Verzögerungen im Vergabeverfahren zu rechnen hat. Die Auftraggeberin hat auch keine öffentlichen Interessen ins Treffen geführt, die der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung entgegenstehen würden.

Es war somit die einstweilige Verfügung spruchgemäß zu erlassen.

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 26 Abs. 5 WVRG 2020 sofort vollstreckbar.

Die ordentliche Revision ist im vorliegenden Fall unzulässig, zumal sich die Entscheidung im Wesentlichen auf eine Interessensabwägung im Einzelfall gründet und der ständigen und nicht uneinheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur folgt.

Schlagworte

Einstweilige Verfügung; Oberschwellenwert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.124.061.17725.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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