Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. HTL-Ing. Lic. Mag. A* B*, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte (GbR) in Wien, gegen die beklagte Partei V* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Interesse 182.140 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 2020, GZ 10 Ra 54/20i-20, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 27. Februar 2020, GZ 14 Cga 85/19z-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Der 1956 geborene Kläger war ab 1975 bei Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und zuletzt bei dieser angestellt. Sein Dienstverhältnis wurde mit 30. 6. 2006 einvernehmlich beendet.
[2] Der Kläger war Anwärter auf einen Pensionsvertrag gemäß Betriebsvereinbarung über die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Zuschusspension (BV-ZP 1983). Voraussetzung der Anspruchsberechtigung war, dass der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den erweiterten Kündigungsschutz erfüllt hatte (20-jährige ununterbrochene Dienstzeit und Vollendung des 45. Lebensjahrs; Beilage ./3), und dass „das Arbeitsverhältnis wegen Erreichung eines gesetzlichen Pensionsanspruchs“ gelöst wurde (§ 1 Abs 2 BV-ZP 1983).
[3] Mit der Betriebsvereinbarung über die Einbeziehung von Anwärtern auf einen Pensionskassenvertrag in die Verbund Pensionskasse und die Änderung der Betriebsvereinbarung Zuschusspension für die Anwärter auf einen Pensionsvertrag vom 28. 11. 1995 (BV-PKA 1995) wurden die bis zum 30. 6. 1994 eingetretenen, noch nicht zuschusspensionsberechtigten Arbeitnehmer in ein neues, beitragsorientiertes Pensionskassensystem einbezogen und wurde die bestehende Pensionskassenzusage geändert.
[4] Nach § 19 BV-PKA 1995 werden den Anwärtern auf Pensionsvertrag bzw Hinterbliebenen Zuschusspensionen „nach den Bestimmungen der BV-ZP 1983 und der BV-ZP Arbeitsunfall unter Berücksichtigung der in der BV-PKA 1995 vereinbarten Änderungen und Ergänzungen“ gewährt. Nach § 20 Abs 1 BV-PKA 1995 haben die Anwärter ab Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung einen Rechtsanspruch auf Zuschusspension. Sie „erhalten jedoch nur dann eine ZP, wenn sie bis zur Zuerkennung der Sozialpension eine 10-jährige ununterbrochene oder als ununterbrochen anerkannte Dienstzeit in einer der Gesellschaften gemäß § 8 Abs 1 Z 1 und 2 BV-ZP 1983 unterliegenden Gesellschaften haben“.
[5] Gemäß § 20 Abs 2 BV-PKA 1995 besteht Anspruch auf Zuschusspension „auch dann, wenn Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet haben und einvernehmlich aus dem Dienstverhältnis ausscheiden“.
[6] Mit Vertrag vom 14. 12. 1998 stimmte der Kläger der Übertragung der Verpflichtungen der Beklagten aus seiner leistungsorientierten Zuschusspension auf die Pensionskasse zu, wobei die Bedingungen der Betriebsvereinbarung betreffend die Übertragung von Pensionsanwartschaften und Leistungsverpflichtungen aus direkten Leistungszusagen auf die Verbund Pensionskasse AG vom 4. 12. 1998 (BV-PÜ 1998) zur Anwendung kamen. Abfindungsangebote lehnte der Kläger ab.
[7] Die wesentlichen Bestimmungen der Betriebsvereinbarung BV-PÜ 1998 lauten:
„§ 5 Gegenstand der Übertragung der Pensionsanwartschaft und der Übertragung der Leistungsverpflichtung
(1) Gegenstand der Übertragung der nicht abgefundenen Pensionsanwartschaft auf die vom Arbeitgeber zugesagte Zuschusspension ist
• die Überweisung des Deckungserfordernisses an die Pensionskasse durch die Arbeitgeber (siehe § 6),
• die Leistung von Beiträgen an die Pensionskasse zur Aufstockung der Deckungsrückstellung im Ausmaß des jeweiligen Deckungserfordernisses in dem nach dem jeweiligen von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan notwendigen Umfang (siehe § 7) und
• die Erfüllung der Leistungsansprüche der AWB durch die Pensionskasse entsprechend den gebildeten Deckungsrückstellungen (siehe § 8). (...)
§ 7 Beiträge der Arbeitgeber
(...)
