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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E177 EGV Art177;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des K in S/Deutschland, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 12. Juni 1995, Zl. LGv-206/10-94, betreffend Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz als Grundverkehrsbehörde erster Instanz vom 18. November 1994 betreffend die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zu einem exekutiven Eigentumserwerb einer näher genannten Liegenschaft in Osttirol gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung führt die belangte Behörde unter anderem aus, Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens sei der exekutive Erwerb einer näher bezeichneten Liegenschaft im Ausmaß von 3.730 m2 samt darauf errichteten Objekten durch den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, nach Maßgabe des Zuschlages des Bezirksgerichtes Lienz vom 11. August 1994. Es stehe außer Streit, daß es sich bei dieser Liegenschaft um ein Baugrundstück im Sinne des § 2 Abs. 3 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (kurz: TGVG), LGBl. Nr. 82/1993, handle und der Rechtserwerber dem Personenkreis des § 2 Abs. 5 leg. cit. (Ausländer) zuzuordnen sei. Der Beschwerdeführer sehe das Recht auf Zustimmung für den Rechtserwerb vor allem in der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit (offenbar gemeint: aufgrund des EG-Vertrages) begründet. Der Erwerb eines Freizeitwohnsitzes sei von ihm ausdrücklich in Abrede gestellt worden.
Wegen des grundsätzlichen Verbotes des Erwerbs von Freizeitwohnungen nach dem TGVG sei kaum zu erwarten, daß bei der Anzeige eines Rechtserwerbes als beabsichtigter Verwendungszweck die Schaffung eines Freizeitwohnsitzes angegeben werde. Die Grundverkehrsbehörde habe daher zu prüfen, ob der geltend gemachte Verwendungszweck wirklich glaubhaft sei oder nicht doch die Absicht der Schaffung eines Freizeitwohnsitzes dahinter stecke. Dabei dürfe - wie im vorliegenden Fall - die Vorgabe einer aus Telefon und Faxgerät bestehenden Firmenausstattung "allzu augenscheinlich" sein. Der Beschwerdeführer sei vor dem Hintergrund seiner ins Treffen geführten unternehmerischen Tätigkeit aufgefordert worden, zu näher ausgeführten Fragen im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung am 24. Mai 1995 Stellung zu nehmen und die hiefür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Er sei zur Verhandlung nicht persönlich erschienen, sondern habe nur in einer näher dargestellten Art die Fragen der Behörde beantwortet. Aus diesen Angaben würden sich aber keine Anhaltspunkte über Umfang oder Größe, Tätigkeitsbereich, Struktur und Mitarbeiterstand des Einzelunternehmens des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich der vom Beschwerdeführer genannten E.-Gesellschaft m.b.H. ergeben. Zur zuletzt genannten Gesellschaft sei auch die genaue Betriebs- und Gesellschaftsform nicht dokumentiert. Auch sei ungeklärt geblieben, wie sowohl das Einzelunternehmen als auch die Gesellschaft m.b.H. in Hinkunft in Deutschland weitergeführt werden sollen. Es sei daher insgesamt nicht möglich, sich aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers ein Bild darüber zu machen, welche Tätigkeit in dem zu erwerbenden Wohnhaus beabsichtigt sei und warum gerade dieses überaus großzügige - und bisher als Freizeitwohnsitz genutzte - Wohngebäude für einen Betrieb geeignet sein solle.
Es sei dem Beschwerdeführer mit seinen globalen Ausführungen nicht gelungen, im Sinne des § 14 Abs. 1 TGVG glaubhaft zu machen, daß durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden solle, weshalb dieser dem Verbot des Erwerbs von Freizeitwohnsitzen im Sinne der genannten Bestimmung zuwiderlaufe. In weiterer Folge führt die belangte Behörde insbesondere noch näher aus, weshalb ihrer Ansicht nach weder die Niederlassungs-, noch die Kapitalverkehrsfreiheit nach dem EG-Vertrag im Falle des Beschwerdeführers zur Anwendung gelangen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht sowie die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 des EG-Vertrages an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angeregt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die belangte Behörde gehe zu Unrecht von der Annahme aus, daß es sich bei der gegenständlichen Liegenschaft um einen Freizeitwohnsitz im Sinne des § 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 81/1994, handle. Diese Annahme sei aktenwidrig, weil die belangte Behörde ihrer Entscheidung einen Bescheid zugrunde lege, den sie hiezu nicht heranziehen dürfe. Die entsprechende Anmeldung der Liegenschaft als Freizeitwohnsitz sei nicht durch den Beschwerdeführer, sondern durch seine Rechtsvorgängerin erfolgt. Diese habe eine entsprechende Anmeldung erst einige Monate nach dem durch das Gericht erfolgten Zuschlag der Liegenschaft an den Beschwerdeführer vorgenommen.
Damit räumt der Beschwerdeführer selbst ein, daß die Vorschrift des § 14 Abs. 2 TGVG (wonach unter bestimmten Voraussetzungen Abs. 1 nicht gilt) nicht zur Anwendung zu gelangen hat. Vielmehr ist er darauf zu verweisen, daß sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen darauf stützte, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, im Sinne des § 14 Abs. 1 TGVG glaubhaft zu machen, durch den beabsichtigten Rechtserwerb keinen Freizeitwohnsitz schaffen zu wollen.
