Entscheidungsdatum
09.05.2022Norm
FSG 1997 §7 Abs3 Z3Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Pathy über die Beschwerde des G K, H, vertreten durch Meier Gürtler Rechtsanwälte, Bludenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 2. Februar 2022 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
Verfahrensablauf
Angefochtener Bescheid
1. Im angefochtenen Bescheid wurde
? dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B auf die Dauer von sechs Monaten entzogen;
? als begleitende Maßnahme eine Nachschulung angeordnet und ausgesprochen, dass diese Maßnahme spätestens bis zum Ende der Entzugsdauer zu befolgen ist;
? ausgesprochen, dass sich mit der Anordnung der Nachschulung die Probezeit um ein Jahr verlängert;
? ausgesprochen, dass der Führerschein unverzüglich abzuliefern ist; und
? die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer als Teilnehmer einer türkischen Hochzeitsgesellschaft im Kolonnenverkehr gefahren sei, als er auf die Gegenfahrbahn ausgeschert habe und auf einen entgegenkommenden Pkw zugefahren sei. Der entgegenkommende Pkw habe noch versucht, nach rechts auszuweichen, es sei jedoch in weiterer Folge zu einer Kollision zwischen dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug und dem entgegenkommenden Fahrzeug gekommen.
Nach Meinung der Bezirkshauptmannschaft war dieses Verhalten geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Der Tatbestand des § 7 Abs 3 Z 3 FSG sei daher erfüllt. Im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs 3 Z 3 FSG genannten Übertretung habe die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen. Außerdem habe die Behörde zwingend eine Nachschulung anzuordnen, wenn eine Übertretung im Sinne des § 7 Abs 3 Z 3 FSG begangen worden sei.
Beschwerde
2. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid rechtzeitig Beschwerde erhoben. Er hat beantragt, den Bescheid aufzuheben und das Verfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung einzustellen. Das wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:
Er habe an keiner t Hochzeit teilgenommen. Er habe angegeben, dass er im Kolonnenverkehr mit der erlaubten Geschwindigkeit gefahren sei, nicht jedoch, dass er im Konvoi der Hochzeitsgäste gefahren sei.
Er habe ausdrücklich den Antrag auf Einvernahme der in seinem Fahrzeug befindlichen Zeugen gestellt. Unerklärlich sei, warum die Behörde diesem Beweisantrag nicht Folge gegeben habe, zumal diese Zeugen bestätigen hätten können, dass sein Fahrzeug aufgrund eines Defekts auf die Gegenfahrbahn gekommen sei.
Es könne ihm höchstens zur Last gelegt werden, dass er ein anderes Fahrzeug überholen wollte und das entgegenkommende Fahrzeug nicht gesehen habe.
Die Begründung für den Entzug der Lenkberechtigung im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG sei nicht stichhaltig und die in Abs 3 Z 3 dieser Gesetzesstelle angeführten Verstöße nicht anwendbar.
Sein Verhalten stelle, wenn man tatsächlich davon ausgehe, dass er bewusst einen Überholvorgang durchführen wollte, höchstens ein fahrlässiges Verhalten und keinesfalls eine besondere Rücksichtslosigkeit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber dar. Der Verstoß gegen eine Vorschrift der Straßenverkehrsordnung führe nur dann zu einem allfälligen Führerscheinentzug, wenn das im § 7 Abs 1 FSG, und zwar die im Abs 3 Z 3 dieser Gesetzesstelle angeführten gravierenden Verhalten im Straßenverkehr hinzukämen.
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
3. Die Bezirkshauptmannschaft hat die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter und eine Vertreterin der Bezirkshauptmannschaft haben daran teilgenommen. Die Zeugen K A und E D, die sich im Pkw des Beschwerdeführers befunden haben, wurden zum Vorfall befragt.
Außerdem wurde der Verwaltungsakt eingesehen, in dem sich insbesondere der Abschlussbericht der PI H vom 27. Dezember 2021, die Lichtbildbeilage vom 24. Oktober 2021 und das Protokoll über die Einvernahme des Unfallgegners D M vom 23. Oktober 2021 befinden.
