Entscheidungsdatum
23.02.2022Norm
GewO 1994 §87 Abs1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde des A, vertreten durch die Rechtsanwälte B KG, ***, *** gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 9. Juni 2021, ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung den
BESCHLUSS
1. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) iVm Art. 133 Abs. 4 und 9 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Feststellungen und wesentlicher Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 24. April 2018, ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha Herrn A die Konzession zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im innerstaatlichen Verkehr (innerstaatlicher Güterverkehr) mit einem Kraftfahrzeug im Standort ***, *** gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995, § 5a Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EG) Nummer 071/09, § 95 Gewerbeordnung 1994 erteilt.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2019, ***, wurde diese Konzession im selben Standort auf drei Kraftfahrzeuge gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1, § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995, § 95 Gewerbeordnung 1994 erweitert.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2019, ***, wurde diese Konzession nach Einholung von Verwaltungsstrafregisterauszügen der Landespolizeidirektion vom 27. Mai 2019, der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 23. Mai 2019 und des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2019 im selben Standort auf fünf Fahrzeuge gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1, § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995, § 95 Gewerbeordnung 1994 erweitert.
In weiterer Folge holte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha bei der Landespolizeidirektion Wien, beim Magistrat der Stadt Wien und bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha Verwaltungsstrafauszüge ein und teilte dem nunmehrigen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Februar 2021 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 mit, das im Verwaltungsstrafvormerk der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gegen ihn 19 Übertretungen, drei davon nach dem Güterbeförderungsgesetz, sieben nach der Straßenverkehrsordnung 1960, acht nach dem Kraftfahrgesetz 1967 sowie eine nach dem ASVG aufscheinen würden. Weiters würden drei Vormerkungen, davon eine nach § 103 Abs. 2 KFG sowie zwei nach dem Parkometergesetz 2006 für Wien im Verwaltungsstrafvormerk der MA *** aufscheinen. Bei der Landespolizeidirektion Wien seien 22 Verwaltungsübertretungen vorgemerkt, wovon zwölf eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG betreffen würden. Aufgrund der wiederholten rechtskräftigen Bestrafungen würde er nicht mehr die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzen, weshalb beabsichtigt sei, die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer, nachdem die Verwaltungsstrafauszüge übermittelt worden waren, eine Stellungnahme mit Schreiben vom 29. April 2021 ab, worin er sich gegen die Entziehung der gegenständlichen Konzession aussprach.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 2021, ***, wurde die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im innerstaatlichen Verkehr (innerstaatlicher Güterverkehr) mit fünf Kraftfahrzeugen (Erweiterung wirksam ab 17.6.2019) im Standort ***, *** gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 entzogen.
In der Begründung wurde unter Hinweis auf die Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 ausgeführt, das im Verwaltungsstrafvormerk der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gegen ihn 19 Übertretungen, drei davon nach dem Güterbeförderungsgesetz, sieben nach der Straßenverkehrsordnung 1960, acht nach dem Kraftfahrgesetz 1967 sowie eine nach dem ASVG aufscheinen würden. Weiters würden drei Vormerkungen, davon eine nach § 103 Abs. 2 KFG sowie zwei nach dem Parkometergesetz 2006 für Wien im Verwaltungsstrafvormerk der MA *** aufscheinen. Bei der Landespolizeidirektion Wien seien 22 Verwaltungsübertretungen vorgemerkt, wovon zwölf eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG betreffen würden.
Das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ könne nicht nur durch an sich schwerwiegende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit der betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Aufgrund der wiederholten rechtskräftigen Bestrafungen besitze er trotz der Erläuterungen zu den einzelnen Verwaltungsstrafen in der Stellungnahme vom 30.4.2021, wonach Herr A für den Großteil der Strafen kein Verschulden treffe, er jedoch die Strafen, die durch seine Mitarbeiter und Familienangehörige entstanden seien, bezahlt habe, nicht mehr die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit.
Es sei daher die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
Darüber hinaus enthält der angefochtene Bescheid keine Begründung, insbesondere werden die einzelnen Verwaltungsübertretungen nicht mit Angabe der Geschäftszahl, des Datums, der übertretenen Rechtsvorschriften und der Höhe der verhängten Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe angeführt.
Dagegen hat Herr A, vertreten durch die Rechtsanwälte B KG, ***, ***, fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, dass der angefochtene Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersatzlos aufgehoben werde.
Zur Begründung wurde Rechtswidrigkeit geltend gemacht und vorgebracht, dass der Bescheid nicht ordnungsgemäß begründet sei, die Behörde habe es unterlassen, sich mit der eingebrachten Stellungnahme samt den Beweisanboten auseinanderzusetzen und beschränke sich größtenteils auf Stehsätze. Der Bescheid leide auch an wesentlichen Verfahrensmängeln, da die Behörde zur Entscheidungsfindung jedenfalls die in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 29.4.2021 beantragten Zeugen hätte vernehmen müssen.
