TE Vwgh Erkenntnis 1972/7/7 0361/72

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Veröffentlicht am 07.07.1972
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Index

Fremdenverkehrsbeiträge
L34002 Abgabenordnung Kärnten
L37302 Aufenthaltsabgabe Fremdenverkehrsabgabe Nächtigungsabgabe Ortsabgabe Gästeabgabe Kärnten
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §77 Abs1 implizit
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1970 §3
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1970 §8
LAO Krnt 1966 §54 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Riedel, Dr. Reichel, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. König über die Beschwerde des PB in H, vertreten durch DDr. Manfred Erschen, Rechtsanwalt in Leoben, Parkstraße 3, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 18. Februar 1972, Zl. 3-Gem-336/1/72, betreffend eine Übertretung des Fremdenverkehrsabgabegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des Bürgermeisters der Gemeinde H wurde der Beschwerdeführer mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 17. November 1971, Zl. 14 B 338/71, einer Übertretung des § 8 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes, LGBl. für Kärnten 1970/114, schuldig erkannt, weil er als Transportunternehmer und Abgabenschuldner unterlassen habe, über den im Jahre 1970 erzielten abgabepflichtigen Umsatz bis spätestens Ende März der Gemeinde eine Abgabenerklärung abzugeben. Gemäß § 10 des genannten Gesetzes wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 3 Tage) verhängt.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer Einspruch, weil er als Transportunternehmer, der Holz von Niederösterreich nach Italien sowie Fliesen und Steinplatten von Italien nach Niederösterreich abtransportiere, aus dem Fremdenverkehr keinen Nutzung ziehe und somit nach § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes nicht der Abgabepflicht unterliege.

Die Bezirkshauptmannschaft Villach leitete das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren ein. Dadurch ist die Strafverfügung außer Kraft getreten. Mit Straferkenntnis vom 18. Jänner 1972, Zl. St-6789/1/72, erkannte sie ihn derselben Verwaltungsübertretung schuldig wie in der vorangegangenen Strafverfügung und verhängte über ihn dieselbe Strafe; außerdem wurde ihm ein Strafkostenbeitrag in Höhe von S 100,-- auferlegt. In der Begründung ist ausgeführt, der Beschuldigte sei Abgabenschuldner, weil er Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 2 des Einkommensteuergesetzes 1967 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) beziehe, seine Frächterkonzession vom Standort H ausübe und Transportunternehmer im Anhang zum Fremdenverkehrsabgabegesetz unter Abgabetruppe C ausdrücklich aufschienen.

