TE OGH 2022/4/6 6Ob36/22w

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Veröffentlicht am 06.04.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, vertreten durch Wallner Jorthan Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W* GmbH, *, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. November 2021, GZ 15 R 44/21g-33, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Februar 2021, GZ 29 Cg 43/20m-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die Beklagte betreut ca 1,6 Mio Stromzähler. Seit dem Jahr 2009 arbeitet sie an einem Projekt über den Austausch der analogen Zähler auf „smarte Zähler“. Im November 2019 wurde der Roll-Out begonnen. Die Beklagte arbeitet dabei mit externen Firmen zusammen. Bisher wurden von der Beklagten bereits 180.000 digitale Stromzähler montiert. Derzeit werden etwa 5.000 Zähler pro Woche montiert. Ziel ist es, ab April 2021 wöchentlich 8.000 Zähler zu montieren, damit man mit den Zählerwechseln Ende 2024 fertig ist.

[2]       Zwischen den Streitteilen besteht ein aufrechter Strom-Nutzungsvertrag. Punkt X. der Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Strom-Verteilernetz der Beklagten (idF nur „AB VN“) lautet auszugsweise:

„2.  Die erforderlichen Mess-, Steuer- und Datenübertragungseinrichtungen (im Folgenden: Messeinrichtungen) werden von den W* nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden hinsichtlich Art, Zahl, Ort und Größe festgelegt, eingebaut, überwacht, entfernt und erneuert, soweit nichts anderes vereinbart oder in den jeweils geltenden Systemnutzungsentgelten vorgesehen oder in den geltenden technischen Regeln festgelegt wurde.

3.  Die Verpflichtung zum Einbau von intelligenten Messgeräten („Smart Meter“) ist den W* gemäß § 83 Abs 1 ElWOG in Zusammenhang mit der intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO) vorgeschrieben. Die Entscheidung, ob konventionelle Messeinrichtungen oder intelligente Messeinrichtungen („Smart Meter“) eingesetzt werden, obliegt den W* unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insb § 83 Abs 1 ElWOG und IME-VO). Insbesondere legen die W* fest, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Gebiet sie intelligente Messgeräte einsetzen. Die W* haben den Netzkunden schriftlich und zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes und die damit verbundenen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz sowie Bereitstellung und Übermittlung der Informationen gemäß §§ 81a bis 84a ElWOG, zu informieren. […]

4.  Der Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, kann erst nach der Ankündigung des Netzbetreibers über den geplanten Einbau eines intelligenten Messgerätes berücksichtigt und bearbeitet werden. Erklärungen vor diesem Zeitpunkt werden vom Netzbetreiber nicht berücksichtigt.

5.  Im Falle eines Kundenwunsches, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, kann der Netzbetreiber einen digitalen Standardzähler (laut Definition in den geltenden sonstigen Marktregeln) einsetzen. Dies wird im Zählerdisplay angezeigt.

[…]“

[3]       Der Austausch des Zählers beim Kläger ist erst für etwa Mitte 2022 vorgesehen. Aus diesem Grund ist der Kläger bisher auch nicht vom geplanten Austausch des Zählers durch die Beklagte informiert worden. Mit Schreiben vom 17. 12. 2019 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass er den Austausch des analogen Stromzählers („Ferraris“-Zähler) gegen ein neues intelligentes Messgerät (Smart Meter) ablehne. Mit E-Mail vom 20. 12. 2019 wurde der Kläger von der Beklagten darauf hingewiesen, dass sie zum Austausch der Stromzähler verpflichtet sei, es aber die Möglichkeit eines Opt-Out gebe. Etwa sechs Wochen vor dem geplanten Zählertausch würden die Kunden über den geplanten Tausch unter Hinweis auf die Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Funktionen mit denen das zu installierende Gerät ausgestattet sein werde, informiert.