(2) Die Arbeitgeber verpflichten sich zur Zahlung von laufenden Beträgen an die Pensionskasse, die zur Aufstockung der Deckungsrückstellung gemäß der in Abs 1 angeführten Vorausberechnungen erforderlich sind. Diese Beiträge betragen 1/12 des berechneten Aufstockungsbetrages und sind jeweils zum Monatsende an die Pensionskasse zu überweisen.
(3) Die Arbeitgeber verpflichten sich zur Zahlung von zusätzlichen Beiträgen, wenn der Vergleich des bisherigen Deckungserfordernisses mit dem zum Bilanzstichtag ermittelten Deckungserfordernis unter Berücksichtigung der laufenden Beiträge nach Abs 2 und des Veranlagungsergebnisses, das der Deckungsrückstellung zugeführt wird, eine Unterdeckung ergibt (Nachschusspflicht). (...)
§ 8 Versorgungsleistungen der Pensionskasse
(1) Die Arbeitgeber werden die Pensionskasse verpflichten, den LB und HB Zuschusspensionen entsprechend ihrer Pensionsanwartschaft aus der direkten Leistungszusage (siehe § 5 Abs 2) zu erbringen. (...)
[8] Im Jahr 2018 fragte der Kläger wegen seines beabsichtigten Pensionsantritts bei der Beklagten nach der Höhe seiner Zuschusspension an. Es wurde ihm daraufhin per E-Mail von einer Konzerngesellschaft eine „unverbindliche Vorausberechnung“ der „LO-Leistung“ von ca 4.000 EUR monatlich bei Pensionsantritt ab 2019 übermittelt.
[9] Die Pensionskasse teilte dem Kläger zum Stichtag 1. 1. 2019 eine errechnete beitragsorientierte Pensionsleistung von 2.699 EUR brutto (14 mal jährlich) mit.
[10] Der Kläger begehrt die Feststellung einer Nachschusspflicht der Beklagten an die Pensionskasse, sodass diese in die Lage versetzt werde, ihm eine monatliche Bruttopension von 4.000 EUR mit jährlicher Valorisierung zu bezahlen, zudem erhob er ein Eventualbegehren. Es gelte für ihn sowohl aufgrund der BV als auch aufgrund einer einzelvertraglichen Zusage nach wie vor eine leistungsorientierte Pensionszusage, die eine unbeschränkte Nachschusspflicht bedinge.
[11] Die Beklagte wandte ein, der Kläger erfülle die in § 20 BV-PKA 1995 normierten Voraussetzungen für eine leistungsorientierte Pension nicht, weil sein Dienstverhältnis bereits vor dem 55. Lebensjahr und rund 12 Jahre vor der Zuerkennung einer gesetzlichen Pension aufgelöst worden sei. Er habe somit nur einen Anspruch aus der unverfallbaren, beitragsfrei gestellten Anwartschaft gemäß § 5 Abs 2 Z 1 BPG gegenüber der Pensionskasse. Die von einer Mitarbeiterin einer Konzerngesellschaft der Beklagten erteilte Auskunft über die voraussichtliche Höhe der Leistung sei in Unkenntnis der näheren Umstände ergangen und nur eine unverbindliche Wissenserklärung.
[12] Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Die Regelung des § 20 Abs 1 BV-PKA 1995 sei konform mit den Regelungen des BPG dahin zu interpretieren, dass die ununterbrochene 10-jährige Dienstzeit nicht unbedingt unmittelbar vor dem Pensionseintritt gelegen sein müsse. Würde man der Auslegung der Beklagten folgen, wäre diese in der Lage, sich einseitig durch Kündigung älterer Dienstnehmer von ihrer Nachschusspflicht zu befreien.
[13] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten dahingehend Folge, dass es das Urteil des Erstgerichts mit dem angefochtenen Beschluss zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufhob.
[14] Grundsätzlich führe die Beendigung eines Dienstverhältnisses mit leistungsorientierter Pensionskassenzusage vor dem Leistungsanfall – sofern vom Arbeitnehmer keine andere gesetzlich mögliche Disposition getroffen werde – zur Umwandlung des Unverfallbarkeitsbetrags in eine beitragsfreie Anwartschaft. Im Fall des Klägers spiele dies aber keine Rolle, weil nach § 7 BV-PÜ 1998 eine Nachschusspflicht des Arbeitgebers zugesichert sei. Das „Einfrieren“ des Unverfallbarkeitsbetrags könne die in der Betriebsvereinbarung begründete Nachschusspflicht und Ausfallhaftung der Beklagten nicht beseitigen. Dem Wortlaut sei nicht zu entnehmen, dass die Nachschusspflicht an die Voraussetzung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Zuerkennung einer gesetzlichen Pension gebunden sein sollte.