Sachverhalt
4. Der Beschwerdeführer besitzt eine Lenkberechtigung für die Klassen AM und B. Er befindet sich in der Probezeit.
Der Beschwerdeführer hat am 23. Oktober 2021 um 18:00 Uhr in H auf der Rstraße, Höhe Nr X, einen Pkw gelenkt. Er ist in einer Kolonne mit ca. 50 km/h gefahren.
Der Beschwerdeführer ist, obwohl er Gegenverkehr hatte, auf die Gegenfahrbahn gefahren, wahrscheinlich wollte er ein vor ihm fahrendes Fahrzeug überholen. Der Gegenverkehr war so nahe, dass ein Überholen oder ein Ausscheren nach links unter keinen Umständen möglich gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer ist nicht wegen eines technischen Defektes seines Fahrzeuges auf die Gegenfahrbahn geraten.
Unmittelbar danach ist er mit einem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen. Der entgegenkommenden Pkw hat versucht, nach rechts auszuweichen, wurde aber am linken hinteren Eck erfasst, wodurch das gesamte Rad samt Stoßdämpfer abgerissen wurde. Der entgegenkommende Pkw hat sich einmal um die eigene Achse gedreht und ist verkehrt zu seiner Fahrtrichtung auf der Straße stehen geblieben. Der Beschwerdeführer ist nach der Kollision geradeaus in die angrenzende Wiese gefahren, wo er stehen blieb.
5. Der Beschwerdeführer hätte erkennen können, dass er Gegenverkehr hatte und ein Befahren der Gegenfahrbahn oder ein Überholen nicht möglich war. Dennoch ist er auf die Gegenfahrbahn ausgeschert.
Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts
6. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer einen Pkw gelenkt hat, auf die Gegenfahrbahn geraten ist und mit einem entgegenkommenden Pkw kollidiert ist. Ebenso wurde nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer die Lenkberechtigung der Klassen AM und B besitzt und sich in der Probezeit befindet.
7. Strittig ist, aus welchem Grund der Beschwerdeführer auf die Gegenfahrbahn geraten ist. Die Bezirkshauptmannschaft ist der Auffassung, der Beschwerdeführer habe ein Überholmanöver durchgeführt und sei dabei mit einem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen. Der Beschwerdeführer hat angegeben, sein Fahrzeug sei aufgrund eines technischen Defektes nach links auf die Gegenfahrbahn geraten.
Es ist zwar richtig, dass der Beschwerdeführer und die Zeugen angegeben haben, sie hätten ein Geräusch gehört und das Fahrzeug hätte danach nach links gezogen. Die Schilderungen des Beschwerdeführers und der Zeugen über den Vorfall sind aber aus folgenden Gründen nicht stimmig:
? Der Beschwerdeführer war nach eigenen Angaben höchstens mit 50 km/h unterwegs und hat vor dem Zusammenstoß noch gebremst. Er muss also mit weniger als 50 km/h unterwegs gewesen sein. Der Unfallgegner war nach seinen Angaben in der polizeilichen Vernehmung am 23. Oktober 2021 mit ca. 40 km/h unterwegs.
Dennoch war der Zusammenprall so heftig, dass beim unfallgegnerischen Pkw das hintere Rad weggerissen wurde, dass sich dieser Pkw um die eigene Achse gedreht hat und der Pkw des Beschwerdeführers nicht sofort zum Stillstand gekommen ist, sondern noch in die angrenzende Wiese gefahren ist. Das spricht gegen die Angaben des Beschuldigten.
? Der Beschwerdeführer hat den Umstand, dass beim entgegenkommenden Fahrzeug das hintere Rad abgerissen wurde, damit erklärt, dass sein Reifen zwischen den Radlauf und den Reifen beim unfallgegnerischen Fahrzeug hineingeraten sei.