[4]       Die Beklagte räumt den Kunden folgende Auswahlmöglichkeiten ein:

-

Standardkonfiguration: Hierbei werden die mittels intelligenter Messgeräte aufgezeichneten Tageswerte des Stromverbrauchs an den Energieversorger übertragen.

-

Opt-In-Konfiguration: Hierbei werden neben den Tageswerten auch die Viertelstundenwerte übertragen.

-

Opt-Out-Konfiguration: In solch einem Fall werden mit dem digitalen Messgerät weder Viertelstunden- noch Tages- oder Monatswerte gespeichert und übertragen; die entsprechenden Funktionen sind deaktiviert. Gespeichert und übertragen wird lediglich der jährliche Verbrauch.

[5]       Als intelligente Messgeräte („Smart Meter“) werden jene Geräte bezeichnet, die entweder die Standardkonfiguration oder die Opt-In-Konfiguration aufweisen. Hingegen umfassen digitale (elektronische) Zähler Messgeräte, die mit der Opt-Out-Konfiguration ausgestattet sind. Nach schriftlicher Auswahl einer der drei Möglichkeiten erhält jeder Kunde ein Zugangspasswort sowie eine Identifikationsnummer für das Webportal der Beklagten zugesendet. Mit diesen Zugangsdaten können jene Kunden, die sich für die Opt-In-Variante oder die Standardkonfiguration entschieden haben, in bestimmten zeitlichen Abständen den aktuellen Stromverbrauch online einsehen. Die Daten der Kunden werden im System der Beklagten gespeichert und auf dem Webportal dargestellt. Dies gilt jedoch nicht für Kunden die das Opt-Out gewählt haben. In diesem Fall werden keine laufenden Datenaufzeichnungen getätigt. Der Unterschied zum bisherigen analogen Zähler besteht darin, dass die Daten einmal pro Jahr extern ausgelesen werden und es nicht mehr erforderlich ist, die Daten von jemandem vor Ort auslesen lassen zu müssen.

[6]       Allen Varianten ist gemein, dass der gesamte jährliche Stromverbrauch eines Kunden einmal pro Jahr entsprechend der Lieferantenverträge den Stromlieferanten zur Abrechnung übermittelt wird. Der Stromlieferant sowie die Zählerhersteller haben keinen Zugriff auf die weiteren von der Beklagten gespeicherten Daten.

[7]       Bei der Montage des neuen Zählers ist dieser bereits entsprechend der gewählten Variante konfiguriert bzw programmiert. Hat der Kunde die Opt-Out-Variante gewählt, so ist dies auf dem Display des digitalen Zählers zu jeder Zeit ersichtlich. Sollte es zu einem Wechsel des Kunden, beispielsweise durch Wohnungswechsel kommen, ist es der Beklagten – je nach der durch den neuen Kunden gewählten Variante – aus der Ferne möglich, die Konfiguration des Stromzählers auf eine der anderen Konfigurationen zu ändern. Dasselbe gilt auch dann, wenn sich der Kunde während aufrechter Vertragsbeziehung für eine andere Variante als jene, die er zuvor gewählt hat, entscheidet.

[8]       Der Smart Meter erfasst Verbrauchsdaten und überträgt sie dann verschlüsselt an die Beklagte. Erst bei der Beklagten werden diese Daten dem jeweiligen Haushalt zugeordnet und zugriffsgeschützt in ihrem persönlichen Webportal dargestellt. Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls und Verschlüsselungen verhindern den unautorisierten Zugriff auf die Daten.

[9]       Ein wesentlicher Grund sich für die Opt-In-Variante zu entscheiden ist, dass man sich durch die nicht nur einmal jährlich stattfindende Erhebung des Stromverbrauchs mit Experten zusammensetzen und Stromeinsparungsmaßnahmen festlegen kann. Allerdings wird auch hier nur der jeweilige Zählerstand über eine bestimmte Zeitspanne übermittelt. Von außen kann nicht nachvollzogen werden, durch welche Geräte udgl der jeweilige Zählerstand zustande kommt. Ein Rückschluss auf die Lebensgewohnheiten der Kunden kann nicht erzielt werden.

