RS Vfgh 2022/2/28 E1904/2021 ua

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §34, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie von Staatsangehörigen Armeniens; mangelnde Auseinandersetzung mit der Verfügbarkeit von Medikamenten zur Behandlung der Krankheit eines Familienmitgliedes, bestehenden Einfuhrbeschränkungen sowie der mangelnden staatlichen Registrierung und damit des Umlaufes eines Medikamentes

Rechtssatz

Soweit das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gestützt auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation davon ausgeht, dass ein Import des für die Behandlung der Krankheit (Multiple Sklerose) des Erstbeschwerdeführers erforderliche Medikament Betaferon aus dem Ausland möglich wäre, unterlässt es eine Auseinandersetzung mit den Einfuhrbeschränkungen von Medikamenten zum persönlichen Bedarf auf fünf bzw zehn Arzneimittel, je drei Packungen, einmal im Kalenderjahr. Ob damit der regelmäßige und notwendige Bedarf des Erstbeschwerdeführers sichergestellt ist, um ein Absetzen oder eine Unterbrechung der Therapie zu verhindern, das bzw die zu einer Verschlechterung der Erkrankung führen würde, kann der Entscheidung nicht entnommen werden. Der Hinweis auf den Onlinehandel vermag vor diesem Hintergrund nicht auszureichen.

Vor dem Hintergrund des Akteninhaltes und der vom BVwG selbst getroffenen Feststellungen, ist es für den VfGH nicht nachvollziehbar, wie das BVwG zu dem Ergebnis kommt, dass "im Lichte der Berichtslage kein Hinweis [besteht], dass die bP vom Zugang zu medizinischer Versorgung in Armenien ausgeschlossen wären und [...] auch keine Hinweise [bestehen], dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären".

Zudem fehlt eine Auseinandersetzung mit dem vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Schreiben des Ministeriums für Gesundheitswesen der Republik Armenien, aus dem hervorgeht, dass das Medikament Betaferon in der Republik Armenien nicht registriert sei und daher als ein Medikament ohne staatliche Registrierung nicht in Umlauf gebracht werden könne. Die Behandlung der Krankheit werde in der Republik Armenien mit dem Medikament Betaferon im Rahmen der staatlichen Bestellung nicht durchgeführt.

Außerdem stellt das BVwG fest, dass der Erstbeschwerdeführer in Österreich mit dem Medikament Betaferon mit dem Wirkstoff Interferon beta-1b und Sirdalud behandelt werde. Entgegen dem Akteninhalt stellt es jedoch weder fest, noch prüft es die Verfügbarkeit der weiteren Medikamente, mit denen der Erstbeschwerdeführer behandelt wird, obwohl der Erstbeschwerdeführer diese, wie vom BVwG im Rahmen einer Stellungnahmemöglichkeit verlangt, in Form einer Medikamentenliste bekannt gegeben hat.

Entscheidungstexte

  • E1904/2021 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 28.02.2022 E1904/2021 ua

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E1904.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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