[15] Dennoch sei die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung erforderlich, weil noch keine Feststellungen zur Höhe des strittigen Anspruchs getroffen wurden.
[16] Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die Bedeutung der Auslegung des § 20 Abs 1 BV-PKA 1995 über den Einzelfall hinausgehe und dazu bisher keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[17] Der vom Kläger beantwortete Rekurs der beklagten Partei ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig. Der Rekurs ist – im Ergebnis – aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[18] 1. Die Beklagte wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen und führt aus, das Berufungsgericht habe bei seinen Überlegungen verkannt, dass es sich auch bei vereinbarten Nachschüssen um Beiträge im Sinne der §§ 6 und 8 BPG handle, die nach der Beendigung eines Dienstverhältnisses mit leistungsorientierter Pensionskassenzulage vor Leistungsanfall vom früheren Arbeitgeber nicht mehr weiter zu leisten sind.
[19] 2. Unstrittig ist im vorliegenden Verfahren, dass es sich bei der für den Kläger geltenden Pensionszusage um ein leistungsorientiertes Modell handelte. Die Berechnungsformel für die in Aussicht gestellte Pensionsleistung orientierte sich an der Höhe des zuletzt bezogenen Gehalts. Dazu korrespondierend ist die Beklagte während der Anwartschaftsphase nicht nur zu laufenden Beiträgen, sondern auch zu Nachschüssen an die Pensionskasse verpflichtet, damit diese auch bei nicht ausreichendem Veranlagungserfolg jeweils über das Deckungserfordernis zur Erfüllung der gesamten zugesagten Pensionsleistung verfügen kann.
[20] 3. Für den Fall, dass das Dienstverhältnis eines Anwartschaftsberechtigten vor dem Eintritt des Leistungsfalles endet, bestimmt § 5 BPG, dass die bisher erworbene Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung unverfallbar wird. Aus der unverfallbaren Anwartschaft ist nach § 5 Abs 1a BPG ein Unverfallbarkeitsbetrag zu errechnen, der der aufgrund des Risikos des Alters und des Todes geschäftsplanmäßig zu bildenden Deckungsrückstellung entspricht, wobei Veränderungen des Entgelts nur bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind.
[21] Über den Unverfallbarkeitsbetrag kann der Arbeitnehmer die im Gesetz aufgezählten Verfügungen treffen. Entscheidet er sich – wie der Kläger – für eine Wahrung der Anwartschaft, dann ist der Unverfallbarkeitsbetrag in eine beitragsfrei gestellte Anwartschaft umzuwandeln. Ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens werden keine Beiträge mehr an die Pensionskasse geleistet. Die Pensionskasse hat den Unverfallbarkeitsbetrag weiter zu veranlagen und bei Eintritt des Leistungsfalls auf der Basis des Unverfallbarkeitsbetrages eine Pensionsleistung zu erbringen.
[22] Ebenso wie die Beitragspflicht endet nach diesem gesetzlichen Modell für die Sicherung der bloßen Anwartschaft mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei leistungsorientierten Pensionszusagen auch grundsätzlich eine Nachschusspflicht des Arbeitgebers. Diese Konsequenz der Beendigung des Anwartschaftsverhältnisses wird auch bei Betrachtung der nach § 5 Abs 2 BPG dem ehemaligen Arbeitnehmer alternativ zur Umwandlung in eine beitragsfreie Anwartschaft offenstehenden Möglichkeiten deutlich. Alle diese Varianten sind mit einer weiterbestehenden Leistungspflicht des früheren Arbeitgebers praktisch unvereinbar, sondern entsprechen der Reduktion der Anwartschaft aus der früheren Pensionszusage auf den Unverfallbarkeitsbetrag. Ab der Beendigung des Dienstverhältnisses ist eine Fortführung der Pensionsvorsorge mit Arbeitnehmerbeiträgen beitragsorientiert möglich (Schrammel/Kietaibl aaO § 5 BPG Rz 40). Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Dienstgeber aufgrund einer leistungsorientierten Pensionszusage aber zu Beitrags- und Nachschussleistungen verpflichtet, die zur Aufrechterhaltung der erforderlichen Deckungsrückstellung notwendig sind (vgl § 7 BV-PÜ 1998: jährliche Berechnung und Nachschusspflicht). Da die Deckungsrückstellung nach § 5 Abs 1a BPG die Höhe des Unverfallbarkeitsbetrags bestimmt, nimmt auch der vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am leistungsorientierten Pensionsmodell teil.