Das wäre nur dann möglich gewesen, wenn die Vorderräder beim Pkw des Beschwerdeführers „herausgestanden“ oder „eingeschlagen“ gewesen wären.
Auf den Lichtbildern, die von der Polizei nach dem Unfall angefertigt wurden, ist auch das Fahrzeug des Beschwerdeführers zu sehen. Auf diesen Lichtbildern ist nicht zu erkennen, dass die Vorderräder beim Fahrzeug des Beschuldigten „eingeschlagen“ sind (vgl. insbesondere die Lichtbilder Nr. 12 und Nr. 13 der Lichtbildbeilage vom 24. Oktober 2021).
Wären die Räder eingeschlagen gewesen, hätte der Pkw des Beschwerdeführers eine Kurve fahren müssen. Links eingeschlagene Räder könnten zwar das Ausscheren des Beschwerdeführers erklären. Danach wäre der Beschwerdeführer aber weiterhin eine Linkskurve gefahren. In diesem Fall hätte er nicht direkt auf das entgegenkommende Fahrzeug zufahren können, wie es der Unfallgegner vor der Polizei angegeben hat.
Ein technischer Defekt, der (auch) die Vorderräder „eingeschlagen“ hat, ist daher nicht plausibel.
? Der Zeuge K A hat angegeben, er habe lediglich gesehen, dass der Beschwerdeführer das Lenkrad „mittig“ gestellt und nicht weiter nach rechts gelenkt habe. Auch der Beschwerdeführer hat angegeben, die Position seines Lenkrades sei auf „Geradeausfahrt“ ausgerichtet gewesen.
Dieses Verhalten des Beschwerdeführers ist nicht nachvollziehbar. Von einem Fahrzeuglenker, der unbeabsichtigt nach links gerät, würde man erwarten, dass er (reflexartig) stark nach rechts lenkt, um wieder auf den rechten Fahrstreifen zu kommen oder um zu verhindern, noch weiter nach links zu geraten.
Es wird nicht übersehen, dass der Zeuge E D angegeben hat, dass der Beschwerdeführer versucht habe, nach rechts zu lenken, dass das Fahrzeug aber nicht reagiert hat habe; gleichzeitig konnte der Zeuge aber nicht angeben, wie weit nach rechts der Beschwerdeführer gelenkt hat.
Die Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugen sind nicht schlüssig. Das Landesverwaltungsgericht ist daher davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer nicht wegen eines technischen Defektes auf den linken Fahrstreifen geraten ist, sondern dass er seinen Pkw auf den linken Fahrstreifen gelenkt hat.
Dass der Zeuge K A, der Automechaniker ist, das Fahrzeug unmittelbar nach dem Unfall noch am Unfallort angeschaut und festgestellt hat, dass die Antriebswelle herausgegangen ist, die Gelenke und der Spurkopf „draußen“ waren, ändert nichts, zumal der Zeuge nicht ausschließen konnte, dass diese Schäden durch den Unfall entstanden sind. Auch seine Ausführungen, wonach die Achsen bei der Fahrzeugmarke des unfallgegnerischen Pkws nicht besonders stabil seien, sind in dieser Allgemeinheit nicht geeignet, um die Unfallfolgen trotz der relativ niedrigen Geschwindigkeiten zu erklären.
Warum der Beschwerdeführer auf die Gegenfahrbahn gefahren ist, kann verständlicherweise nicht mit Sicherheit festgestellt werden, weil der Beschwerdeführer und die Zeugen dazu keine Angaben gemacht haben. Es ist aber am wahrscheinlichsten, dass er versucht hat, einen vor ihm fahrenden Pkw trotz des Gegenverkehrs zu überholen.
8. Dass ein gefahrloses Überholen oder ein gefahrloses Befahren des linken Fahrstreifens aufgrund des Gegenverkehrs nicht möglich war, ergibt sich bereits aus den Angaben des Beschwerdeführers, der ausgesagt hat, das entgegenkommende Fahrzeug sei gleich vor ihm gewesen, als er auf die Gegenfahrbahn geraten sei. Der Gegenverkehr muss demnach so nah gewesen sein, dass ein Überholen oder Ausscheren auf die Gegenfahrbahn unter keinen Umständen möglich gewesen ist.
