Index
E000 EU- Recht allgemeinNorm
ASVG §111Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Finanzamtes Salzburg-Land (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Salzburg-Land) in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 16. November 2020, 405-7/910/1/11-2020, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung; mitbeteiligte Partei: C M M in O),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Der Antrag der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung auf Entscheidung in der Sache, in eventu Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 3. März 2020 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Mitbeteiligte schuldig, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der I GmbH zu verantworten, dass die I GmbH als Dienstgeberin sechs näher bezeichnete Dienstnehmer, die zumindest der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterlegen seien, in näher bezeichneten Zeiträumen ab dem 1. September 2019 beschäftigt habe, ohne diese Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Sie habe hierdurch sechs Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 und 2 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG begangen und werde hierfür gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG (iVm. § 9 VStG) mit sechs Geldstrafen, nämlich zwei Geldstrafen von je € 1.000 (Ersatzfreiheitsstrafen von je 156 Stunden) und vier Geldstrafen von je € 730 (Ersatzfreiheitsstrafen von je 108 Stunden), bestraft. Weiters wurde die Mitbeteiligte gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens von € 492 verpflichtet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde der Mitbeteiligten hinsichtlich der Schuld als unbegründet ab. Hinsichtlich der Strafe gab es der Beschwerde Folge und sprach aus, dass anstelle der sechs verhängten Strafen eine einzige Geldstrafe in Höhe von € 1.500 trete. Die der Mitbeteiligten auferlegten Kosten des behördlichen Strafverfahrens würden gemäß § 64 Abs. 2 VStG auf € 150 reduziert. Für das Beschwerdeverfahren fielen gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten an. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, bei einer Kontrolle der Finanzpolizei am 30. September 2019 seien im Betrieb der I GmbH sechs Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer betreten worden, hinsichtlich derer vor ihrem Arbeitsantritt keine Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger erfolgt sei. Einzige Geschäftsführerin der I GmbH sei die Mitbeteiligte.
4 In rechtlicher Hinsicht sei der Schuldspruch zu bestätigen. Hinsichtlich der Strafe sei jedoch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C-64/18 u.a, zu beachten. In Anknüpfung an dieses Urteil habe der Verwaltungsgerichtshof (Hinweis auf VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033 und 0034) ausgesprochen, dass im Fall der Nichtbereithaltung bzw. -stellung von Lohnunterlagen - auch wenn es sich um Lohnunterlagen mehrerer Arbeitnehmer handle - nur mehr eine Geldstrafe bis zum gesetzlich vorgesehenen Höchstmaß zu verhängen sei und eine Ersatzfreiheitsstrafe zu entfallen habe. Diese Rechtsprechung sei auf die Verhängung von Strafen wegen der Beschäftigung von Dienstnehmern ohne vorherige Anmeldung zur Sozialversicherung zu übertragen. Es sei somit nur eine Geldstrafe zu verhängen gewesen, wobei in Hinblick auf die Beschäftigung von sechs Dienstnehmern die Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens des § 111 Abs. 2 ASVG anzusetzen gewesen sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes Salzburg-Land (nunmehr Finanzamt Österreich). Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung mit einem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz vom 16. Februar 2021 beantragt, der Revision Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zum Schuldspruch:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Liegen - wie hier hinsichtlich der Aussprüche über die Schuld und die Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2020/17/0003, mwN).
11 Die Revision wendet sich in der Anfechtungserklärung gegen das angefochtene Erkenntnis in seiner Gesamtheit und begehrt dessen Aufhebung „seinem gesamten Inhalt und Umfang nach“. Hinsichtlich des Ausspruchs über die Schuld wird jedoch kein Vorbringen erstattet.
12 Da somit hinsichtlich des Ausspruchs über die Schuld keine Rechtsfrage aufgeworfen wird, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Revision insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Zum Ausspruch über die Strafe und die Kosten des Verfahrens:
13 Hinsichtlich des Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des Verfahrens wird zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst geltend gemacht, es entspreche der (näher dargestellten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine gesondert zu verfolgende Verwaltungsübertretung im Sinn des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG darstelle und daher für jede dieser Verwaltungsübertretungen eine Strafe zu verhängen sei. Davon sei das Verwaltungsgericht abgewichen. Die zu Art. 56 AEUV ergangene Judikatur des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofs, auf die das Verwaltungsgericht sich stütze, sei auf reine Inlandssachverhalte - wie vorliegend - nicht anwendbar.
14 Die Revision ist aus dem aufgezeigten Grund hinsichtlich der Aussprüche über die Strafe und die Verfahrenskosten zulässig. Sie ist auch berechtigt.
15 Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG besteht diese Anmeldepflicht auch in Bezug auf die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG Pflichtversicherten.