Die Begründung erschöpfe sich darin, dass großteils nur die relevanten Gesetzesbestimmungen angeführt würden, jedoch ohne Subsumtion derselben auf die individuelle Rechtssache. Die Behörde habe auch offensichtlich den Text aus einer anderen Erledigung, nämlich der von 9.6.2021 zur Zahl ***, in diesen Bescheid schlichtweg kopiert, wenn es in der Begründung des Bescheides heiße, dass der nunmehrige Beschwerdeführer am 29.4.2021 eine Stellungnahme abgegeben und beantragt habe, die Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer nicht zu widerrufen. Im vorliegenden Verfahren gehe es jedoch nicht um den Widerruf der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers, der Beschwerdeführer habe auch in seiner Stellungnahme jedenfalls richtigerweise beantragt, die gegenständliche Gewerbeberechtigung nicht zu entziehen.
Weiters wurde ein Vorbringen in der Sache erstattet und darauf verwiesen, dass in der Stellungnahme vom 29.4.2021 auf jede einzelne Verwaltungsstrafe eingegangen worden sei. Obwohl entsprechende Beweisangebote angeführt worden seien, sei dem nicht nachgekommen worden. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls nur einen minimalen Teil der für die Gewerbeentziehung relevanten strafrechtlichen Vormerkungen selbst verwirklicht. Hätte die belangte Behörde die beantragten Zeugen einvernommen, so hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls die gewerberechtlich erforderliche Zuverlässigkeit besitze.
Gemäß § 87 Abs. 3 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 sei ein hinreichender Konnex zum Gewerbe erforderlich und könne dementsprechend die Verletzung von für die gegenständliche Gewerbeausübung relevanten Rechtsvorschriften demnach nicht zu Entziehung führen. Ein Großteil der Verwaltungsstrafen resultiere aus dem Verhalten des Bruders des Beschwerdeführers, der mit den blauen Kennzeichentafeln des Beschwerdeführers oftmals eigenmächtig und rechtswidrig verfahren sei. Die diesbezüglich erfolgten Strafen im Zusammenhang mit dem Abstellen bzw. dem Einhalten der höchstzulässigen Geschwindigkeit während erfolgter Probefahrten stünden jedenfalls in keinem Konnex zum hier einschlägigen Gewerbe des Beschwerdeführers.
Bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung sei entscheidend, dass sich aus der Vielzahl an Verstößen unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung die Prognose stellen lasse, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise sei auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 Staatsgrundgesetz ergebenden Gebots der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Erwerbsfreiheit erforderlich. Diesbezüglich seien die Feststellungen der belangten Behörde unzureichend, da bei den angeführten Übertretungen des Beschwerdeführers weder die verhängten Strafen noch die verletzten Rechtsvorschriften angeführt würden. Zudem habe sich die belangte Behörde entgegen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch nicht mit der Art der verletzen Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung auseinandergesetzt. Die Behörde habe lediglich unsubstantiell ausgeführt, dass nicht mehr von seiner Zuverlässigkeit ausgegangen werden könne.
Die Behörde habe auch völlig außer Acht gelassen, dass die letzte rechtskräftige Verwaltungsstrafe des Beschwerdeführers durch Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien am 13.10.2020 festgesetzt worden sei. Dies decke sich auch mit dem bisherigen Vorbringen, dass der Beschwerdeführer schon seit damals sich rechtskonform verhalte.
Abschließend wurde nochmals festgehalten, dass der Beschwerdeführer bisher Strafen lieber gleich bezahlt habe als Rechtsmittel zu erheben, um seinen Mitarbeitern und Familienangehörigen keine Probleme zu bereiten und den Unternehmensbetrieb konsequent aufrechtzuerhalten. Mittlerweile sei ihm klar, dass diese Vorgehensweise nicht korrekt sei. Es sei nicht davon ausgegangen, dass dies Auswirkungen auf seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit haben könnte.
Es wurde die Einvernahme einer Reihe von namentlich genannten Zeugen beantragt.
Die belangte Behörde hat abgesehen von der Einholung der genannten Verwaltungsstrafregisterauszüge keine Straferkenntnisse bzw. Strafverfügungen angefordert.
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem mit Schreiben vom 9. Juli 2021 vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha zur Zahl ***.