[23] 4. Auch das Berufungsgericht ist von dieser Rechtslage ausgegangen. Aus der in §§ 7 f BV-PÜ 1998 normierten Nachschusspflicht der Beklagten schließt es jedoch im Zusammenhang mit § 20 BV-PKA 1995, dass hier auch den vor Pensionsantritt ausgeschiedenen Anwartschaftsberechtigten ein vom gesetzlichen Modell abweichender und darüber hinausgehender, weiterhin leistungsorientierter Anspruch zugesagt worden sei. Der Unverfallbarkeitsbetrag spiele für den Kläger insoweit keine Rolle, als die Beklagte jedenfalls verpflichtet sei, ihm eine Zuschusspension nach den Regelungen der BV-PKA 1995 iVm der BV-ZP 1983 zu gewährleisten. Diesen Betriebsvereinbarungen sei nicht zu entnehmen, dass die leistungsorientierte Zusage an den unmittelbaren Übertritt in die Pension geknüpft sei. Das Berufungsgericht geht offenbar insoweit nicht bloß von einer durch die Bestimmung des § 5 BPG geschützten Anwartschaft aus.
[24] Die Frage, in welchen Fällen den Arbeitgeber eine Nachschusspflicht trifft, ist durch Auslegung der Übertragungsvereinbarung (Leistungszusage) – hier der Pensionskassen-BV der Beklagten – zu beantworten (vgl RS0119398; 9 ObA 77/16p mwN). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nach § 7 BV-PÜ 1998 laufend Nachschüsse zur Aufrechterhaltung des Deckungserfordernisses zu leisten, sodass die Pensionskasse nach § 8 BV-PÜ ihre Leistungsverpflichtung an die Leistungsberechtigten und Hinterbliebenen entsprechend ihrer Pensionsanwartschaft aus der direkten Leistungszusage erfüllen kann.
[25] Maßgeblich für den Anspruch des einzelnen Leistungsberechtigten ist, ob und in welchem Umfang ihm aufgrund seiner Pensionszusage eine Zuschusspension zusteht, insbesondere für den Fall einer Beendigung des Dienstverhältnisses vor Leistungsanfall.
[26] 5. Die Vorinstanzen haben die Rechtsgrundlagen des Anspruchs des Klägers, die BV-ZP 1983 und die BV-PKA 1995 dahin ausgelegt, dass ein direkter Übertritt aus dem Dienstverhältnis in die Pension nicht Bedingung für einen leistungsorientierten Pensionszuschuss sei. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass bei vorzeitigem Ausscheiden vor dem Leistungsfall lediglich eine aus der Erfassung der Anwartschaften iSd § 5 BPG errechnete beitragsorientierte Pensionskassenpension gebühren sollte.
[27] Der von den Vorinstanzen dazu zitierten Judikatur (9 ObA 77/16p und 9 ObA 95/19i; vgl auch 9 ObA 132/09s), lagen jeweils nicht die hier maßgeblichen Betriebsvereinbarungen und teilweise wesentlich andere Sachverhaltskonstellationen (Altersgrenze für Flugbegleiterinnen, die zu einem offenbar ungewollten Ausschluss dieser Berufsgruppe geführt hätte: 9 ObA 132/09s) zugrunde. In diesen Fällen hat der Oberste Gerichtshof die Auslegung der Vorinstanzen bestätigt, dass nach den jeweiligen Formulierungen der betroffenen Pensionszusagen ein direkter Übertritt aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand nicht als Anspruchsvoraussetzung normiert war. Die vorgesehene „Nachschusspflicht“ war auf die zugesagten Leistungen bezogen und der Oberste Gerichtshof hat zu diesen Entscheidungen den Erwerb des Leistungsanspruchs bejaht, weil dieser nicht an ein bestimmtes Alter bei Auflösung des Dienstverhältnisses gebunden war.
[28] 6. Nach § 1 Abs 2 BV-ZP 1983, deren Pensionsmodell mit den durch die PV-PKA 1995 erfolgten Änderungen für den Kläger maßgeblich ist, bestand für Arbeitnehmer mit erlangtem erweitertem Kündigungsschutz („Treuebrief“) Anspruch auf Zuschusspension unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis wegen Erreichen eines gesetzlichen Pensionsanspruchs gelöst wurde.