16 Nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG handelt ordnungswidrig und ist gemäß Abs. 2 leg. cit. zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes (unter anderem) Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Gemäß § 111 Abs. 2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 leg. cit. von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von € 730 bis zu € 2.180, im Wiederholungsfall von € 2.180 bis zu € 5.000 bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 VStG kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf € 365 herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
17 Nach Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
18 Gemäß Art. 57 AEUV sind Dienstleistungen im Sinn der Verträge Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere a) gewerbliche Tätigkeiten, b) kaufmännische Tätigkeiten, c) handwerkliche Tätigkeiten und d) freiberufliche Tätigkeiten. Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.
19 Nach Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) darf das Strafmaß gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.
20 Nach Art. 20 der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems (Richtlinie 2014/67/EU) legen die Mitgliedstaaten Vorschriften über die Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Bestimmungen anzuwenden sind, und ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Durchführung und Einhaltung dieser Vorschriften zu gewährleisten. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
21 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Verletzung der Verpflichtung zur Anmeldung der Pflichtversicherung (Vollversicherung) unterliegender Personen nach § 33 Abs. 1 ASVG bzw. - wie hier - nur der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterliegender Personen nach § 33 Abs. 1 und 2 ASVG, nicht gemeinsam mit anderen unterlassenen Anmeldungen weiterer Dienstnehmer als einheitliches (fortgesetztes) Delikt angesehen werden kann und die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers daher eine - gesondert zu verfolgende - Verwaltungsübertretung im Sinn des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG darstellt (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2016/08/0082, mwN).
22 In seinem Urteil vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, auf das das Verwaltungsgericht sich in seiner Begründung bezogen hat, hat der EuGH über mehrere Vorabentscheidungsersuchen entschieden, die die Frage der Unionsrechtskonformität einer Strafbestimmung wie § 7i Abs. 4 AVRAG (BGBl. Nr. 459/1993 in Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 44/2016) betrafen, die bei grenzüberschreitendem Arbeitskräfteeinsatz für die unterlassene Bereitstellung von Lohnunterlagen einerseits Geldstrafen in Form von Mindeststrafen, die bei mehreren betroffenen Arbeitnehmern kumulativ und ohne Höchstgrenze verhängt werden, und andererseits Ersatzfreiheitsstrafen vorsehen. Weiters betrafen die Vorabentscheidungsersuchen die Frage der Unionsrechtskonformität einer Norm, die (wie § 52 VwGVG im Falle der Abweisung der Beschwerde) zwingend den Beitrag zu den Verfahrenskosten des Beschwerdeverfahrens mit 20% der verhängten Strafe vorsieht. Dem Verfahren lagen über einen Geschäftsführer eines kroatischen Unternehmens sowie über Vorstände eines österreichischen Unternehmens verhängte Geldstrafen in Millionenhöhe (sowie hohe Ersatzfreiheitsstrafen) wegen Verletzung von Verpflichtungen nach § 7d AVRAG zugrunde.
23 Der EuGH sprach aus, Art. 56 AEUV sei dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorsieht, die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen, die für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden, zu denen im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt und die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden.
24 In seiner Begründung führte der EuGH auszugsweise aus:
„30 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind alle Maßnahmen, die die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen, als Beschränkungen dieser Freiheit zu verstehen. Ferner verleiht Art. 56 AEUV nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch ihrem Empfänger Rechte (Urteil vom 13. November 2018, ?epelnik, C-33/17, EU:C:2018:896, Rn. 37 und 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Überdies hat der Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung, die im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung die Verpflichtung vorsieht, im Aufnahmemitgliedstaat bestimmte Arbeits- und Sozialunterlagen zu erstellen und zu führen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen zusätzliche administrative und wirtschaftliche Kosten und Belastungen verursachen kann und somit eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 1999, Arblade u. a., C-369/96 und C-376/96, EU:C:1999:575, Rn. 58 und 59, vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland, C-490/04, EU:C:2007:430, Rn. 66 bis 69, sowie vom 7. Oktober 2010, dos Santos Palhota u. a., C-515/08, EU:C:2010:589, Rn. 42 bis 44).
32 Zur Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch ein in einem Mitgliedstaat der Union ansässiges Dienstleistungsunternehmen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine nationale Regelung, die die Erbringung von Dienstleistungen im Inland durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 AEUV darstellt (Urteil vom 14. November 2018, Danieli & C. Officine Meccaniche u. a., C-18/17, EU:C:2018:904, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Somit ist eine nationale Regelung, die vorsieht, dass im Fall der Nichteinhaltung von Verpflichtungen, die für sich genommen den freien Dienstleistungsverkehr beschränken, sowohl gegen den Erbringer von Dienstleistungen als auch gegen ihren Empfänger Sanktionen verhängt werden, geeignet, die Ausübung dieser Freiheit weniger attraktiv zu machen.
34 Folglich stellt eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs
35 Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs können nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, dennoch zulässig sein, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 13. November 2018, ?epelnik, C-33/17, EU:C:2018:896, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 [...]
37 Der soziale Schutz der Arbeitnehmer sowie die Bekämpfung von Betrug, insbesondere Sozialbetrug, und die Verhinderung von Missbräuchen sind Ziele, die zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, mit denen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt werden kann (Urteil vom 13. November 2018, ?epelnik, C-33/17, EU:C:2018:896, Rn. 44).
