TE Vfgh Beschluss 1994/6/14 B662/91, G236/91, G237/91

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Veröffentlicht am 14.06.1994
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GehG 1956 §10 Abs1 Z3
GehG 1956 §10 Abs4
GehG 1956 §12
BDG 1979 §75

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung des §10 Abs1 Z3, §10 Abs4 und §12 GehG 1956 sowie §75 BDG 1979. §75 BDG 1979 ist (erst) durch die Erlassung der einzelnen, im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Bescheide, mit denen dem Antragsteller ein Karenzurlaub für das Studium der Elektrotechnik gewährt (eine Verfügung iS des §75 Abs3 BDG 1979, daß die mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten, aber nicht getroffen) wurde, für den Antragsteller wirksam geworden. Auch §10 Abs1 Z3 GehG 1956 (betreffend die Hemmung der Vorrückung durch Antritt eines Karenzurlaubes) und die inhaltlich darauf bezogene Bestimmung des §10 Abs4 GehG 1956 erlangt für den Antragsteller erst durch einen darauf gestützten Bescheid Wirksamkeit. Soweit sich der Antrag auf §12 GehG 1956 bezieht, fehlt es an einer Darlegung der verfassungsrechtlichen Bedenken. Ablehnung der Behandlung der Beschwerde.

Spruch

I. Der Antrag wird zurückgewiesen.

II. 1. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

2. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung:

I. 1.a) Der Beschwerdeführer wurde mit 1. Juli 1972 zum Beamten der Dienstklasse II der Verwendungsgruppe B ernannt. Jeweils auf sein Ansuchen wurde ihm mit mehreren Bescheiden ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) iS des §44 Abs1 der Dienstpragmatik bzw. des §75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. 333, in der maßgeblichen Fassung, für das Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule (Technischen Universität Graz) sowie für weitere Studien im Gesamtausmaß von acht Jahren gewährt.

Mit Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Steiermark vom 19. Juli 1977 wurde für den Beschwerdeführer mit Wirkung vom 1. Juni 1977 der 18. August 1967 als (neuer) Vorrückungsstichtag festgestellt.

Nach dem Wiederantritt des Dienstes am 7. April 1981 und einer probeweisen Verwendung auf einem Arbeitsplatz des Höheren technischen Dienstes wurde der Beschwerdeführer mit 1. Mai 1982 auf eine Planstelle der Dienstklasse III der Verwendungsgruppe A ernannt.

Mit schriftlicher Erklärung vom 24. Oktober 1989 bewirkte der Beschwerdeführer iS des §240a BDG 1979 seine Überleitung in die Besoldungsgruppe der Beamten der Post- und Telegraphenverwaltung mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1990.

b) In der Folge stellte die Post- und Telegraphendirektion für Steiermark mit Bescheid vom 16. Dezember 1989 unter Berufung auf §95 iVm §82i des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. 54 (im folgenden: GG 1956), in der maßgeblichen Fassung, die dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1990 gebührende besoldungsrechtliche Stellung fest, wobei sie in der Begründung des Bescheides davon ausging, daß die Zeit des Karenzurlaubes gemäß §10 Abs4 (iVm Abs1 Z3) GG 1956 mit dem Tag des Wiederantrittes des Dienstes (lediglich) zur Hälfte (also im Ausmaß von vier Jahren) für die Vorrückung wirksam wurde.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung beantragte der Beschwerdeführer die Neufeststellung seiner besoldungsrechtlichen Stellung und seines Vorrückungsstichtages.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr wies den Antrag auf Neufeststellung der besoldungsrechtlichen Stellung unter Berufung auf §§95 und 82e GG 1956, idF des Bundesgesetzes BGBl. 22/1991, ab (Spruchpunkt 1.), den Antrag auf Neufeststellung des Vorrückungsstichtages unter Berufung auf §68 Abs1 AVG zurück (Spruchpunkt 2.).