Der Beschwerdeführer berief mit der Begründung, die Erstinstanz habe zu Unrecht vorweggenommen, daß er Abgabenschuldner sei. Gegen eine derartige Feststellung durch das Gemeindeamt H habe er Berufung erhoben, über welche noch nicht entschieden sei. Er wiederholte weiters sein Vorbringen im Einspruch gegen die Strafverfügung.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 18. Februar 1972 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers unter Festsetzung eines Berufungskostenbeitrages in Höhe von S 100,-- ab. Der Beschwerdeführer gebe zu, die Abgabenerklärung für das Jahr 1970 nicht termingemäß abgegeben zu haben. Gemäß § 54 Abs. 1 der Landesabgabenordnung, LGBl. für Kärnten 1966/51, sei abgabepflichtig, wer als Abgabenschuldner nach den Abgabenvorschriften in Betracht komme. Nach dem Fremdenverkehrsabgabegesetz entstehe die Abgabenschuld - und damit der Abgabenanspruch der Behörde nach § 3 der Landesabgabenordnung - in dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpfe. Abgabenschuldner gemäß § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes seien alle jene selbständigen Erwerbstätigen, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen zögen und Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1967 erzielten. Das Vorliegen von Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit werde in der Berufung nicht bestritten. Die vom Beschwerdeführer zugegebenermaßen ausgeübte Tätigkeit eines Transportunternehmers scheine im Anhang zum Fremdenverkehrsabgabegesetz in der Abgabegruppe C auf. Die Einstufung in die Abgabengruppe und die Vorschreibung der Abgabe auf Grund der Einstufung obliege gemäß § 9 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes dem Bürgermeister. Gemäß § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes sei die Abgabenbehörde verpflichtet, die Einstufung der Abgabepflichtigen in eine der Abgabengruppen unter Bedachtnahme auf die Gleichartigkeit der Tätigkeit des Abgabepflichtigen mit der in der Anlage unter den verschiedenen Abgabengruppen beispielsweise aufgezählten Tätigkeiten vorzunehmen. Dies bedeute für solche selbständig Erwerbstätige, wie den Beschwerdeführer, eine „praesumtio iuris“ in bezug auf den Nutzen aus dem Fremdenverkehr. Sie seien daher, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes, wie vorliegendenfalls, gegeben seien, Abgabenschuldner und als solche gemäß § 8 des genannten Gesetzes verpflichtet, „eine Fremdenverkehrsabgabe abzugeben“ (gemeint offenbar: eine Fremdenverkehrsabgabenerklärung abzugeben). Auf die Frage, inwieweit im Rechtsmittelverfahren vor den Abgabenbehörden ein Gegenbeweis zulässig sei, bzw. erbracht werden könne, sei im Strafverfahren nicht einzugehen. Über diese Feststellungen hinaus sei noch vor allem auf die grundsätzlichen Bestimmungen der Landesabgabenordnung über die Mitwirkungspflicht der Parteien im Abgabenverfahren (§ 95 - Offenlegungspflicht, §§ 106 ff - Abgabenerklärung), sowie auf die sich aus §§ 114 und 117 ff der Landesabgabenordnung ergebende Verpflichtung aller Beteiligten hinsichtlich der Auskunftserteilung hinzuweisen.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Beschwerdepunkt ist (nach dem gesamten Beschwerdevorbringen) das Recht, nicht ohne Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandes einer Verwaltungsübertretung nach § 8 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. In der Begründung der Beschwerde wird darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer gegen den Fremdenverkehrsabgabebescheid für das Jahr 1971 die Berufung erhoben habe, weil er nicht den Fremdenverkehrsabgabe unterliege; über die Berufung sei noch nicht entschieden. Auch das Verfahren der Gemeinde H, in welchem festzustellen sei, ob der Beschwerdeführer überhaupt Abgabenschuldner im Sinne des § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes sei, sei noch nicht entschieden worden. Das Strafverfahren hätte somit unterbrochen werden müssen, bis feststehe, ob der Beschwerdeführer überhaupt der Abgabepflicht unterliege. Falls die Abgabepflicht rechtskräftig festgestellt worden wäre, hätte er sich nicht geweigert, die entsprechenden Unterlagen für die Abgabeneinhebung zur Verfügung zu stellen. Im übrigen enthalte der bekämpfte Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung. Er sei auch inhaltlich verfehlt, weil der Beschwerdeführer, da er mit dem Fremdenverkehr überhaupt nichts zu tun habe, gar nicht Abgabenschuldner im Sinne des § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes sei. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid behauptete „praesumptio iuris“ sei jedenfalls widerlegbar. Der angefochtene Bescheid aber nehme das Ergebnis der Prüfung, ob eine Abgabepflicht bestehe, vorweg, obwohl der Beschwerdeführer das Vorliegen einer der Voraussetzungen für die Abgabepflicht, nämlich das Ziehen eines Nutzens aus dem Fremdenverkehr, im Verwaltungsverfahren stets bestritten habe.