38 In diesem Zusammenhang kann eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche, die Sanktionen für Verstöße gegen arbeitsrechtliche Verpflichtungen vorsieht, mit denen die genannten Ziele erreicht werden sollen, als zur Sicherstellung der Einhaltung solcher Verpflichtungen und damit zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet angesehen werden.
39 Insoweit ist hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen darauf hinzuweisen, dass die Härte der verhängten Sanktion der Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes entsprechen muss. Außerdem dürfen die nach den nationalen Rechtsvorschriften zulässigen administrativen oder repressiven Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften in legitimer Weise verfolgten Ziele erforderlich ist (vgl. entsprechend Urteil vom 31. Mai 2018, Zheng, C-190/17, EU:C:2018:357, Rn. 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
40 In diesem Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass mit einer Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen die Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften über die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen sowie die Bereithaltung von Lohnunterlagen geahndet werden soll.
41 Zweitens erscheint eine Regelung, die Sanktionen vorsieht, deren Höhe von der Zahl der von der Nichteinhaltung bestimmter arbeitsrechtlicher Verpflichtungen betroffenen Arbeitnehmer abhängt, für sich genommen nicht unverhältnismäßig (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C-255/14, EU:C:2015:475, Rn. 26).
42 Der hohe Betrag der zur Ahndung der Nichteinhaltung solcher Verpflichtungen vorgesehenen Geldstrafen kann allerdings in Verbindung damit, dass es für sie keine Obergrenze gibt, wenn der Verstoß mehrere Arbeitskräfte betrifft, zur Verhängung beträchtlicher Geldstrafen führen, die sich, wie im vorliegenden Fall, auf mehrere Millionen Euro belaufen können.
43 Zudem kann der Umstand, dass die Geldstrafen einen im Vorhinein festgelegten Mindestbetrag jedenfalls nicht unterschreiten dürfen, dazu führen, dass solche Sanktionen in Fällen verhängt werden, in denen nicht erwiesen ist, dass der beanstandete Sachverhalt von besonderer Schwere ist.
44 Drittens führt das vorlegende Gericht aus, dass nach der in den Ausgangsverfahren anwendbaren innerstaatlichen Regelung im Fall der Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem eine solche Sanktion verhängt wird, der Beschwerdeführer einen Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der Sanktion leisten muss.
45 Viertens ergibt sich aus den Vorlageentscheidungen, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche Regelung für den Fall der Uneinbringlichkeit der verhängten Geldstrafe die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe vorsieht, die angesichts der daraus resultierenden Folgen für den Betroffenen besonders schwerwiegend ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juli 1980, Pieck, 157/79, EU:C:1980:179, Rn. 19, vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos, C-193/94, EU:C:1996:70, Rn. 36, und vom 26. Oktober 2017, I, C-195/16, EU:C:2017:815, Rn. 77).
46 In Anbetracht dessen steht eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche nicht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße, die in der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und die Bereithaltung von Lohnunterlagen bestehen.
47 Im Übrigen könnte die wirksame Durchsetzung der Verpflichtungen, deren Nichteinhaltung durch diese Regelung geahndet wird, auch mit weniger einschränkenden Maßnahmen wie der Auferlegung von Geldstrafen in geringerer Höhe oder einer Höchstgrenze für solche Strafen gewährleistet werden, und ohne sie zwangsläufig mit Ersatzfreiheitsstrafen zu verknüpfen.
48 Somit ist davon auszugehen, dass eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Gewährleistung der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und die Bereithaltung von Lohnunterlagen sowie zur Sicherstellung der Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist.“
25 Mit den mit § 7i Abs. 4 AVRAG im Wesentlichen deckungsgleichen Strafbestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 19. Dezember 2019, NE, C-645/18, - nunmehr auch unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2014/67/EU (vgl. zur Umsetzungsfrist dieser Richtlinie Maksimovic u.a., C-64/18 u.a., Rn. 27) - auseinandergesetzt. Der EuGH sprach aus, Art. 20 der Richtlinie 2014/67/EU sei dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegenstehe, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Meldung von Arbeitnehmern und die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung hoher Geldstrafen vorsieht, die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen, die je betroffenem Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden und zu denen im Fall der Abweisung einer gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt. Hinsichtlich der Gründe dafür, warum die Sanktionen nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße stünden, wiederholte der EuGH im Wesentlichen seine Ausführungen zu Maksimovic u.a., C-64/18 u.a.
26 Das Urteil des EuGH vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, betraf aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 27.4.2020, Ra 2020/17/0013) insbesondere die Unionsrechtskonformität der in § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz (GSpG) vorgesehenen Strafen, wonach im Falle des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Mindeststrafe von € 3.000 und eine Höchststrafe von € 30.000 vorgesehen ist. Der EuGH sprach aus:
„1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer wegen Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol verhängten Sanktion befasst ist, in einem Verfahren über die Verhängung von Sanktionen wegen eines solchen Verstoßes speziell prüfen muss, ob die in der anwendbaren Regelung vorgesehenen Sanktionen unter Berücksichtigung der konkreten Methoden für deren Bestimmung mit Art. 56 AEUV vereinbar sind.
2. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die im Fall der unternehmerischen Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen Folgendes zwingend vorsieht:
- die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen, sofern der Gesamtbetrag der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil steht;
- die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtdauer der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen, sofern die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Schwere der festgestellten Taten nicht übermäßig lang ist, und
- einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen, sofern dieser Beitrag im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt.“
27 In seiner Begründung erachtete der EuGH die Verhängung von Sanktionen hinsichtlich der angesprochenen Straftatbestände des GSpG für gerechtfertigt. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit dieser Sanktionen führte er aus:
„45 Außerdem muss drittens die Härte der verhängten Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Taten entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2020, OPR-Finance, C-679/18, EU:C:2020:167, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei sich eine solche Anforderung insbesondere aus dem in Art. 49 Abs. 3 der Charta verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Strafen ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. März 2018, Menci, C-524/15, EU:C:2018:197, Rn. 55).
46 Was als Erstes die Verhängung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten betrifft, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Sanktion für sich genommen im Hinblick auf die Schwere der fraglichen Taten unverhältnismäßig wäre, da, wie die österreichische Regierung ausführt, von illegalem Automatenglücksspiel, das sich behördlichen Kontrollen naturgemäß entzieht und in welchem Bereich die zum Spielerschutz getroffenen gesetzlichen Vorkehrungen nicht überprüft werden können, eine besonders hohe Sozialschädlichkeit ausgehen kann, wobei der Gerichtshof bereits darauf hingewiesen hat, dass die Ausspielungen zu Ausgaben verleiten, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben können (Urteil vom 24. März 1994, Schindler, C-275/92, EU:C:1994:119, Rn. 60, vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, EU:C:2007:133, Rn. 47, vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C-203/08, EU:C:2010:307, Rn. 27, sowie vom 15. September 2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, EU:C:2011:582, Rn. 45).
47 Was die Höhe dieser Mindestgeldstrafe angeht, ist es Sache des nationalen Gerichts, bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion das Verhältnis zwischen der Höhe der möglichen Geldstrafe und dem wirtschaftlichen Gewinn aus der begangenen Tat zu berücksichtigen, um die Verantwortlichen von der Begehung einer solchen Tat abzuschrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2021, K. M. [Gegen den Kapitän eines Schiffs verhängte Sanktionen], C-77/20, EU:C:2021:112, Rn. 49). Es muss sich jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vergewissern, dass der auf diese Weise festgesetzte Mindestbetrag nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht.
48 Zu dem Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung keine Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht, ist festzustellen, dass zwar die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe in Verbindung mit der Kumulation von Geldstrafen ohne Höchstgrenze, wenn die Tat mehrere nicht bewilligte Glücksspielautomaten betrifft, zur Verhängung finanzieller Sanktionen in erheblicher Höhe führen kann.
49 Wie jedoch sowohl das vorlegende Gericht, das sich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage stützt, mit der die in § 52 Abs. 2 GSpG genannten Strafhöhen eingeführt wurden, als auch die österreichische und die belgische Regierung sowie die Kommission ausgeführt haben, ermöglicht es eine solche Maßnahme u. a., dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen zu begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv zu machen, so dass sie als solche nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist jedoch auch Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass die Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht.
50 Was als Zweites die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Verhängung einer solchen Sanktion an sich im Hinblick auf Art und Schwere der in Rede stehenden Taten unverhältnismäßig wäre, da sie, wie die österreichische Regierung ausführt, gewährleisten soll, dass diese Taten im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wirksam geahndet werden können.
51 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Verhängung einer solchen Sanktion in jedem Einzelfall durch stichhaltige Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein muss (vgl. in diesem Sinne EGMR, 19. Januar 2021, Lacatus/Schweiz, CE:ECHR:2021:0119JUD001406515, § 110), da diese angesichts der daraus resultierenden Folgen für die betroffene Person besonders schwerwiegend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2019, Maksimovic u. a., C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, EU:C:2019:723, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Ersatzfreiheitsstrafe bei Verwaltungsübertretungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden pro Übertretung höchstens zwei Wochen betragen darf.
53 Insoweit ist festzustellen, dass - wenn jeder Glücksspielautomat oder Eingriffsgegenstand die Verhängung einer solchen Ersatzfreiheitsstrafe nach sich ziehen kann und die anwendbare Regelung keine Höchstgrenze der Gesamtdauer der zulässigen Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht - die Kumulation solcher Sanktionen zur Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von erheblicher Dauer führen kann, die möglicherweise nicht der Schwere der festgestellten Übertretungen entspricht, für die die geltende Regelung nur Geldstrafen vorsieht. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob dies im Hinblick auf die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe der Fall ist.