In rechtlicher Hinsicht wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:
§ 5 Abs. 1, 1a und 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 lauten:
(1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes folgende Voraussetzungen gemäß Artikel 3 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 erfüllt sind:
1.
die Zuverlässigkeit,
2.
die finanzielle Leistungsfähigkeit,
3.
die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis) und
4.
eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in Österreich.
Der Bewerber hat überdies entsprechend dem beabsichtigten Konzessionsumfang (§ 3) in der in Aussicht genommenen Standortgemeinde oder einer anderen Gemeinde im selben oder einem angrenzenden Verwaltungsbezirk über die erforderlichen Abstellplätze außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verfügen. Sämtliche Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession zu entziehen. Die §§ 87 bis 91 GewO 1994 bleiben hiervon unberührt. Die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft ist vor der Erteilung der Konzession aufzufordern, zur Frage der Leistungsfähigkeit des Betriebes eine Stellungnahme abzugeben.
(1a) Die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen sind der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde alle fünf Jahre ab Erteilung der Konzession nachzuweisen. Überprüfungen im Rahmen der Erteilung einer Gemeinschaftslizenz gemäß Art. 6 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1072/09 gelten als Überprüfung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4.
(2) Die Zuverlässigkeit ist, abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelten Fällen, insbesondere dann nicht gegeben, wenn
1.
der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt wurde, solange die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterliegt (§§ 1 bis 6 Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68), oder
2.
dem Antragsteller, dem Gewerbeberechtigten oder dem Verkehrsleiter aufgrund der geltenden Vorschriften die Bewilligung zur Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes rechtskräftig entzogen wurde, oder
3.
der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über
a)
die für den Berufszweig geltenden Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen oder
b)
die Güterbeförderung, insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker, die Gewichte und Abmessungen der Kraftfahrzeuge, die Sicherheit im Straßenverkehr und der Kraftfahrzeuge und den Umweltschutz sowie die sonstigen Vorschriften in Bezug auf die Berufspflichten,
rechtskräftig bestraft wurde.
§ 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet auszugsweise:
(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
...
3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt
...
Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z 4 SBBG vorliegt.
§ 28 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lauten:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.
der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 5 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz müssen sämtliche Voraussetzungen für die Konzession während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession zu entziehen. Die §§ 87 bis 91 GewO 1994 bleiben hiervon unberührt.
Gemäß Abs. 2 Z. 3 dieser Bestimmung ist die Zuverlässigkeit, abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelten Fällen, insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über
a)
die für den Berufszweig geltenden Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen oder
b)
die Güterbeförderung, insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker, die Gewichte und Abmessungen der Kraftfahrzeuge, die Sicherheit im Straßenverkehr und der Kraftfahrzeuge und den Umweltschutz sowie die sonstigen Vorschriften in Bezug auf die Berufspflichten,
rechtskräftig bestraft wurde.
Mehrere Verstöße gegen die in § 5 Abs. 2 Z. 3 GütbefG 1995 demonstrativ angeführten Vorschriften, insbesondere betreffend die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker, die Gewichte und Abmessungen der Kraftfahrzeuge, die Sicherheit im Straßenverkehr und der Kraftfahrzeuge, den Umweltschutz sowie die sonstigen Vorschriften in Bezug auf die Berufspflichten, sind für sich allein betrachtet noch nicht ausreichend, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Z. 3 GütbefG 1995 zu verwirklichen. Sie führen nur dann zu einer Entziehung der Konzession, wenn sie als schwerwiegende Verstöße anzusehen sind. Durch diese Einschränkung soll - ähnlich dem insoweit gleichlautenden § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 - vermieden werden, dass schon jede geringfügige Verletzung solcher Vorschriften die Entziehung der Konzession zur Folge hat. Das Gewicht des Verstoßes ergibt sich aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses und der Schwere seiner Verletzung. Ersteres findet nicht zuletzt auch in den gesetzlich für derartige Verstöße vorgesehenen (schweren) Sanktionen, Letzteres in den - im Einzelfall - in den bezughabenden Straferkenntnissen für die begangenen Delikte verhängten Strafen (oder anderen Rechtsfolgen) ihren Ausdruck (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2015/03/0017 mit Verweis auf Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO 19943, (2011) Rz 13f zu § 87 mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien).
Das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße“ im § 5 Abs. 2 Z. 3 GütbefG 1995 wird nach der Judikatur des VwGH (VwGH 24.3.2015, Ro 2015/03/0017 etc.) nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen, wobei im Zusammenhang mit dem GütbefG 1995 bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung nicht nur Verstöße beachtlich sind, die in Ausübung des konkreten Gewerbes begangen worden sind (VwGH 29.5.2009, 2007/03/0080, mwN). Entscheidend ist dabei, dass sich aus dieser Vielzahl von Verstößen unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Antragsteller sei nicht (bzw. nicht mehr) als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2015/03/0017, unter Hinweis darauf, dass eine solche Sichtweise auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebots der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Erwerbsfreiheit erforderlich ist (Hinweis E vom 22.6.2011, 2011/04/0036 mwN).
