TE Vwgh Erkenntnis 1965/11/23 0948/65

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Veröffentlicht am 23.11.1965
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Index

StVO
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §5 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Chamrath, und die Hofräte Dr. Kaniak, Dr. Naderer, Dr. Schmelz und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des MU in W, vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in Wien IX, Währingerstraße 6-8, gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung - im selbständigen Wirkungsbereiche des Landes vom 23. April 1965, Zl. M.Abt. 70-IX/U/3/25/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien - Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt hatte auf Grund einer Anzeige des Wachzimmers: 22, Stadlau am Bahnhof 3 gegen den Beschwerdeführer ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und ihn, nachdem er die ihm gebotene Gelegenheit, sich zu rechtfertigen und zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen, wahrgenommen hatte, mit dem Straferkenntnis vom 5. Jänner 1965 schuldig erkannt, am 3. November 1964 gegen 23.30 Uhr in Wien 22,

1.) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versucht zu haben den 2.) mit den rechten Rädern auf dem Gehsteig vor dem Hause Langobardenstraße Nr. 9 abgestellten Personenkraftwagen W nnn - die Benützung von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art sei verboten - in Betrieb zu nehmen, und dadurch Verwaltungsübertretungen nach ad 1.) § 7 VStG zu § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, (StVO) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO und § 99 Abs. 5 StVO und ad 2.) § 99 Abs. 3 lit. a StVO in Verbindung mit § 8 Abs. 4 StVO begangen zu haben. Gemäß § 99 Abs. 1 und 3 StVO verhängte sie gegen den Beschwerdeführer Geldstrafen von ad 1.) S 5.000,-- ad 2.) S 200,-- (Ersatzarreststrafen sieben Tage und zwölf Stunden).

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung, gab das Amt der Wiener Landesregierung - im selbständigen Wirkungsbereiche des Landes mit dem angefochtenen Bescheid mit der Richtigstellung keine Folge, das der erste Absatz des Spruches wie folgt zu lauten habe:

„Der Beschuldigte MU hat am 3. November 1964 gegen 23.30 Uhr in Wien 22., Langobardengasse Nr. 9

1) den PKW W nnn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb genommen und 2.) den PKW W nnn mit den rechten Rädern auf dem Gehsteig abgestellt. Er hat dadurch Verwaltungsübertretungen nach ad 1.) § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO., ad 2.) § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 8 Abs. 4 StVO begangen.“

Weiters wurde die ad 2.) ausgesprochene Ersatzarreststrafe auf sechs Stunden herabgesetzt.

In der Begründung führte die belangte Behörde zur Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO aus, durch die auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung erstattete Anzeige im Zusammenhalt mit dem polizeiärztlichen Gutachten und dem durch das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien ermittelten Blutalkoholwert von 2,1 %o, bezogen auf den Zeitpunkt der Blutabnahme, sei erwiesen, daß der Beschwerdeführer am Tatort zur Tatzeit den Personenkraftwagen W nnn in alkoholisiertem Zustand in Betrieb genommen habe. Im Gegensatz zur Ansicht der Erstbehörde sei die Berufungsbehörde zur Überzeugung gelangt, daß der angelastete Tatbestand nicht als versuchte Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges zu werten sei, sondern auf Grund der Umstände des Falles bereits die vollendete Tat darstelle. In rechtlicher Hinsicht sei nämlich festzustellen, daß unter der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges die Vernahme jener Verrichtungen zu verstehen sei, die geeignet seien, ein Kraftfahrzeug in Betrieb zu setzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sei ein Kraftfahrzeug bereits dann in Betrieb genommen, wenn der Motor laufe und aus den Umständen des Falles geschlossen werden könne, daß das Starten des Motors im Hinblick auf das Wegfahren erfolgt sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers, die vom Meldungsleger, der auf Grund seines Diensteides einer besonderen Wahrheitspflicht unterliege, in seinem Bericht ausführlich geschildert worden sei, eindeutig, daß nicht mehr der Versuch einer vorsätzlichen Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges, sondern im Hinblick auf die Vollendung der Vorbereitungshandlungen die Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges anzulasten gewesen wäre, sodaß von der Berufungsbehörde nunmehr unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG die vollendete Tat der Bestrafung zugrunde gelegt worden sei. Im vorerwähnten Bericht werde wörtlich folgendes ausgeführt:

„Als ich um 23.30 Uhr die Stadlauerstraße, Richtung Genoch-Platz, routinemäßig beging, bemerkte ich, an der Kreuzung stehend, U in ca. 25 m Entfernung, als er über die Fahrbahn der Langobardenstraße zu seinem mit den beiden rechten Rädern auf dem Gehsteig abgestellten Personenkraftwagen ging. U taumelte zu seinem Fahrzeug und sperrte mit der rechten Hand mittels Schlüssel die linke Wagentüre auf uns setzte sich sogleich auf den Lenkersitz. Ich begab mich sofort zu dem Fahrzeug, um U womöglich durch Zuspruch von einer Inbetriebnahme abzuhalten. Als ich mich noch ca. 5 Meter von dem Fahrzeug befand, sprang der Motor des PKW an. Um unter allen Umständen ein Wegfahren des sichtlich alkoholisierten Lenkers zu verhindern, sprang ich rasch noch vor dem Einlegen des 1. Geschwindigkeitsganges hinzu, öffnete die lenkerseitige Türe des PKWs und zog den Zündschlüssel aus dem Zündschloß. Der Motor war bis zu diesem Zeitpunkt mit Standgas niedertourig gelaufen.“

Da vom Beschwerdeführer in seiner Berufung eingestanden worden sei, daß der Motor des Personenkraftwagens bereits auf Standgas gelaufen sei und die klaren und bestimmten Ausführungen des Meldungslegers keinen Zweifel darüber ließen, daß der Beschwerdeführer auch beabsichtigt habe, wegzufahren, sei die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung im Sinne der vorgenommenen Richtigstellung einwandfrei erwiesen. Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG sei die Berufungsbehörde unter Beobachtung des neuerlich geprüften maßgebenden Sachverhaltes berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauungen an die Stelle derjenigen der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuändern. Da der Gegenstand der Vernehmung und damit der Beschuldigung dem Beschwerdeführer gegenüber die Anzeige des Wachzimmers der Bundespolizeidirektion Wien gewesen sei und diese dem Beschwerdeführer auch vorgehalten worden sei, habe die Berufungsbehörde unter Bedachtnahme auf das richtungsweisende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Oktober 1960, Zl. 163/59 und 790/59, die dem Beschwerdeführer angelastete Tat ohne weiters rechtlich anders subsumieren dürfen. Aus diesem Grunde habe auch der Spruch entsprechend der nunmehr als erwiesen angenommenen Begehungsart der Tat richtiggestellt werden müssen.

Von der Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Verwaltungsübertretung „nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO in Verbindung mit § 8 Abs. 4 leg. cit.“ kann der Verwaltungsgerichtshof absehen, weil der Beschwerdeführer nur seine Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO, anficht.

Zur Begründung der Vorliegenden Beschwerde wird ausgeführt, die Berufungsbehörde sei der Überzeugung, daß der vorliegende Sachverhalt nicht als versuchte Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges zu werten sei, sondern bereits die vollendete Tat darstelle. Jedoch stehe der Schluß aus dem Bericht des Meldungslegers mit den Denkgesetzen nicht im Einklang. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer den Motor des in Rede stehenden Personenkraftwagens nicht gestartet gehabt habe, habe der Meldungsleger deponiert, daß er noch vor dem Einlegen des ersten Geschwindigkeitsganges zum Fahrzeug gesprungen sei, die lenkerseitige Tür geöffnet und den Zündschlüssel aus dem Zündschloß abgezogen habe. Abgesehen davon, daß die Vermutung, es habe die Absicht bestanden wegzufahren, durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckt sei, könne von einer Inbetriebnahme nicht die Rede sein. Von einer vollendeten Inbetriebnahme könne erst dann gesprochen werden, wenn alle diejenigen Verrichtungen vorgenommen worden seien, die geeignet seien, ein Fahrzeug in Gang zu setzen, d. h. also, wenn der Motor gestartet, die Handbremse gelöst, der Gang eingelegt und die Kupplung losgelassen worden sei. Sei dagegen lediglich der Motor gestartet worden, so könne höchsten von einer versuchten Inbetriebnahme gesprochen werden. Die Rechtsansicht der Berufungsbehörde, es habe vorliegendenfalls eine vollendete Inbetriebnahme vorgelegen, sei daher sogar dann unrichtig, wenn die Absicht wegzufahren, bestanden hätte. Dem Beschwerdeführer müsse daher die Rechtswohltat des § 99 Abs. 5 zweiter Satz StVO zugute kommen. Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß die Anzeige ausdrücklich wegen versuchter Inbetriebnahme erstattet worden sei. Jedenfalls aber habe die belangte Behörde die Vorschrift des Parteiengehörs verletzt, als sie den Beschwerdeführer einer vollendeten Inbetriebnahme. schuldig erkannte, ohne ihm vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben zu haben. Dadurch sei die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, die auch inhaltliche Rechtswidrigkeit nach sich ziehe, aufgezeigt.