[10]     Der Kläger beantragte bei der Regulierungskommission der E-Control zu R STR 03/20, die Beklagte dazu zu verhalten, in seiner Anlage den bestehenden Zähler eingebaut zu lassen bzw diesen nicht gegen ein intelligentes Messgerät auszutauschen. Die angerufene Behörde wies den Antrag ab.

[11]     Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, das an der Messstelle des Klägers installierte „Ferraris“-Messgerät durch ein intelligentes Messgerät zu ersetzen, in eventu die Feststellung, dass der Beklagten ohne ausdrückliche Einwilligung des Klägers nicht das Recht zukomme, das an der Messstelle des Klägers installierte „Ferraris“-Messgerät durch ein intelligentes Messgerät zu ersetzen. Durch intelligente Messgeräte erhobene Verbrauchsinformationen von Privathaushalten würden personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSGVO darstellen. Die präzise Erfassung des Stromverbrauchs einzelner Wohneinheiten stelle einen erheblichen Eingriff in die von § 16 ABGB geschützte Privatsphäre dar. § 83 Abs 1 ElWOG gewähre dem Endverbraucher das Recht, mittels einseitiger Erklärung den Einbau eines intelligenten Messgeräts abzulehnen. Der Netzbetreiber habe diesem Wunsch zu entsprechen.

[12]     Die Beklagte wandte ein, sie sei als Netzbetreiberin gemäß § 83 Abs 1 ElWOG iVm § 1 Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO) verpflichtet, die an ihr Verteilernetz angeschlossenen Endverbraucher mit intelligenten Messgeräten (Smart Meter) auszustatten. Bei Abgabe einer Opt-Out-Erklärung habe der Netzbetreiber gemäß § 1 Abs 6 IME-VO das einzubauende oder bereits eingebaute intelligente Messgerät derart zu konfigurieren, dass keine Monats-, Tages- und Viertelstundenwerte gespeichert und übertragen werden können; die jeweilige Konfiguration der Funktionen müsse für den Endverbraucher am Messgerät ersichtlich sein. Bei einem in diesem Sinn konfigurierten Messgerät handle es sich um kein intelligentes Messgerät im Sinne des ElWOG. Der Kunde habe gemäß ElWOG und IME-VO nicht das Recht, den Smart Meter bzw ein digitales Messgerät generell abzulehnen und auf den Beibehalt eines analogen Geräts zu beharren. Darüber hinaus sei die Beklagte auch aufgrund der zwischen ihr und ihren Kunden geltenden Netznutzungsbedingungen dazu berechtigt, intelligente Messgeräte einzubauen.

[13]     Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Dem Wunsch des Kunden auf Opt-Out sei durch die Nicht-Aktivierung oder Deaktivierung der intelligenten Funktionen zu entsprechen. Ein infolge Opt-Out eingesetztes Messgerät sei kein intelligentes Messgerät iSd § 7 Z 31 ElWOG. Ein Recht des Kunden, den Einbau eines digitalen Messgeräts generell abzulehnen und auf dem Beibehalt des alten Zählers zu beharren, bestehe nicht. Aus § 1 Abs 1 Z 2 IME-VO folge nicht, dass 5 % aller Messgeräte nicht als intelligente Messgeräte auszustatten seien. Beim Einbau des digitalen (elektronischen) Messgeräts komme es zunächst nicht zur Erhebung von Daten des Klägers. Hinsichtlich des Austauschs des Zählers bestünden daher auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Im Fall des Opt-Out-Wunsches eines Kunden werde das Messgerät so konfiguriert und programmiert, dass sämtliche Funktionen, die das Gerät zu einem intelligenten Messgerät werden ließen, deaktiviert seien. Durch deaktivierte Funktionen werde keine Datenverwendung durchgeführt. Insbesondere sei eine abgeschaltete Funktion daher keine Datenverarbeitung iSd Art 4 Z 2 DSGVO. Aufgrund des Netznutzungsvertrags sei eine Übermittlung des Zählerstands zur Verbrauchsabgrenzung bei der Jahresrechnung, einem Lieferantenwechsel oder bei Tarif- oder Preisänderungen jedenfalls zur Vertragserfüllung erforderlich und somit auch datenschutzrechtlich zulässig. Zudem erfolge die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers aufgrund der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (§ 83 ElWOG und IME-VO). Die hypothetische Möglichkeit der Umkonfiguration der Messgeräte durch die Netzbetreiber (die ihnen ohne Einwilligung der Kunden untersagt sei) beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht.