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch Anwendung gegen dieses Grundrecht verstoßender gesetzlicher Bestimmungen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Der Beschwerdeführer erachtet in diesem Zusammenhang §10 Abs3 Z3 GG 1956 und §75 BDG 1979 - kurz zusammengefaßt - aus folgenden Gründen für verfassungswidrig: Gemäß §12 Abs1 Z4 ff. GG 1956 seien verschiedene Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten zur Gänze als Vordienstzeiten anrechenbar. Insbesondere gelte dies nach §12 Abs1 Z8 GG 1956 ua. für die Zeit eines abgeschlossenen Studiums an einer Universität (Wissenschaftlichen Hochschule), das für den Beamten Ernennungserfordernis gewesen ist. Überdies könnten gemäß §12 Abs1 GG 1956 ua. nicht zur Gänze anrechenbare Zeiten, in denen der Beamte ein Studium betrieben hat, insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Im Fall des Beschwerdeführers seien nun die Studienzeiten nur deshalb, weil sie nicht der Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses vorangegangen, sondern während der Zeit eines Karenzurlaubes nach §75 BDG 1979 absolviert worden seien, nicht zur Gänze, sondern lediglich zur Hälfte angerechnet worden, was eine - durch §10 Abs1 Z3 GG 1956 und durch §75 BDG 1979 bewirkte - gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Schlechterstellung des Beschwerdeführers bedeute. Nach §10 Abs1 Z3 GG 1956 werde durch den Antritt eines Karenzurlaubes die Vorrückung gehemmt, soweit nicht ua. gemäß §75 BDG 1979 etwas anderes verfügt wurde. Daraus ergebe sich, daß über die Anrechenbarkeit der Zeit eines Karenzurlaubes jeweils schon bei dessen Gewährung endgültig entschieden werden müsse und für eine neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung später eingetretener Umstände kein Raum bleibe.

Gegen den einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückweisenden und somit einen rein verfahrensrechtlichen Abspruch darstellenden Spruchpunkt 2. des - zur Gänze angefochtenen - Bescheides werden in der Beschwerde keine Argumente vorgetragen.

3. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

II. 1. Mit dem gleichzeitig gestellten, auf Art140

(Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten (Individual-)Antrag wird begehrt, §10 Abs1 Z3 und Abs4 sowie §12 GG 1956, ferner §75 BDG 1979 als verfassungswidrig aufzuheben.

a) Die Legitimation zur Antragstellung wird der Sache nach damit begründet, es würde unter der Annahme, daß der angefochtene Bescheid nicht (auch) über das Ausmaß der Berücksichtigung der Zeit des Karenzurlaubes abspreche, die in der Beschwerde gerügte, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Schlechterstellung des Antragstellers unmittelbar durch die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen bewirkt. Zu §12 GG 1956 wird in diesem Zusammenhang angeführt, daß er "aus Vorsichtsgründen" angefochten werde.

b) Der Antragsteller bringt über die in den Beschwerdeausführungen dargelegten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §75 BDG 1979 hinaus vor, daß diese Vorschrift auch deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil sie im Unterschied insbesondere zur Regelung des §12 Abs2 Z8 GG 1956 - wonach unter den dort umschriebenen Voraussetzungen die volle Anrechnung der Zeit eines abgeschlossenen Studiums an einer Universität (Wissenschaftlichen Hochschule) bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages zwingend vorgeschrieben ist - keinen Rechtsanspruch auf volle Berücksichtigung der Zeit eines Karenzurlaubes normiere.

2. Die Bundesregierung hat in einer Äußerung die Legitimation des Antragsstellers bestritten, die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen gesetzlichen Bestimmungen verteidigt und abschließend begehrt, den (Individual-)Antrag zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Über die Zulässigkeit des (Individual-)Antrages:

1. Ein gemäß Art140 Abs1 dritter Satz B-VG gestellter Antrag einer Person auf Aufhebung eines Gesetzes ist nur dann zulässig, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des §75 Abs1 bis 3 BDG 1979 haben folgenden Wortlaut:

"Karenzurlaub

§75.(1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten."