54 In diesem Zusammenhang hat die österreichische Regierung ausgeführt, dass eine allgemeine Untergrenze für Ersatzfreiheitsstrafen nicht bestehe, da eine solche Strafe der verhängten Geldstrafe entsprechen müsse.
55 Ein solcher Umstand kann jedoch nicht ausschlaggebend sein, da eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht allein dadurch im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen kann, dass mitgliedstaatliche Behörden sie nach freiem Ermessen herabsetzen können (vgl. entsprechend Urteil vom 3. März 2020, Google Ireland, C-482/18, EU:C:2020:141, Rn. 53).
56 Was als Drittes die Vorschreibung eines Beitrags zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Gerichtsgebühren grundsätzlich zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Gerichtssystems beitragen, da sie eine Finanzierungsquelle für die gerichtliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten darstellen (Urteil vom 30. Juni 2016, Toma und Biroul Executorului Judec?toresc Hora?iu-Vasile Cruduleci, C-206/15, EU:C:2016:499, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorschreibung eines solchen Beitrags an sich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.
57 Es ist indes Sache des vorlegenden Gerichts, sich zu vergewissern, dass ein solcher Beitrag zu den Kosten, da er auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Höhe der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben wird, bei der konkreten Festsetzung seiner Höhe und angesichts der fehlenden Höchstgrenze dieser Geldstrafe im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C-199/11, EU:C:2012:684, Rn. 48).“
28 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in jüngerer Zeit mit diesen Entscheidungen des EuGH - insbesondere mit einer sich daraus ergebenden Verdrängung nationalen Rechts durch das Unionsrecht - bereits wiederholt auseinandergesetzt (vgl. insbesondere zu § 7i Abs. 4 AVRAG im Gefolge von EuGH, Maksimovic u.a., C-64/18 u.a., VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, 0034; zu §§ 26 bis 28 LSD-BG VwGH 18.2.2020, Ra 2019/11/0195 und 0196; zum LSD-BG in der Fassung BGBl. I Nr. 174/2021 VwGH 12.10.2021, Ra 2019/11/0015 und 0016; zu § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001; zu § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG VwGH 4.9.2020, Ro 2020/17/0015; zu § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG im Gefolge von EuGH, MT, C-231/20, VwGH 10.12.2021, Ra 2020/17/0013; zu § 28 Abs. 1 AuslBG VwGH 25.1.2022, Ra 2020/09/0077).
29 Zuletzt hat der EuGH mit Urteil vom 8. März 2022, NE, C-205/20, aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Landesverwaltungsgerichts Steiermark neuerlich auf die im LSD-BG vorgesehenen Verwaltungsstrafbestimmungen Bezug genommen und ausgesprochen, Art. 20 der Richtlinie 2014/67/EU habe unmittelbare Wirkung, soweit er verlange, dass die von ihm vorgesehenen Sanktionen verhältnismäßig sind, und könne somit vom Einzelnen vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedstaat, der diesen Artikel unzulänglich umgesetzt hat, geltend gemacht werden. Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts sei dahin auszulegen, dass er die nationalen Behörden nur insoweit verpflichte, eine nationale Regelung, von der ein Teil gegen das in Art. 20 der Richtlinie 2014/67/EU vorgesehene Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen verstoße, unangewendet zu lassen, als dies erforderlich ist, um die Verhängung verhältnismäßiger Sanktionen zu ermöglichen.
30 Begründend führte der EuGH auszugsweise aus, insbesondere wenn ein Mitgliedstaat sein Ermessen durch den Erlass einer nationalen Regelung überschreite, die bei Verstößen gegen die gemäß der Richtlinie 2014/67/EU erlassenen nationalen Bestimmungen unverhältnismäßige Sanktionen vorsehe, müsse sich die betroffene Person gegenüber einer solchen Regelung unmittelbar auf das in Art. 20 dieser Richtlinie aufgestellte Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen berufen können (Rn. 30). Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten zur Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstelle, verpflichtet seien, wenn sie unionsrechtliche Vorschriften durchführten, auch wenn die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der anwendbaren Sanktionen nicht harmonisiert seien. Wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen einer solchen Durchführung Sanktionen speziell strafrechtlicher Art erließen, müssten sie Art. 49 Abs. 3 GRC beachten, wonach das Strafmaß gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein darf. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Art. 20 der Richtlinie 2014/67/EU lediglich aufgreife, habe zwingenden Charakter (Rn. 31).
31 Mit Blick auf den vorliegenden Fall ist zunächst zu untersuchen, ob im Sinn der dargestellten Rechtsprechung des EuGH eine Beschränkung der Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs vorliegt, indem die Ausübung dieser Freiheit untersagt, behindert oder weniger attraktiv gemacht wird.