Die belangte Behörde beantragt in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Der Behauptung, es fehle dem angefochtenen Bescheid die Rechtsmittelbelehrung, hält sie die Bestimmung des § 58 Abs. 1 AVG 1950 entgegen, demzufolge bei Bescheiden einer Landesregierung eine Rechtsmittebelehrung entbehrlich sei. Im übrigen habe sie im angefochtenen Bescheid ausreichend begründet, daß und warum der Beschwerdeführer als Abgabenschuldner im Sinne des Fremdenverkehrsabgabegesetzes anzusehen sei. Die Einreichung einer Abgabenerklärung hätte keinesfalls ein Anerkenntnis der Verpflichtung zur Entrichtung einer Fremdenverkehrsabgabe dargestellt, wie sich bereits aus dem Erkenntnis des Reichsfinanzhofes vom 12. Juli 1922, Reichssteuerblatt 1922, S. 339, ergebe. Im angefochtenen Bescheid sei auch bereits darauf verwiesen worden, daß der Gesetzgeber den Parteien in allen Abgabenverfahren eine Mitwirkungspflicht auferlege, und zwar unbeschadet der Frage, ob der Betreffende Steuerschuldner sei oder nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der § 8 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes, dessen Übertretung dem Beschwerdeführer im Instanzenzug angelastet wurde, lautet: „Die Abgabenschuldner haben alljährlich über den im vorangegangenen Jahr erzielten abgabenpflichtigen Umsatz bis spätestens Ende März eine Abgabenerklärung abzugeben.“

Wer Abgabenschuldner ist, bestimmt der § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes, der wie folgt lautet: „Die selbständig Erwerbstätigen (natürliche und juristische Personen, Personengemeinschaften), die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen und Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1967 erzielen, haben eine jährliche Fremdenverkehrsabgabe zu leisten.“

Daraus folgt eindeutig, daß Abgabenschuldner nicht bereits der ist, der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1967 erzielt, sondern nur derjenige, der überdies aus dem Fremdenverkehr Nutzen zieht. Dem Gesetz ist auch keine Rechtsvermutung dafür zu entnehmen, daß jemand, der eine der im Anhang aufgezählten Tätigkeiten ausübt, aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehe, zumal die Abgabegruppe nach §§ 4 und 6 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes nur für die Höhe der Abgabe maßgebend sind.

Demgegenüber ist Abgabepflichtiger im Sinne des § 54 Abs. 1 der Kärntner Landesabgabenordnung, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt; als Abgabepflichtiger kann somit auch jemand angesehen und behandelt werden, von dem sich in der Folge herausstellt, daß er nicht Abgabenschuldner ist. Auf diese Bestimmung hat sich offenbar die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gestützt. Sie ist dabei allerdings insofern einem Rechtsirrtum unterlegen, als sie nicht bedachte, daß nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Verpflichtung zur Abgabe einer Abgabenerklärung nach § 8 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes nur dem Abgabenschuldner, nicht dem Abgabepflichtigen auferlegt ist. Von der Eigenschaft des Beschwerdeführers als Abgabenschuldner im Sinn des § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes ist die belangte Behörde aber in Wahrheit nicht ausgegangen. Sie hat vielmehr, wie auch ihre Hinweise auf die Landesabgabenordnung im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift zeigen, das im § 8 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes verwendete Wort „Abgabenschuldner“ berichtigend interpretiert und seinen Gebrauch dem Begriff des „Abgabepflichtigen“ gleichgesetzt. Einer solchen extensiven Interpretation steht der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen, insbesondere mit Rücksicht darauf, daß gerade der § 54 Abs. 1 der Landesabgabenordnung die Begriffe des „Abgabepflichtigen“ und des „Abgabenschuldners“ miteinander in Beziehung setzt und nach dieser, vorhin im Wortlaut wiedergegebenen Gesetzesstelle der Kreise der Abgabenpflichtigen weiter ist als der Kreis der Abgabenschuldner.

Gemäß § 1 Abs. 1 VStG 1950 kann aber als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Bei dieser Rechtslage können rechtspolitische Überlegungen keinen Ausschlag geben. Ebenso ist es ohne Bedeutung, ob in dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt allenfalls das Tatbild einer anderen als der angelasteten Verwaltungsübertretung erblickt werden könnte.

Da somit der Beschwerdeführer auf Grund einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde in seinen Rechten verletzt wurde, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde und in der Gegenschrift eingegangen werden mußte.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. 4. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da die in dieser Verordnung genannten Beträge für den Schriftsatzaufwand Pauschalsummen darstellen, die nicht überschritten werden dürfen; Barauslagen hat der Beschwerdeführer nicht beansprucht.

Wien, am 7. Juli 1972

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1972:1972000361.X00

Im RIS seit

19.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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