[29] Auch nach § 19 BV-PKA 1995 werden Zuschusspensionen nach den Bestimmungen der BV-ZP 1983 und der BV-ZP Arbeitsunfall, jedoch unter Berücksichtigung der in dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten Änderungen und Ergänzungen gewährt. Diese Änderungen betreffen die Wartezeit, die nach § 20 Abs 1 BV-PKA nicht mehr den Treuebrief und nur mehr eine anrechenbare Dienstzeit von 10 Jahren bis zur Zurkennung der Sozialpension erfordert. Damit werden die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs 1 BV-ZP 1983 modifiziert.
[30] Eine Änderung in Bezug auf das in § 1 Abs 2 BV-ZP 1983 normierte Zusatzerfordernis, dass das Arbeitsverhältnis wegen Erreichens eines gesetzlichen Pensionsanspruchs gelöst wird, beinhaltet die BV-PKA nur insoweit, als der Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 20 Abs 2 BV-PKA um Arbeitnehmer erweitert wird, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und vor Übertritt in die gesetzliche Pension einvernehmlich ausscheiden. Die dafür in § 20 Abs 2 BV-ZP gebrauchte Formulierung, dass „auch dann“ Anspruch auf Zuschusspension besteht, meint offenkundig nicht, dass diese Arbeitnehmer die Wartezeitvoraussetzung des voranstehenden Absatzes nicht erfüllen müssen, sondern dass sie ohne ihre gesonderte Einbeziehung ungeachtet einer ausreichenden Dienstzeit dem Kreis der Berechtigten nicht angehören würden. Für diese Fälle der vorzeitigen einvernehmlichen Beendigung wird zudem eine besondere Fälligkeit der Zuschusspension und das Ruhen der Leistung während eines fiktiven Abfertigungszeitraums geregelt.
[31] Andere Arbeitnehmer, die vor dem Übertritt in die gesetzliche Alterspension ausgeschieden sind und auch die Voraussetzungen nach § 20 Abs 2 BV-PKA nicht erfüllen, werden in dieser Betriebsvereinbarung genauso wenig als Anspruchsberechtigte genannt wie in der BV-ZP 1983.
[32] 7. Geht man mit den Vorinstanzen davon aus, dass solche Personen, sofern sie nur die Voraussetzungen nach § 20 Abs 1 BV-ZP erfüllen, nach der Intention der Parteien der Betriebsvereinbarung dennoch im Rahmen eines zu leistenden Nachschusses einen Anspruch auf leistungsorientierte Zuschusspension und nicht nur den Schutz ihrer Anwartschaften iSd § 5 BPG haben sollten, hätten allerdings Beendigungsart, Fälligkeit und Ruhensfristen gerade für diesen inhomogenen Personenkreis einer besonderen Regelung bedurft.
[33] Es wäre insbesondere nicht nachvollziehbar, dass für über 55-jährige Arbeitnehmer, die dem gesetzlichen Pensionsalter bereits näher stehen, eine einvernehmliche Beendigung Voraussetzung für den Anspruch auf die leistungsorientierte Zuschusspension wäre, für alle in jüngerem Alter ausgeschiedenen aber nicht, sodass auch eine Arbeitnehmerkündigung oder sogar eine verschuldete vorzeitige Beendigung nicht anspruchsschädlich wären.
[34] Hätten die Vertragsparteien aber die Ansprüche aller Arbeitnehmer mit mindestens zehnjähriger anrechenbarer Dienstzeit unabhängig von Alter und Beendigungsart gleich gestalten wollen, wäre der auf ein bestimmtes Alter eingeschränkte persönliche Geltungsbereich des § 20 Abs 2 BV-PKA unverständlich.
[35] 8. Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen (RS0050963). Grundsätzlich ist der gegenwärtige objektive Sinngehalt maßgebend (RS0008874). Dabei ist im Zweifel zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RS0008897; s auch RS0008828). Die Auslegung einer Vereinbarung über eine Betriebspension hat sich auch am Zweck dieser Regelung zu orientieren (RS0017765 [T5]) der neben dem Versorgungszweck vor allem der Gedanke der Bindung an das Unternehmen und einer Belohnung der Betriebstreue des Angestellten zugrundeliegt, zumal die Aussicht auf eine höhere attraktive Altersversorgung aus Arbeitnehmersicht in hohem Maß dies fördert. Die Regelung über den Unverfallbarkeitsbetrag in § 5 BPG, der unabhängig von der Art und – nach drei Jahren – auch vom Zeitpunkt der Auflösung zusteht, mildert die mobilitätseinschränkenden Effekte in dem vom Gesetzgeber gewünschten Ausmaß.