Gemäß Art. 70 der sogenannten Beitrittsakte, die Bestandteil des EU-Beitrittsvertrages Österreichs sind (siehe BGBl. Nr. 45/1995), kann Österreich abweichend von den Verpflichtungen im Rahmen der die Europäische Union begründenden Verträge seine bestehenden Rechtsvorschriften betreffend Zweitwohnungen während eines Zeitraumens von fünf Jahren ab dem Beitritt beibehalten. Das TGVG ist gemäß § 41 leg. cit. - mit Ausnahme des § 3 leg. cit. - mit 1. Jänner 1994, § 3 dieses Gesetzes jedoch erst mit 1. Jänner 1996 in Kraft getreten.
Nach § 14 Abs. 1 TGVG ist die Genehmigung nach § 4 oder § 9 insbesondere auch dann zu versagen, wenn der Rechtserwerber nicht glaubhaft macht, daß durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.
§ 14 Abs. 1 leg. cit. findet sich im 5. Abschnitt des TGVG, der die Überschrift "Freizeitwohnsitze" trägt. Die Überschrift zu § 14 leg. cit. lautet: "Verbot des Erwerbs von Freizeitwohnsitzen, Ausnahmen". Sowohl aus dem Inhalt als auch aus der systematischen Stellung des § 14 Abs. 1 leg. cit. innerhalb des TGVG ist ersichtlich, daß das darin zum Ausdruck kommende Verbot des Erwerbs von Freizeitwohnsitzen eine "Rechtsvorschrift betreffend Zweitwohnungen" im Sinne des Art. 70 der Beitrittsakte darstellt, die im Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union, dem 1. Jänner 1995, in Geltung gewesen ist. Aufgrund der durch Art. 70 der Beitrittsakte zum Ausdruck kommenden umfassenden Ausnahme von ansonsten für Österreich bereits im Beitrittszeitpunkt in Kraft getretenen Verpflichtungen im Rahmen des Rechtsbestands der Europäischen Union kann § 14 Abs. 1 TGVG auch gegenüber EU-Bürgern innerhalb des fünfjährigen Übergangszeitraumes weiter angewendet werden. Dem steht auch nicht die erleichterte Anmeldungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 2 TGVG für österreichische Staatsbürger entgegen. Es kommt daher im Hinblick auf die genannte Ausnahmebestimmung für Österreich weder auf die von der belangten Behörde geprüften und vom Beschwerdeführer als rechtswidrig gerügten Fragen eines allfälligen Widerspruchs insbesondere zu den sogenannten Grundfreiheiten des EG-Vertrages an, noch war der im Zusammenhang mit der möglichen Verletzung der Grundfreiheiten vom Beschwerdeführer angeregten Vorlage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EG-Vertrag näher zu treten.
Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, daß das in § 14 Abs. 1 TGVG normierte Kriterium der Glaubhaftmachung nicht so verstanden werden könne, daß dadurch das Grundrecht der freien Erwerbsausübung und damit verbunden des Liegenschaftserwerbes ausgehöhlt werde. Nach Ansicht des Beschwerdeführers könne ex ante der "Beweis" darüber, daß ein Freizeitwohnsitz nicht geschaffen werde, niemals geführt werden. Es könne erst ex post festgestellt werden, ob tatsächlich ein derartiger Freizeitwohnsitz geschaffen worden sei oder nicht. Die Tatsache der Nichtschaffung eines Freizeitwohnsitzes könne nur behauptet und in diesem Sinne "glaubhaft" gemacht werden.
Der Beschwerdeführer übersieht dabei grundsätzlich, daß das von ihm genannte Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit gemäß Art. 6 Abs. 1 StGG ebenso wie das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG unter Gesetzesvorbehalt steht und mit diesem Vorbringen keine der Verfassung widersprechende Auslegung des § 14 Abs. 1 TGVG, insbesondere jedoch keine Verletzung von einfach gesetzlichen Rechten des Beschwerdeführers, dargelegt wird. Ferner ist ihm entgegenzuhalten, daß von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ein "Glaubhaftmachen" im Sinne von "Beweisen", sondern im Sinne von Überzeugen der Behörde von der WAHRSCHEINLICHKEIT, keinen Freizeitwohnsitz schaffen zu wollen, verlangt wurde. Das nachträglich vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21. November 1995 erstattete Vorbringen, er habe bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz eine "Gewerbeanmeldung für den Handel gemäß § 124 Z. 11 GewO" mit dem Standort auf der gegenständlichen Liegenschaft angemeldet und übe somit von diesem Standort dieses Gewerbe aus, stellt eine nach § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar. Da es dem Beschwerdeführer aufgrund der von der belangten Behörde schlüssig vorgenommenen Beweiswürdigung nicht gelungen ist, die Nichtschaffung eines Freizeitwohnsitzes glaubhaft zu machen, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war diese gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Glaubhaftmachen Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995020306.X00Im RIS seit
09.11.2001