TE Vwgh Beschluss 2022/4/27 Ra 2022/22/0044

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Veröffentlicht am 27.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3
FrPolG 2005 §46a Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des E I, vertreten durch Mag. Philipp Tschernitz, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Glasergasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Februar 2022, I413 2172313-2/5E, betreffend Karte für Geduldete (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 6. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) vom 22. September 2017 vollumfänglich abgewiesen wurde. Unter einem wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 18. Jänner 2021 abgewiesen. Die dagegen erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. März 2021, Ra 2021/19/0060, zurückgewiesen.

2        Am 2. November 2021 beantragte der Revisionswerber gestützt auf § 46a Abs. 1 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Ausstellung einer Karte für Geduldete.

3        Mit Bescheid vom 15. November 2021 wies das BFA diesen Antrag ab. Begründend wurde (ua.) festgehalten, der Revisionswerber sei von der nigerianischen Botschaft identifiziert worden und nach Rückmeldung der nigerianischen Botschaft werde ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

4        In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, es sei zwar ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates anhängig, es sei aber nicht mit Sicherheit davon auszugehen, dass die nigerianische Botschaft alsbald ein Heimreisezertifikat ausstellen werde, weil der letzte Stand eine Urgenz vom 22. März 2021 sei.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. Februar 2022 wies das BVwG diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.

Das BVwG stellte fest, der Revisionswerber sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Am 3. Februar 2021 sei ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet worden; am 25. Februar 2021 (wie vom Revisionswerber in der Verhandlung bestätigt) und neuerlich am 10. Dezember 2021 (diesbezüglich finde sich eine entsprechende Bestätigung im Akt) sei eine Identitätsfeststellung des Revisionswerbers vor einer nigerianischen Delegation erfolgt. Eine Ablehnung [gemeint offenbar: der Ausstellung eines Heimreisezertifikates] sei bis dato nicht erfolgt.

In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das BVwG unter Verweis auf den hg. Beschluss VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0196, fest, dass eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung (noch) nicht gegeben sei, weil das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates noch nicht abgeschlossen sei. Vorliegend sei das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Revisionswerber nach wie vor aufrecht und eine Verweigerung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die nigerianische Botschaft sei noch nicht erfolgt. Daran könne der Botschaftsbesuch des Revisionswerbers am 13. November 2021 nichts ändern, wobei das BVwG diesbezüglich anmerkte, dass der Revisionswerber dabei keinen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses gestellt habe. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erwirkung eines Heimreisezertifikates durch das BFA aussichtslos erscheine. Dem Beschwerdeargument, es sei unsicher, ob das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erfolgreich abgeschlossen werde, könne in Anbetracht der Identitätsfeststellung des Revisionswerbers durch eine Delegation der nigerianischen Botschaft zuletzt am 10. Dezember 2021 nicht beigetreten werden. Da die erforderliche tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung aus vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen wegen des noch anhängigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (noch) nicht anzunehmen sei, sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, er habe an den für die Erlangung eines Heimreisezertifikates notwendigen Schritten stets mitgewirkt und seine Identität nicht verschleiert. Darüber hinaus stellt der Revisionswerber die Sinnhaftigkeit der Begründung des hg. Beschlusses Ra 2018/21/0196 in Frage; er meint, die Regelung des § 46a Abs. 3 FPG wäre sinnlos, würde man der vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss vertretenen Rechtsansicht folgen.

9        Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

10       Nach der (im vorliegenden Fall einzig maßgeblichen) Z 3 des § 46a Abs. 1 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint. Die Regelung setzt somit zum einen eine Unmöglichkeit der Abschiebung und zum anderen eine Zuordnung des dafür maßgeblichen Grundes zum Fremden voraus. § 46a Abs. 3 FPG normiert - und auch das nicht abschließend (arg.: „jedenfalls“) - lediglich, in welchen Konstellationen das Abschiebungshindernis vom Fremden zu vertreten ist, enthält aber keine näheren Regelungen zur Annahme einer (Un)Möglichkeit der Abschiebung.