[36] Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Regelungen des § 1 BV-ZP mit §§ 19 und 20 BV-PKA in ihrem Zusammenhang dahingehend auszulegen, dass eine leistungsorientierte Zuschusspension nur Arbeitnehmern zugesagt wird, die entweder ab dem 55. Lebensjahr einvernehmlich – insbesondere zB im Zuge von Personalabbaumaßnahmen des Dienstgebers – ausscheiden oder deren Arbeitsverhältnis wegen Übertritts in eine gesetzliche Pension beendet wird. Anderen Arbeitnehmern, die vor Vollendung des 55. Lebensjahrs oder danach nicht einvernehmlich ausscheiden, verbleiben die nach dem BPG garantierten Ansprüche aus ihrer unverfallbaren – bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses nach den Regelungen der BV-PÜ 1998 auch laufend leistungsorientiert einschließlich etwa erforderlicher Nachschüsse zu dotierenden – Anwartschaft.
[37] 9. Diese Regelung kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht als unsachlich angesehen werden. Sie entspricht den genannten Zwecken der Betriebspension, zumal bei Arbeitnehmern, die mehr als 10 Jahre vor Erreichen des Regelpensionsalters aus dem Dienstverhältnis ausscheiden, mit einem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber und daran anknüpfend gegebenenfalls auch mit einer Fortsetzung des Erwerbs von Anwartschaften nach einer der in § 5 Abs 2 BPG offenstehenden Varianten gerechnet werden kann.
[38] Die vom Kläger ins Treffen geführten Bedenken, dass es der Beklagten möglich wäre, im Zuge von Personalabbaumaßnahmen Dienstnehmer kurz vor Erreichen des Pensionsalters zu kündigen, um sich die Nachschusspflicht zu ersparen, ist eine abstrakte Überlegung, die auf den vorliegenden Sachverhalt unstrittig nicht zutrifft und deren Rechtsfolgen hier nicht zu beurteilen sind.
[39] 10. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das auf Ansprüche nach den BV-ZP 1983 und BV-PKA 1995 gegründete Klagebegehren mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die leistungsorientierte Zuschusspension nicht berechtigt ist. Da eine „Nachschusspflicht“ der Beklagten zugunsten des Klägers aus diesen Gründen nicht besteht, bedarf es der vom Berufungsgericht für erforderlich erachteten Verfahrensergänzung zur Höhe des Anspruchs insoweit nicht. Darauf, dass die Beklagte etwa ihre Verpflichtung zur laufenden Beitrags- oder Nachussleistung während des Arbeitsverhältnisses nicht entsprochen habe, stützt sich der Kläger nicht.
[40] 11. Dessen ungeachtet ist die Rechtssache nicht spruchreif, weil der Kläger seinen Anspruch hilfsweise auch auf den Rechtsgrund einer einzelvertraglichen Zusage gestützt hat, die ihm aus Anlass der einvernehmlichen Beendigung seines Dienstverhältnisses erteilt worden sei. Das Erstgericht hat von seiner dargestellten Rechtsansicht ausgehend keine zur Beurteilung eines eventuellen einzelvertraglichen Anspruchs geeigneten Feststellungen getroffen oder die Schlüssigkeit des Klagebegehrens erörtert (vgl 8 ObA 66/14k). Diese werden im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
[41] Darüber hinaus ist auch das in der Klage erhobene Eventualbegehren unschlüssig geblieben. Der Kläger hat weder dargelegt, welchen Anspruch er damit überhaupt erheben will, noch wie sich der begehrte Betrag zusammensetzt.
[42] Das Begehren wird daher zu erörtern (RS0037166 [T2, T12]) und unter der Voraussetzung seiner Schlüssigstellung im Fall einer Abweisung des Hauptbegehrens meritorisch zu behandeln sein.
[43] Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht über den Antrag der Beklagten gemäß § 7 RATG auf Festsetzung des Streitwerts noch nicht entschieden hat.
[44] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 2 ASGG, § 52 ZPO.
Textnummer
E134823European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00009.21P.0330.000Im RIS seit
19.05.2022Zuletzt aktualisiert am
19.05.2022