32 Zu einer Bestrafung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 AuslBG wegen der Beschäftigung mehrerer Ausländer ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen oder Bestätigungen hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass Voraussetzung dafür, dass der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV zum Tragen kommt, das Vorliegen eines Sachverhaltes ist, dem eine zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erbrachte Dienstleistung im Sinn des Art. 57 AEUV zugrunde liegt. Bei einer Beschäftigung von Arbeitnehmern im Inland durch eine inländische Arbeitgeberin, ohne dass die Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union überlassen bzw. entsandt worden wären, kommt es mangels Unionsrechtsbezuges daher zu keiner aus den genannten Entscheidungen des EuGH (insbesondere Maksimovic u.a., C-64/18, u.a.) ableitbaren Verdrängung nationalen Rechts (vgl. VwGH 2.7.2020, Ra 2020/09/0025; 13.11.2020, Ra 2020/09/0039; sowie nochmals Ra 2020/09/0077). Diese zum AuslBG ergangene Rechtsprechung ist auf Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 (bzw. § 33 Abs. 1 und 2) ASVG zu übertragen.
33 Aus den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Salzburg sowie dem Akteninhalt sind keine Hinweise darauf abzuleiten, dass der Beschäftigung der sechs Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer durch die I GmbH eine Entsendung bzw. Arbeitskräfteüberlassung aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugrunde gelegen wäre. Eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV ist daher bezogen auf den vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Davon ausgehend ergibt sich schon deshalb - entgegen den Annahmen des Verwaltungsgerichts - aus der genannten Rechtsprechung des EuGH und der darauf Bezug nehmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine Verdrängung nationalen Rechts.
34 Zu erwägen ist allerdings, ob sich aus einer unterschiedlichen Behandlung von Fällen mit und ohne Unionsrechtsbezug im Hinblick auf das aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbare Sachlichkeitsgebot hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der hier angewandten Strafbestimmung Bedenken ergeben, die den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 89 Abs. 2 und Art. 140 Abs. 1 B-VG zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof veranlassen müssten (vgl. zu derartigen Normbedenken zu § 28 Abs. 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG VwGH 11.3.2021, Ra 2020/09/0077; zur Abweisung dieses Antrages VfGH 2.12.2021, G 123/2021). Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich in seiner ständigen Rechtsprechung den Gedanken einer besonderen sachlichen Rechtfertigung - unter Hinweis auf die „doppelte Bindung“ des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Unionsrecht - auch auf die sogenannte „Inländerdiskriminierung“ übertragen. Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte im Verhältnis zu Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen. Die „doppelte Bindung“ des Gesetzgebers lässt es daher im Allgemeinen nicht zu, den Umstand, dass eine bestimmte Regelung unionsrechtlich geboten ist, als alleinige sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Unionsbürgern bei Anwendung einer Norm heranzuziehen. Dies gilt entsprechend für die Differenzierung zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und - jeweils bezogen auf Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR - grenzüberschreitenden Sachverhalten bzw. Sachverhalten mit Bezügen zum Unionsrecht (vgl. zum Ganzen nochmals VfGH G 123/2021, mit weiteren Hinweisen).
35 Aus den im Folgenden dargestellten Gründen ist jedoch nicht zweifelhaft, dass auch bei mit dem vorliegenden Fall ansonsten übereinstimmenden Fällen, die einen Unionsrechtsbezug aufweisen, die verhängten Strafen nicht gegen das Unionsrecht verstoßen, weshalb auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier angewandten Bestimmungen bestehen:
36 Hinsichtlich eines möglichen Unionsrechtsbezugs sei daran erinnert, dass die Beurteilung, dem System der sozialen Sicherheit welchen Mitgliedstaates Beschäftigte unterliegen, sich nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004) richtet. Nach Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 sind auf eine Person, für die die Verordnung gilt, stets nur die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats anwendbar, wobei dies - vorbehaltlich der vorgesehenen Ausnahmen - grundsätzlich jener Staat ist, in dem die Person eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt (vgl. Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004; Beschäftigungsstaatsprinzip). Es kommt dabei auf den Ort an, wo die betreffende Person die mit der Tätigkeit verbundenen Handlungen tatsächlich konkret ausführt; indes ist unerheblich, in welchem Staat sich der Wohnsitz des Arbeitnehmers bzw. des Selbständigen oder der Sitz des Arbeitgebers befindet (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2016/08/0040, mwN).
37 Ausnahmen vom Beschäftigungsstaatsprinzip sind insbesondere in Art. 12 VO 883/2004 vorgesehen. Nach dessen Abs. 1 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines gewöhnlich dort tätigen Arbeitgebers eine Beschäftigung ausübt und von diesem in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, weiterhin den Vorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer der Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und die Person nicht eine andere entsandte Person ablöst. Liegen die Voraussetzungen des Art. 12 VO 883/2004 hinsichtlich einer nach Österreich entsandten Person vor, wie dies insbesondere durch Vorlage einer A1-Bescheinigung nachgewiesen werden kann (vgl. zur Bindungswirkung dieser Bescheinigungen nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung [EG] Nr. 987/2009 VwGH 10.10.2018, Ro 2016/08/0013 und 0014, mit Hinweisen auf die Judikatur des EuGH), scheidet das Vorliegen einer Pflichtversicherung in Österreich und damit einer Meldepflichtverletzung nach § 33 ASVG aus, sodass eine Bestrafung nach § 111 Abs. 1 ASVG von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 17.12.2021, Ra 2020/08/0171; sowie nochmals Ra 2016/08/0040).