[14]     Das Berufungsgericht teilte die Beurteilung des Erstgerichts. Beim Messgerät in der Opt-out-Variante werde der Stromverbrauch (lediglich) jährlich (extern) ausgelesen, was zur Erfüllung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrags und gemäß Art 6 Abs 1 lit b DSGVO sowie auch im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zulässig sei. Dem Wunsch des Netzkunden, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, werde dadurch entsprochen, dass dieses entsprechend konfiguriert werde, sodass keine Monats-, Tages- und Viertelstundenwerte gespeichert und übertragen würden und die Abschaltfunktion sowie Leistungsbegrenzungsfunktion deaktiviert seien (Opt-out). Der Einbau eines derart konfigurierten digitalen Messgeräts stelle keinen Grundrechtseingriff dar. Auf die potentielle Aktivierungsmöglichkeit komme es nicht an.

[15]           Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage, ob der Endverbraucher den Einbau eines digitalen Messgeräts bei Opt-out-Wunsch zu dulden habe, Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

[16]     Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[17]           1.1. Vorauszuschicken ist, dass nach Punkt X.2. AB VN die Beklagte die erforderlichen Messeinrichtungen nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden festlegt, einbaut, überwacht, entfernt und erneuert. Es stünde dem Kläger zwar frei, Messeinrichtungen selbst zur Verfügung zu stellen, doch käme auch in einem solchen Fall der Beklagten das Recht zu, die Zählertechnologie vorzugeben, und hätte der Kunde in Bereichen, in denen bereits intelligente Messgeräte zum Einsatz kommen, entsprechend der IME-VO und den Vorgaben der Beklagten ein mit dem System der Beklagten vollkompatibles Messgerät beizustellen (Punkt X.8. AB VN).

[18]           1.2. Nach dem zwischen den Streitteilen bestehenden Vertrag ist – worauf bereits die Vorinstanzen verwiesen – die Beklagte zum Einbau einer neuen Messeinrichtung, die eine zuverlässige und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte ermöglicht, grundsätzlich berechtigt. Die vom Kläger im Verfahren erhobenen Bedenken dagegen richten sich in Wahrheit nicht – wie seine Klagebegehren vermuten ließen – gegen den Ersatz einer alten und Einbau einer neuen Messeinrichtung, sondern gegen ihre Verwendung im Rahmen des Vertragsverhältnisses wegen bestimmter Funktionalitäten der neuen (der IME-VO entsprechenden) Messeinrichtung, wodurch die Beklagte in die Lage versetzt wird, bestimmte personenbezogene Daten des Klägers zu verarbeiten. Eine Erörterung des Inhalts des Klagebegehrens oder seine Verdeutlichung anhand des offenkundigen Rechtsschutzziels des Klägers (s RS0039357) erübrigen sich jedoch, weil die geäußerten Bedenken auch nicht gegen die Verwendung dieser Messeinrichtung sprechen.

[19]           2. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass mit der Messeinrichtung, deren Einbau die Beklagte beabsichtigt, eine nach der DSGVO unzulässige Datenverarbeitung verbunden sei, weil der jährliche Stromverbrauch des Klägers gespeichert und übertragen werde.