Unter diesen Umständen hätte der Beschwerdeführer auch erkennen müssen und erkennen können, dass er Gegenverkehr hat und ein Überholen oder ein Ausscheren nach links nicht möglich ist. Es sind keine Umstände hervorgekommen, die etwas Anderes nahelegen würden.
Maßgebliche Rechtsvorschriften
9. Das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2021, lautet auszugsweise wie folgt:
„Lenkberechtigung für Anfänger (Probeführerschein)
§ 4. […]
(3) […] Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem Führerscheinregister zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern, die Behörde hat die Herstellung eines neuen Führerscheines gemäß § 13 Abs. 6 in die Wege zu leiten.
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
(2) […]
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
[…]
3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere
a. erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h,
b. das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretungen mit technischen Messgeräten festgestellt wurden,
c. das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen
d. die Beteiligung an unerlaubten Straßenrennen oder
e. das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;
[…]
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
[…]
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. […].
[…]
(2) […].
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:
1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
1a. wegen einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung,
2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von vier Jahren oder
3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.
[…] Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. Wurde von einem Probeführerscheinbesitzer die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei dieser unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. […] Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen. […].
[…]
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. […]
(2a) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen, sofern nicht gemäß Abs. 2 eine längere Entziehungsdauer auszusprechen ist. Eine nach Ablauf von vier Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.
[…]“.
Rechtliche Beurteilung
10. Wenn der Besitzer einer Lenkberechtigung nicht mehr verkehrszuverlässig ist, dann muss ihm die Lenkberechtigung entzogen werden (vgl § 24 Abs 1 FSG). Der Besitzer einer Lenkberechtigung ist ua dann nicht mehr verkehrszuverlässig, wenn aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung anzunehmen ist, dass er wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird (vgl § 7 Abs 1 FSG).
Der Beschwerdeführer hat ein Kraftfahrzeug gelenkt und dabei mit besonderer Rücksichtslosigkeit und unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen, indem er trotz Gegenverkehr auf die Gegenfahrbahn gefahren ist, weil er einen anderen Pkw überholen wollte oder weil er aus einem anderen Grund das Rechtsfahrgebot nicht beachten wollte.
Wie die Feststellungen ergeben haben, war der Gegenverkehr so nah, dass ein gefahrloses Überholen (oder Ausscheren) praktisch ausgeschlossen war. Diese Umstände sind den im § 7 Abs 3 Z 3 lit c FSG „insbesondere“ anführten Fällen (Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen) vergleichbar, sodass eine solche Übertretung eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs 3 Z 3 FSG ist.
Der Gesetzgeber hat im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs 3 Z 3 FSG genannten Übertretung eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten angeordnet (vgl. § 26 Abs 2a FSG).
Die Behörde hat daher zu Recht eine Entziehungsdauer von sechs Monaten ausgesprochen.
11. Nach § 24 Abs 3 Z 1a FSG muss wegen einer im § 7 Abs 3 Z 3 FSG genannten Übertretung auch eine Nachschulung angeordnet werden. Die Nachschulung wurde daher zu Recht angeordnet. Im Falle einer Nachschulung verlängert sich auch die Probezeit um ein weiteres Jahr (vgl. § 4 Abs 3 FSG).
Sowohl die Entziehung der Lenkberechtigung auf die Dauer von sechs Monaten als auch die Anordnung der Nachschulung sind zu Recht erfolgt. Der Beschwerde konnte keine Folge gegeben werden.
Unzulässigkeit der Revision
12. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Führerscheinentzug, besonders gefährliche Verhältnisse, besondere Rücksichtslosigkeit, Überholen trotz GegenverkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2022:LVwG.411.22.2022.R11Zuletzt aktualisiert am
24.05.2022