38 Dagegen unterliegen Dienstnehmer, die im Rahmen von Arbeitskräfteüberlassungen innerhalb der Union bzw. von Entsendungen, bei denen die Voraussetzungen des Art. 12 VO 883/2004 nicht erfüllt sind und auch kein Anwendungsfall des Art. 13 VO 883/2004 vorliegt, in Österreich tätig werden, regelmäßig - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - der Pflichtversicherung nach dem ASVG, sodass auch bei zwischenstaatlichen Arbeitskräfteüberlassungen bzw. Entsendungen die Unterlassung der Verpflichtung zur Meldung nach § 33 Abs. 1 (bzw. Abs. 1 und 2) ASVG nach § 111 Abs. 1 ASVG strafbar sein kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in derartigen Konstellationen diese Bestimmungen Maßnahmen darstellen, die im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (vgl. nochmals insbesondere Maksimovic u.a., C-64/18, ua., Rn. 30 ff) die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV zumindest weniger attraktiv machen.
39 Der EuGH hat aber bereits darauf hingewiesen, dass zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können, unter anderem folgende Gründe gehören: der Schutz der Arbeitnehmer, die Verhinderung eines unlauteren Wettbewerbs durch Unternehmen, die ihren entsandten Arbeitnehmern einen Lohn zahlen, der unterhalb des Mindestlohns liegt, soweit dieses Ziel auch dem Schutz der Arbeitnehmer in Hinblick auf die Bekämpfung von Sozialdumping dient, sowie die Bekämpfung von Betrug, insbesondere Sozialbetrug, und die Verhinderung von Missbräuchen, namentlich die Bekämpfung der Schwarzarbeit, sofern dieses Ziel insbesondere mit dem Ziel, das finanzielle Gleichgewicht der Systeme der sozialen Sicherheit zu wahren, zusammenhängen kann (vgl. EuGH De Clercq, C-315/13, Rn. 65; sowie nochmals Maksimovic u.a., C-64/18, u.a., Rn. 37; jeweils mit weiteren Hinweisen).
40 Die Pflicht zur Anmeldung von Dienstnehmern nach § 33 ASVG und die für die Unterlassung dieser Verpflichtung vorgesehenen Strafen nach § 111 ASVG dienen in hohem Ausmaß derartigen Zielen. Insbesondere soll die Schwarzarbeit bekämpft und damit die Finanzierung des österreichischen Systems der Sozialversicherung sichergestellt werden (vgl. VwGH 27.4.2011, 2010/08/0172, unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien). Darüber hinaus dienen die genannten Bestimmungen aber auch wesentlich dem Schutz der Interessen der einzelnen Dienstnehmer, die - ungeachtet des Prinzips der ex lege eintretenden Pflichtversicherung - bei nicht erfolgter Anmeldung Nachteile im Leistungsrecht (vgl. § 225 ASVG) aufgrund des Unterbleibens einer Anmeldung nach § 33 ASVG erleiden können (vgl. VwGH 27.4.2011, 2010/08/0172). Dabei ist zu beachten, dass den der Pflichtversicherung unterliegenden Personen - insbesondere bei kürzeren Beschäftigungsverhältnissen - die Unterlassung der Anmeldung durch den Dienstgeber nicht zwingend auffallen muss. Es besteht daher die Gefahr, dass das Unterbleiben der Anmeldung nach § 33 ASVG von ihnen erst bemerkt wird, wenn eine Feststellung der Beiträge infolge Eintritts der Verjährung nach § 68 Abs. 1 ASVG nicht mehr möglich ist bzw. die Dienstgeber auch für Schadenersatzforderungen nicht mehr greifbar sind. Die Verwaltungsstrafbestimmung des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 (bzw. § 33 Abs. 1 und 2) ASVG dient daher im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und ist erforderlich, um diesen Zielen zum Durchbruch zu verhelfen.
41 Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht steht die Rechtsprechung des EuGH der Verhängung kumulierter Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen hinsichtlich solcher Straftatbestimmungen, die eine zulässige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV darstellen, nicht grundsätzlich entgegen (vgl. nochmals EuGH, MT, C-231/20, insbesondere Rn. 46, 53; Maksimovic u.a., C-64/18, u.a, insbesondere Rn. 41; VwGH 10.12.2021, Ra 2020/17/0013). Gefordert ist jedoch, dass die Härte der verhängten Sanktionen - insbesondere auch vor dem Hintergrund des Art. 49 Abs. 3 GRC - der Schwere der mit ihnen geahndeten Taten entspricht, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. nochmals insbesondere EuGH 14.10.2021, MT, C-231/20, Rn. 45). Dazu, wann in diesem Sinn Sanktionen in Zusammenhang mit (legitimen) Beschränkungen der Grundfreiheiten des AEUV bzw. sonstigen Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug noch verhältnismäßig sind, liegt nunmehr bereits umfassende Rechtsprechung des EuGH vor (vgl. neben den bisher genannten Entscheidungen auch die zu VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001, Rn. 40 ff, zitierte Judikatur; sowie aus jüngerer Zeit zu Sanktionen gegen das Verbot des Verkaufs von Tabakerzeugnissen an Jugendliche EuGH 24.2.2022, PJ, C-452/20; zu Sanktionen für den Verstoß gegen Vorschriften im Bereich der gemeinsamen Fischereipolitik EuGH 11.1.2021, K.M., C-77/20).