[20]           2.1. Dass Informationen über den Stromverbrauch des Klägers innerhalb eines bestimmten (regelmäßig jährlichen, im Fall einer Vertragsbeendigung auch kürzeren) Zeitraums einen Personenbezug aufweisen und es sich dabei nach dem weiten Begriffsverständnis (RS0132655; Hödl in Knyrim, DatKomm Art 4 DSGVO Rz 9) um personenbezogene Daten iSd Art 4 Z 1 DSGVO handelt, ist im Revisionsverfahren nicht strittig. Unbestritten ist überdies, dass die Erfassung, Speicherung und das Auslesen dieser Informationen eine Datenverarbeitung iSd Art 4 Z 2 DSGVO durch die Beklagte als gemäß Art 4 Z 7 DSGVO Verantwortliche darstellen. Die Zulässigkeit dieser Datenverarbeitung richtet sich daher nach den Bestimmungen der DSGVO.

[21]           2.2. Soweit der Kläger meint, die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten sei nicht gerechtfertigt, kann auf die zutreffende (§ 500a ZPO) Beurteilung der Vorinstanzen verwiesen werden, wonach dies zur Erfüllung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrags und gemäß Art 6 Abs 1 lit b DSGVO zulässig ist. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs wird in der – im vorliegenden Fall relevanten – Opt-Out-Konfiguration gemäß § 1 Abs 6 IME-VO, in der ein (intelligentes) Messgerät nur die Funktion eines (digitalen) Standardstromzählers erfüllt, den berechtigten Interessen an einer Auslesung und Abgrenzung des jährlichen Stromverbrauchs im Hinblick auf die durch § 1 DSG bzw Art 8 EMRK geschützten (personenbezogenen) Daten der Antragstellerin in verhältnismäßiger Weise Rechnung getragen (V 178/2021; vgl auch 9 Ob 82/21f). Aufgrund der Gleichwertigkeit der Tatbestände des Art 6 DSGVO, die eine Verarbeitung von Daten rechtfertigen (RS0133706), bedarf es keiner Prüfung, ob darüber hinaus noch weitere Tatbestände erfüllt wären.

[22]           2.3. Aus welchen Gründen oder aufgrund welcher Umstände die dargestellte, für die Abrechnung notwendige Datenverarbeitung unzulässig und deswegen die Beklagte am Einbau oder an der Verwendung der geplanten neuen (digitalen) Messeinrichtung gehindert sein sollte, wird in der Revision nicht ausgeführt, sodass darauf nicht weiter eingegangen werden muss. Insgesamt spricht die für die (in der Regel: Jahres-)Abrechnung durchgeführte Datenverarbeitung daher weder gegen den Einbau noch die Verwendung einer dazu fähigen Messeinrichtung.

[23]           3.1. Von der Frage, ob die Erfassung, die Speicherung und das Auslesen des jährlichen Stromverbrauchs (bzw des Stromverbrauchs innerhalb eines sonstigen abrechnungsrelevanten Zeitraums) eine zulässige Datenverarbeitung iSd DSGVO darstellen, ist die Frage zu trennen, ob die Möglichkeit der Ausweitung der Datenverarbeitung auf andere personenbezogene Daten des Klägers durch die Beklagte den Einbau der Messeinrichtung oder ihre Verwendung unzulässig macht. Hier sieht der Kläger die Gefahr, dass die Messeinrichtung von der Beklagten aus der Ferne so konfiguriert werden könnte, dass trotz des Opt-Out-Wunsches und unbemerkt erheblich mehr personenbezogene Daten gespeichert, übertragen und verarbeitet würden, und sieht darin eine nach der DSGVO nicht gerechtfertigte Datenverarbeitung und einen Eingriff in seine Grundrechtssphäre (§ 16 ABGB) vergleichbar mit jenem durch eine Kamera-Attrappe.