11       Im vorliegenden Fall verweist das BVwG zwar auf die unterbliebene Antragstellung des Revisionswerbers (betreffend die Ausstellung eines Reisepasses) anlässlich seines Aufsuchens der nigerianischen Botschaft im November 2021. Der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich aber eindeutig entnehmen, dass die Abweisung des Antrags nicht auf die fehlende Mitwirkung des Revisionswerbers (und somit nicht auf ein dem Revisionswerber zuzuordnendes Abschiebungshindernis) gestützt wurde, sondern darauf, dass die Abschiebung zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht als unmöglich erachtet wurde. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers steht diese Auffassung (und somit auch die im bereits zitierten hg. Beschluss Ra 2018/21/0196 zum Ausdruck kommende Sichtweise) in keinerlei Spannungsverhältnis zum Regelungsinhalt des § 46a Abs. 3 FPG, weil sich die dort gegenständliche Frage der Zuordnung eines Abschiebungshindernisses zum Fremden erst dann stellt, wenn - was vorliegend gerade nicht der Fall war - die Abschiebung als unmöglich erachtet wurde.

12       Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unrichtigkeit der Annahme des BVwG, die Abschiebung sei im Hinblick auf die zuletzt am 10. Dezember 2021 erfolgte Identitätsfeststellung des Revisionswerbers sowie den Umstand, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der nigerianischen Botschaft nicht abgelehnt worden sei, tatsächlich (noch) nicht als unmöglich anzusehen, vermag die Revision nicht aufzuzeigen und ist - ungeachtet des seit rechtskräftiger Erlassung der Rückkehrentscheidung vergangenen Zeitraumes - fallbezogen auch nicht ersichtlich. Daran vermag das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das Wort „unmöglich“ nicht absolut, sondern auf die aktuelle Situation bezogen zu verstehen sei, nichts zu ändern, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 46a Abs. 1 Z 3 FPG (bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt) nicht schon dann gegeben ist, wenn die Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht sogleich zum Erfolg geführt haben (vgl. VwGH 17.5.2021, Ra 2020/21/0333, Rn. 11; vgl. weiters VfGH 9.12.2014, G 160-162/2014, Rn. 35, wo von einer Unmöglichkeit der Abschiebung „in absehbarer Zeit“ die Rede ist).

13       Ausgehend davon wird auch mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

14       Der Revisionswerber erachtet die hg. Rechtsprechung als uneinheitlich, weil der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0331, auf die Nichteinhaltung von Terminen sowie unrichtige Angaben des dortigen Revisionswerbers eingegangen sei, was nicht erforderlich gewesen wäre, wenn man (wie im hg. Beschluss Ra 2018/21/0196) davon ausginge, dass eine tatsächliche Unmöglichkeit (der Abschiebung) nicht vorliege. Damit verkennt der Revisionswerber, dass in diesen hg. Beschlüssen verschiedene Konstellationen und unterschiedliche Begründungen für die Abweisung der jeweiligen Anträge nach § 46a FPG zu beurteilen waren. Während im Verfahren zu hg. Ra 2018/21/0196 eine Unmöglichkeit der Abschiebung nicht zugrunde gelegt wurde, war im Verfahren zu hg. Ra 2019/21/0331 - ausgehend von der Annahme der Undurchführbarkeit der Abschiebung - die Frage der Zuordnung des Abschiebungshindernisses zu prüfen. Aus den Aussagen im hg. Beschluss Ra 2019/21/0331 lassen sich somit keine Rückschlüsse für die Annahme der (Un)Möglichkeit einer Abschiebung ziehen, weshalb die behauptete Uneinheitlichkeit der hg. Rechtsprechung nicht vorliegt.

15       Der Revisionswerber behauptet weiters ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Entscheidung VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0078, aus der hervorgehe, dass das Verhalten des Fremden für die Unmöglichkeit der Abschiebung ursächlich sein müsse und dass eine noch nicht stattgefundene Identitätsprüfung der Sphäre der Behörde zuzuordnen sei. Diesbezüglich genügt - abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall eine Identitätsfeststellung des Revisionswerbers nach den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen des BVwG ohnehin erfolgt ist - der erneute Hinweis darauf, dass das BVwG die Abweisung des Antrags nicht auf das Vorliegen eines vom Revisionswerber zu vertretenden Abschiebungshindernisses (und somit auch nicht auf ein Verschulden seinerseits), sondern auf die Annahme der (noch) nicht vorliegenden Unmöglichkeit der Abschiebung gestützt hat. Auch der vom Revisionswerber ins Treffen geführte Hinweis des Verfassungsgerichtshofes im bereits zitierten Erkenntnis G 160-162/2014 auf den ex lege-Eintritt der Duldung bis zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates lässt für die hier maßgebliche Frage, wann von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung auszugehen ist, keine gegenteiligen Rückschlüsse zu, zumal - wie bereits dargestellt - auch dort von einer Unmöglichkeit der Abschiebung in absehbarer Zeit die Rede ist.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17       Somit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 27. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022220044.L00

Im RIS seit

20.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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