42 In Zusammenhang mit der Strafbestimmung des § 111 Abs. 1 und 2 ASVG ist zu beachten, dass ein Dienstgeber sich durch die Missachtung der Verpflichtung zur Anmeldung pflichtversicherter Personen nach § 33 Abs. 1 und 2 ASVG hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers abzuführende Beiträge zur Sozialversicherung in rechtswidriger Weise ersparen kann, wobei diese Ersparnis - abhängig von der Dauer der Beschäftigung und der Höhe des Arbeitsentgelts - durchaus auch hohe Summen erreichen kann. Die Höhe der vorgesehenen Sanktionen muss dazu in einem angemessenen Verhältnis stehen, um im Sinn der Rechtsprechung des EuGH eine wirklich abschreckende Wirkung zu gewährleisten und somit derartige Vorgehensweisen unattraktiv zu machen. Im Übrigen kann nicht unbeachtet bleiben, dass - wie dargestellt - hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers bei Unterlassung der Anmeldung zur Pflichtversicherung Nachteile im Leistungsrecht zu befürchten sind.
43 Vor diesem Hintergrund kann aber nicht zweifelhaft sein, dass im Sinn der Rechtsprechung des EuGH bzw. der daraus zu Tage tretenden Wertungen die für Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 (bzw. § 33 Abs. 1 und 2) ASVG in § 111 Abs. 2 ASVG (iVm. § 9 VStG) vorgesehenen Sanktionen nicht bzw. jedenfalls nicht generell unverhältnismäßig sind.
44 Zu den in seinem Urteil, MT, C-231/20, als mit dem Unionsrecht im Einklang stehend beurteilten Strafbestimmungen nach dem GSpG hat der EuGH ausgeführt, es sei Sache des nationalen Gerichts, auch in den jeweiligen Einzelfällen - insbesondere auch vor dem Hintergrund allfälliger außerordentlicher Umstände - zu beurteilen, ob die Gesamtsummen der verhängten (Mindest-)Geldstrafen in Hinblick auf die zu erzielende abschreckende Wirkung und die insgesamt verhängten Ersatzfreiheitsstrafen in Hinblick auf die Schwere der Tat noch verhältnismäßig sind bzw. der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Hinblick auf die tatsächlichen Kosten nicht überhöht ist und nicht das in Art. 47 GRC verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt (vgl. auch VwGH 10.12.2021, Ra 2020/17/0013).
45 Mit Blick auf das vorliegende Verfahren braucht nicht abschließend untersucht zu werden, ob bzw. unter welchen Umständen es (Einzel-)Fälle mit Unionsrechtsbezug geben könnte, bei denen in diesem Sinn nach § 111 Abs. 2 ASVG verhängte (Mindest-)Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen nicht verhältnismäßig bzw. die nach § 64 VStG bzw. § 52 VwGVG auferlegten Kosten des Verfahrens überhöht sein könnten. Es liegt nämlich - ausgehend von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt - im vorliegenden Fall jedenfalls kein Hinweis darauf vor, dass die mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 3. März 2020 verhängten zwei Geldstrafen von je € 1.000 und vier Geldstrafen von je € 730 in Hinblick auf die festgestellten Verwaltungsübertretungen nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie er in der Rechtsprechung des EuGH dargestellt wurde, entsprochen hätten.
46 Es hat daher dabei zu bleiben, dass im vorliegenden Fall die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine - gesondert zu verfolgende - Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 und 2 ASVG darstellt und jeweils eine Verwaltungsstrafe nach dem ersten Strafsatz des § 111 Abs. 2 ASVG zu verhängen gewesen wäre.
47 Da das Landesverwaltungsgericht Salzburg somit insoweit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis im Umfang des Ausspruchs über die Strafe und die darauf aufbauenden Aussprüche über die Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
48 Der Antrag der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung in ihrem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz, der Revision Folge zu geben, ist der Sache nach als Revision zu verstehen, die schon aufgrund ihrer Verspätung zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 2.7.2019, Ra 2018/08/0252; 26.4.2021, Ra 2018/11/0176; jeweils mwN).
Wien, am 26. April 2022
Gerichtsentscheidung
EuGH 62013CJ0315 De Clercq VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080006.L00