[24]           3.2. Ein Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert: eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Fehlt eines dieser Elemente, dann besteht kein Unterlassungsanspruch (RS0037660). Die Gefahr einer Zuwiderhandlung besteht entweder in Form der Wiederholungs- oder in Form der Erstbegehungsgefahr. Erstere setzt eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung voraus, die vom Kläger gar nicht behauptet wird. Erstbegehungsgefahr wird demgegenüber dann bejaht, wenn ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret droht; nur in diesem Fall ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig (RS0037660 [T3]; RS0012061 [T1]; RS0010479; RS0009357 [T18]).

[25]           3.2.1. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine über die Erfassung, die Speicherung und das Auslesen der abrechnungsrelevanten Verbrauchsdaten hinausgehende Datenverarbeitung durch die Beklagte im Fall eines Opt-Out durch den Kläger einen Verstoß gegen vertragliche oder auf § 1 Abs 6 IME-VO gestützte Unterlassungspflichten darstellen würde. Ein darauf gegründeter Unterlassungsanspruch scheidet nämlich schon deswegen aus, weil der Kläger weder behauptet, dass die Beklagte bereits einen solchen Verstoß setzte, noch vorbringt, dass eine entsprechend ausweitende Datenverarbeitung durch die Beklagte (nach Einbau der neuen Messeinrichtung) konkret und unmittelbar droht, nimmt er doch durchgehend nur auf die Möglichkeit einer solchen Datenverarbeitung Bezug. Die bloße Möglichkeit eines Eingriffs durch die Beklagte ist aber weder eine nach der DSGVO unzulässige Datenverarbeitung noch droht eine solche deswegen bereits.

[26]           3.2.2. Der Kläger beruft sich zur Begründung einer Unterlassungspflicht überdies auf sein Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatlebens und seiner Geheimsphäre (§ 16 ABGB). Wenn der durch eine Kamera-Attrappe erweckte bloße Anschein einer Überwachung eine Beeinträchtigung der Geheimsphäre darstelle, gelte dies auch für eine potentielle Ausweitung der Funktionen der Messeinrichtung, infolge derer auch eine Identifikation von Videoinhalten über granulare Stromverbrauchsdaten ermöglicht werde.

[27]           3.2.2.1. Gemäß § 16 ABGB hat jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als Person zu betrachten. Die Bestimmung anerkennt die Persönlichkeit als Grundwert. Aus ihr wird – ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten (Art 8 EMRK; § 1 DSG) – das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet (6 Ob 231/16p [ErwGr 1.]; vgl RS0009003), das durch geheime Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen verletzt wird (RS0107155).

[28]           3.2.2.2. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bejaht eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre (Geheimsphäre) bereits dann, wenn sich die Person durch die Überwachungsmaßnahme einer Videokamera kontrolliert fühlen musste, und zwar selbst dann, wenn es sich dabei nur um eine Attrappe handeln sollte (RS0107155 [T3, T5, T8]), auch weil die betroffene Person insoweit keinerlei Kontrollmöglichkeit hat (6 Ob 231/16p [ErwGr 1.2.]). Grundvoraussetzung eines darauf gestützten Unterlassungsanspruchs ist allerdings in allen Fällen, dass sich für einen „unbefangenen, objektiven Betrachter“ der Eindruck einer Überwachung ergeben kann (6 Ob 231/16p [ErwGr 1.3.]; 6 Ob 150/19f).