Die Beschwerde ist aus nachstehenden Erwägungen nicht begründet:

Soweit die Beschwerde die geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die Behauptung der Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren ohne nähere Angabe der angeblich mißachteten Gesetzesstellen zu begründen versucht, kann eine Verletzung des von der Gewährung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren handelnden § 65 AVG, der zufolge § 24 VStG auch im Strafverfahren anzuwenden ist, nicht eingetreten sein, weil Berufungsgegner nicht vorhanden sind, denen von den in der Berufung vorgebrachten neuen Tatsachen oder Beweisen Mitteilung zu machen gewesen wäre. Aber auch eine Verletzung des gleichfalls im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 45 Abs. 3 AVG kann nicht eingetreten sein, weil die belangte Behörde keine Beweise aufnahm, sie somit auch dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zu geben hatte, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Über den § 56 AVG, der gemäß § 67 AVG auch für die Bescheide der Berufungsbehörde gilt, kann nur eine Verletzung des zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 37 AVG in Frage kommen, wonach es der Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Abgesehen davon, daß es im vorliegenden Falle zweifelhaft sein könnte, ob in der Berufungsinstanz ein Ermittlungsverfahren stattgefunden hat, weil die belangte Behörde lediglich auf Grund der schon der Strafbehörde vorliegenden Beweismittel den Sachverhalt feststellte, ist nicht einzusehen, inwiefern der Beschwerdeführer in der Geltendmachung eines Rechtes oder eines rechtlichen Interesses beschränkt gewesen sein soll, weil ihm die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht fragte, Was er dazu zu sagen hätte, wenn sie den Sachverhalt nicht als Versuch, sondern als Vollendung der ihm zur Last gelegten Tat werten werde.

Soweit das übrige Vorbringen der Beschwerde darin zu verstehen sein sollte, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid bei der Feststellung des Sachverhaltes mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, vermögen die Ausführungen eine solche Rechtswidrigkeit nicht aufzudecken, weil die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenfaßte. Die für die nachfolgende rechtliche Wertung maßgebende Feststellung, daß der Motor des Personenkraftwagens bereits auf Standgas lief, gründete sie auf die Angabe des Meldungslegers und auf das Geständnis des Beschwerdeführers. Damit genügte sie den auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmungen des § 45 Abs. 2 und des § 60 AVG.

Da die Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO, entgegen der anderslautenden Behauptung des Beschwerdeführers, schon mit der Ingangsetzung des Verbrennungsmotors vollendet ist, (vgl. das erst jüngst ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1965, Zl. 851/65, und die dort genannten Erkenntnisse, auf deren Entscheidungsgründe unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird) kann auch von einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes keine Rede sein. Soweit aber das der Geltendmachung der Rechtswidrigkeit des Inhaltes zuzuordnende Vorbringen in der Begründung der Beschwerde davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer den Motor des in Rede stehenden Personenkraftwagens nicht gestartet hatte, wird die behauptete materielle Rechtswidrigkeit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Da eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht festgestellt werden kann, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 23. November 1965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1965:1965000948.X00

Im RIS seit

20.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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