TE Vwgh Beschluss 2022/4/19 Ro 2020/15/0006

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Veröffentlicht am 19.04.2022
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Index

E1E
E1N
E3L E09301000
10/07 Verwaltungsgerichtshof
16/02 Rundfunk
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

AVG §38
ORF-G 2001 §31
VwGG §62 Abs1
11994NN15/09 EU-Beitrittsvertrag Nr 2 Buchstabe h
11994N151 EU-Beitrittsvertrag Akte Art151 Abs1
12010E267 AEUV Art267
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art2
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art378 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der M Z in W, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2019, Zl. W194 2221051-1/6E, betreffend ORF-Programmentgelt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: GIS Gebühren Info Service GmbH; mitbeteiligte Partei: Österreichischer Rundfunk in 1136 Wien, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2022, Ro 2020/15/0021, vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

1        Die Revisionswerberin ist am Standort W bei der GIS Gebühren Info Service GmbH (GIS) als Rundfunkteilnehmerin registriert. Der Standort wird digital terrestrisch mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks (ORF) versorgt. Ein Empfang mittels Zimmerantenne ist möglich. Im Zeitraum 1. Oktober 2013 bis 31. Oktober 2018 hat die Revisionswerberin Umsatzsteuer auf das ORF-Programmentgelt entrichtet.

2        Am 23. Oktober 2018 beantragte die Revisionswerberin, die GIS möge mit Bescheid festlegen, dass die „seit 1.10.2013 bis 31.10.2018 unionsrechtswidrig bezahlte Umsatzsteuer auf das Programmentgelt von insgesamt 100,57 Euro“ rückerstattet werde. Die Revisionswerberin begründete ihre Anträge im Wesentlichen damit, dass sie Mehrwertsteuer für eine Dienstleistung bzw. für Leistungen des ORF bezahlt habe, die unionsrechtlich nicht der Mehrwertsteuer unterliegen würden, und verwies dazu auf die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) sowie das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 22. Juni 2016 in der Rechtssache C-11/15, Cesky rozhlas.

3        In dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis behandelte das Bundesverwaltungsgericht - wie schon zuvor die GIS - die vom ORF erbrachten Rundfunkdienstleistungen als „gegen Entgelt“ erbrachte Dienstleistungen, die einen steuerbaren Umsatz bewirken. Das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 22. Juni 2016 in der Rechtssache C-11/15, Cesky rozhlas, sei aus näher dargelegten Gründen auf Österreich nicht übertragbar. Darüber hinaus werde in der Beitrittsakte festgehalten, dass bei der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 lit. a der Sechsten Richtlinie 77/88/EWG die Republik Österreich die in Anhang E Nummer 7 angeführten Umsätze besteuern könne. Eine vergleichbare Ausnahmeregelung sei in die nunmehr aktuelle MwStSystRL (Art. 378 Abs. 1) aufgenommen worden.

4        In der dagegen erhobenen Revision wird insbesondere geltend gemacht, die Revisionswerberin habe keine SAT-Karte erworben bzw. aktiviert und es bestehe weder ein freiwillig eingegangenes Rechtsverhältnis der Revisionswerberin zum ORF noch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Leistungen des ORF könnten zudem genutzt werden, ohne dass dies eine Verpflichtung zur Zahlung auslöse, dies gelte insbesondere für Autoradios oder für den Empfang von ORF-Programmen im grenznahen Ausland oder über das Internet. Die Verpflichtung zur Zahlung des Programmentgelts bestehe auch dann, wenn diese ORF-Programme mangels Anschaffung eines Empfangsmoduls gar nicht empfangen werden könnten. Die Beitrittsakte ändere nichts an dem fehlenden Leistungsaustausch.

5        Mit Beschluss vom 16. März 2022, Ro 2020/15/0021, EU 2022/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist ein Entgelt wie das österreichische ORF-Programmentgelt, das die öffentliche Rundfunkanstalt selber festsetzt, um ihren Betrieb zu finanzieren, unter Berücksichtigung der primärrechtlichen Bestimmung des Art. 151 Abs. 1 iVm Anhang XV Teil IX Nr. 2 Buchstabe h Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich der Akte über die Beitrittsbedingungen und die Anpassungen der die Union begründenden Verträge (Abl. C 241 vom 29. August 1994, S 336) als Entgelt iSd Art. 2 in Verbindung mit Art. 378 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem anzusehen?

2) Ist bei Bejahung der Frage 1 das dort genannte ORF-Programmentgelt auch insoweit als Entgelt iSd Richtlinie 2006/112/EG anzusehen, als Personen zu deren Entrichtung verpflichtet sind, die zwar ein Rundfunkempfangsgerät in einem Gebäude betreiben, das vom ORF mit seinen Programmen terrestrisch versorgt wird, diese Programme des ORF aber mangels eines erforderlichen Empfangsmoduls nicht empfangen können?

6        Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu.

7        Es liegen daher die Voraussetzungen des nach § 62 Abs. 1 VwGG auch für den Verwaltungsgerichtshof einschlägigen § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war.

Wien, am 19. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020150006.J00

Im RIS seit

20.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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