[29]           3.2.2.3. Der Einbau und die Verwendung einer Messeinrichtung, die bei entsprechender Konfiguration auch weitere Daten des Klägers verarbeiten könnte, ist mit den genannten Fällen nicht vergleichbar. Bloß dadurch wird für den unbefangenen, objektiven Betrachter ja nicht der Eindruck einer Überwachung erweckt. Erstens dient die Messeinrichtung – anders als eine Videokamera – nicht der Überwachung eines privaten Verhaltens, sondern nur dem Erfassen des Stromverbrauchs, was nach allgemeiner Anschauung und unter normalen Umständen nicht mit der Wahrnehmung eines Kontrolldrucks einhergeht, und zwar selbst dann, wenn der Stromverbrauch gewisse Rückschlüsse auf ein privates Verhalten möglich machen könnte. Zweitens steht im vorliegenden Fall fest, dass die eingestellte Konfiguration zu jeder Zeit auf dem Display des Messgeräts ersichtlich ist und selbst bei der Opt-In-Variante – also bei Aktivierung der gesamten Funktionalität der Messeinrichtung – ein Rückschluss auf die Lebensgewohnheiten der Kunden nicht erzielt werden kann. An diese Feststellungen ist der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden. Hier gibt es also gerade jene Kontrollmöglichkeit, deren Fehlen im Fall einer Videokamera(-attrappe) das Gefühl eines Überwachungsdrucks bewirkt, und ist überdies die in der Revision des Klägers geäußerte Befürchtung einer Identifikation von Videoinhalten (etwa das eingestellte Fernsehprogramm) nicht berechtigt.

[30]           3.3. Mit dem Einbau und der Verwendung der beabsichtigten Messeinrichtung an sich ist daher weder eine der DSGVO widersprechende Datenverarbeitung noch eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Geheimsphäre (§ 16 ABGB) verbunden, die ihren Einbau oder ihre Verwendung unzulässig machen würden. Weder droht ein gegen eine Unterlassungspflicht verstoßendes Verhalten der Beklagten, das Voraussetzung für die vorbeugende Unterlassungsklage des Klägers (im Hauptbegehren) wäre, noch gibt es Anlass, an der Zulässigkeit der vertraglich eingeräumten Berechtigung der Beklagten, die gegenständliche Messeinrichtung (in der Opt-Out-Variante) einzubauen und zu verwenden, zu zweifeln, sodass auch der vom Kläger (im Eventualbegehren) geltend gemachte (negative) Feststellungsanspruch scheitern muss. Auf die in der Revision thematisierte Frage, ob eine über die Funktionalität der Opt-Out-Variante hinausgehende Datenverarbeitung (etwa zur Aufrechterhaltung eines sicheren und effizienten Netzbetriebs) nach der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sein könnte, muss daher nicht eingegangen werden. Genauso wenig stellt sich die Frage, ob die Einführung solcher Messeinrichtungen für die Beklagte wirtschaftlich ist.

[31]           4. Soweit der Kläger in der Revision einen Kontrahierungszwang der Beklagten behauptet, legt er nicht offen, inwiefern diese Argumentation seinem Standpunkt dienlich sein sollte. Die Beklagte verweigert im vorliegenden Fall nicht den Abschluss eines Vertrags (schlechthin oder auch nur zu bestimmten Bedingungen), sondern besteht ein solcher bereits. Unabhängig davon stützte sich der Kläger auf einen Kontrahierungszwang bislang nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0043352 [T27, T33]). Die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof beschränkt sich demnach auf jene Umstände, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren (RS0043573 [T41]). Auf das einen Kontrahierungszwang der Beklagten behauptende Vorbringen in der Revision des Klägers ist daher nicht einzugehen.

[32]           5. Zusammenfassend steht die mit der beabsichtigten Funktionalität (in der Opt-Out-Variante) in Aussicht gestellte (abrechnungsrelevante) Datenverarbeitung dem Einbau und der Verwendung der geplanten digitalen Messeinrichtung nicht entgegen. Die bloße Möglichkeit, dass die Beklagte die Einrichtung aus der Ferne umkonfiguriert und damit die Datenverarbeitung ausweitet, spricht ebenso wenig gegen den Einbau und die Verwendung dieser Messeinrichtung, wozu die Beklagte nach dem zugrunde liegenden Strom-Nutzungsvertrag berechtigt ist. Die Abweisung der Klagebegehren durch die Vorinstanzen entspricht damit der Rechtslage, sodass der Revision nicht Folge zu geben war.

[33]           6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf § 52 ZPO.

Textnummer

E134819

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00036.22W.0406.000

Im RIS seit

19.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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