§10 Abs1 GG 1956 hat - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

"(1). Die Vorrückung wird gehemmt

....

3. durch Antritt eines Karenzurlaubes, soweit nicht gemäß §75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, oder gemäß §75 des Richterdienstgesetzes, BGBl. Nr. 305/1961, etwas anderes verfügt wurde; ....

....

(4) Der im Abs1 Z3 angeführte Hemmungszeitraum wird mit dem Tag des Wiederantrittes des Dienstes zur Hälfte für die Vorrückung wirksam."

§12 GG 1956 enthält nähere Bestimmungen über die Ermittlung und Feststellung des Vorrückungsstichtages.

3.a) Im vorliegenden Fall ist §75 BDG 1979 (erst) durch die Erlassung der einzelnen, im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Bescheide, mit denen dem Antragsteller ein Karenzurlaub gewährt (eine Verfügung iS des §75 Abs3 BDG 1979, daß die mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten, aber nicht getroffen) wurde, für den Antragsteller wirksam geworden.

b) Auch die Bestimmung des §10 Abs1 Z3 GG 1956 (soweit sie auf den Antragsteller Anwendung findet) und die inhaltlich darauf bezogene Bestimmung des §10 Abs4 GG 1956 erlangt für den Antragsteller erst durch einen darauf gestützten Bescheid Wirksamkeit (s. dazu §12 Abs1 litb iVm Abs4 Z2 und Abs9 GG 1956; vgl. in diesem Zusammenhang etwa den Bescheid des (damaligen) Bundesministers für Verkehr vom 13. Mai 1981, mit dem von der Zeit des Karenzurlaubes der Zeitraum vom 17. Jänner 1973 bis 16. Jänner 1975 zur Hälfte für die Vorrückung in höhere Bezüge angerechnet wurde; s. ferner den (erstinstanzlichen) Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Steiermark vom 16. Dezember 1989, mit der die besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers ua. "unter Berücksichtigung der für die Vorrückung nicht anrechenbaren Zeit" festgestellt wurde).

c) Der (Individual-)Antrag ist daher, soweit er sich auf §75 BDG 1979 sowie auf §10 Abs1 Z3 und Abs4 GG 1956 bezieht, als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden brauchte, ob seiner meritorischen Erledigung insoweit noch andere Hindernisse entgegenstehen (vgl. etwa VfSlg. 11049/1986).

4. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VerfGG hat ein Antrag nach Art140 B-VG die gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Anträge, die diesem Formerfordernis nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 11610/1988, 11969/1989, 13034/1992 mwH) nicht (iS des §18 VerfGG) verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen.

Soweit sich der vorliegende (Individual-)Antrag auf §12 GG 1956 bezieht, fehlt es an einer Darlegung der nach Ansicht des Antragstellers gegen diese Bestimmung sprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Antragsteller äußert vielmehr selbst die Auffassung, daß die von ihm geltend gemachte Verfassungswidrigkeit nicht dem §12 GG 1956 anhafte (S. 11 des Schriftsatzes); er erwähnt im übrigen, daß diese Bestimmung (nur) "aus Vorsichtsgründen" angefochten werde (S. 13 des Schriftsatzes).

Der (Individual-)Antrag war daher, soweit er sich auf §12 GG 1956 bezieht, schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

5. Die Zurückweisung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litc und e VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

B. Über die Beschwerde:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und es sich nicht um einen Fall handelt, der von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist (Art144 Abs2 B-VG).

Die Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen Anwendung von nach Ansicht des Beschwerdeführers gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden gesetzlichen Bestimmungen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitsgrundsatz, insbesondere zur Zulässigkeit unterschiedlicher Regelungen, die durch entsprechende Unterschiede im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden können (vgl. etwa VfSlg. 7275/1974, S. 113; 8938/1980, S. 220), läßt das Beschwerdevorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Dienstrecht, Karenzurlaub, Vorrückung (Dienstrecht)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B662.1991

Dokumentnummer

JFT_10059386_91B00662_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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