Ob schwerwiegende Verstöße vorliegen, ist aufgrund des bezughabenden Straferkenntnisses bzw. der Straferkenntnisse zu beurteilen. Dies erfordert Feststellungen über die der Verwaltungsstrafe konkret zugrunde liegende Tathandlung.
Im gegenständlich angefochtenen Bescheid wird in der Begründung auf den Verwaltungsstrafvormerk der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha verwiesen, wonach gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer 19 Übertretungen, drei davon nach dem Güterbeförderungsgesetz, sieben nach der Straßenverkehrsordnung 1960, acht nach dem Kraftfahrgesetz 1967 sowie eine nach dem ASVG aufscheinen würden. Weiters würden drei Vormerkungen, davon eine nach § 103 Abs. 2 KFG sowie zwei nach dem Parkometergesetz 2006 für Wien im Verwaltungsstrafvormerk der MA *** aufscheinen. Bei der Landespolizeidirektion Wien seien 22 Verwaltungsübertretungen vorgemerkt, wovon zwölf eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG betreffen würden.
Diese Verwaltungsstrafvormerkungen werden nicht im Einzelnen detailliert aufgelistet, sodass insbesondere die übertretenen Strafnormen offen bleiben. Lediglich auf insgesamt 15 Übertretungen nach § 103 Abs. 2 KFG wird hingewiesen. Weder wird das jeweilige Straferkenntnis bzw. die jeweilige Strafverfügung nach der Aktenzahl angeführt, noch wird die Übertretungsnorm oder die Höhe der verhängten Strafe angegeben. Auch das Datum, wann die Strafverfügung bzw. das Straferkenntnis erlassen wurde, fehlt. Bei einer pauschalen Anführung von übertretenen Gesetzen ohne konkrete Nennung der übertretenen Norm kann diese Beurteilung, ob es sich um schwerwiegende Verstöße iSd § 5 Abs. 2 Z. 3 GütbefG handelt, nicht vorgenommen werden. Es kann somit nicht beurteilt werden, ob die Verstöße insgesamt jenen Schweregrad erreichen, der für die Erfüllung des Entziehungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 iVm § 5 Abs. 2 Z. 3 GütbefG erforderlich ist. Weiters kann nicht beurteilt werden, welche Verwaltungsstrafvormerkungen in der Zeit nach der letzten Erweiterung der gegenständlichen Konzession vorgefallen sind bzw. welche früheren Verwaltungsstrafvormerkungen der Erteilung der (erweiterten) Konzession nicht entgegengestanden sind.
Die Behörde hat daher die für die Beurteilung der Verstöße als schwerwiegend festzustellenden Sachverhaltselemente nicht ermittelt, sondern lediglich Auszüge aus dem Verwaltungsstrafregister angefordert. Die Strafakten zu den darin aufgelisteten Verwaltungsstrafen hat sie nicht beigeschafft, auch nicht die der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha.
Da die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen unterlassen hat, steht der maßgebliche Sachverhalt iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht fest. Damit stellt sich die Frage, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich selbst nach § 28 Abs. 2 Z. 2 VwGVG im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, oder ob der Raschheit und Kostenersparnis besser durch eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gedient ist.
Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 2 Z. 2 iVm § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann daher nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwas schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 5.9.2018, Ro 2018/03/0017, VwGH 6.7.2016, Ra 2015/01/0123, jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgrund der dargestellten gravierenden Ermittlungslücken erfüllt. Indem die belangte Behörde keinerlei Feststellungen über die konkreten Verwaltungsstrafen getroffen hat, fehlt die sachverhaltsbezogene Grundlage für die Beurteilung der Verstöße.
Im gegenständlichen Fall kann die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Landesverwaltungsgericht gegenüber der Verwaltungsbehörde weder rascher durchgeführt werden, noch wäre die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Landesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Hier ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Strafakten zu den im Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha angeführten Verwaltungsstrafen bei der belangten Behörde selbst aufliegen.
Es war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Frage der Zulässigkeit des Vorgehens nach § 28 Abs. 3 VwGVG liegt eine umfangreiche höchstgerichtliche Judikatur vor, von der nicht abgewichen wurde. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Güterbeförderungsgewerbe; Gewerbeberechtigung; Entziehung; Zuverlässigkeit; schwerwiegender Verstoß; Ermittlungspflicht; Zurückverweisung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1159.001.2021Zuletzt aktualisiert am
19.05.2022