TE Lvwg Erkenntnis 2022/5/9 LVwG-2022/44/1158-1

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Veröffentlicht am 09.05.2022
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Entscheidungsdatum

09.05.2022

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

WRG 1959 §31
WRG 1959 §32
WRG 1959 §138
Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung §6
Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung §8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.04.2022, Zahl ***, betreffend eines wasserpolizeilichen Auftrags

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Bei der Bezirkshauptmannschaft Y als Wasserrechtsbehörde langte am 02.11.2021 eine Anzeige ein, wonach im landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers die Regeln zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat nicht eingehalten würden.

Der von der Behörde beigezogene wasserwirtschaftliche Amtssachverständige hat daraufhin am 22.12.2021 ein Gutachten vorgelegt, wonach auf der Hofstelle des Beschwerdeführers acht Hochlandrindern gehalten würden. Es sei zwar eine Mistlagerstätte, jedoch keine Jauchegrube vorhanden. Der anfallende Mist werde nicht auf der vorhandenen Mistlagerstätte gelagert, sondern ohne dreimonatige Vorlagerung als Feldmiete verbracht. Am Tag des Lokalaugenscheins am 17.12.2021 sei bereits der größte Teil des Mists auf den Feldern ausgebracht gewesen. Dem Beschwerdeführer sei aufgetragen worden, die verbliebene Restmenge von ca 4 m3 im Frühjahr auf den Feldern auszubringen und künftig einen Standortwechsel für die Feldmieten vorzunehmen. Der künftig anfallende Mist sei auf der bestehenden Mistlagerstätte drei Monate vorzulagern. Die Erfüllung dieser Maßnahmen sei mit Fotos zu belegen. Bei ganzjährig im Freiland und nicht im Stall gehalten Hochlandrindern sei weder eine Mistlagerstätte noch eine Jauchegrube notwendig. Die vom Beschwerdeführer gehaltenen Rinder würden jedoch im Winter für ca drei Monate eingestallt, sodass eine Mistlagerstätte und Jauchegrube erforderlich sei. Die Lagerkapazität könne gemäß § 6 Abs 1 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung (NAPV) von sechs Monate auf drei Monate reduziert werden. Die vorhandene Mistlagerkapazität sei mit ca 36 m3 ausreichend. Es sei jedoch zusätzlich eine dichte Jauchegrube mit ca 12 m3 Inhalt bis zum 31.05.2022 zu errichten. Die aus dem Wirtschaftsdünger anfallende Menge Stickstoff betrage ca 230 kg pro Jahr. Da vom Beschwerdeführer eine landwirtschaftliche Nutzfläche von ca 1,2 ha bewirtschaftet werde, ergebe sich, dass die laut NAPV vorgeschriebene Grenze von 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr überschritten werde.

Daraufhin hat die Wasserrechtsbehörde dem Beschwerdeführe mit dem angefochtenen Bescheid folgende Aufträge zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erteilt:

„1.  AA, Adresse 1, **** Z, wird gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 unter Anwendung der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung - NARV), BB-Nummer ***, im öffentlichen Interesse gemäß §  105 Abs. 1 lit. e und lit. n WRG 1959 auf seine Gefahr und Kosten aufgetragen, zur Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Neuerung, nämlich die nicht vorhandene Jauchegrube bei der Hofstelle auf Gst. Nr. **1, KG Z, bis spätestens 31.07.2022 eine Jauchegrube mit ausreichender Lagerkapazität im Ausmaß von (zumindest) 12 m3 zu errichten.

2.   Weiters wird AA, Adresse 1, **** Z, in Anwendung der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung - NAPV), BB-Nummer ***, verpflichtet, zum Nachweis über die Einhaltung der Stickstoff-Grenzwerte gemäß § 8 Abs. 2 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung (NAPV) von 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr im Rahmen der Ausbringung von Wirtschaftsdünger auf den landwirtschaftlich genutzten Grundflächen seines Betriebes der Wasserrechtsbehörde in den Jahren 2022, 2023 und 2024, jährlich bis spätestens 31.12. jeden Jahres, eine Aufstellung des angefallenen Wirtschaftsdüngers sowie der Menge der Ausbringung auf den einzelnen zum Betrieb gehörigen landwirtschaftlich genutzten Flächen (Angabe der Grundstücke, der jeweiligen Flächengröße und der ausgebrachten Düngermenge) zu übermitteln.

3.   Weiters wird AA, Adresse 1, **** Z, in Anwendung der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung - NAPV), BB-Nummer ***, aufgetragen, entsprechend den in vorgenannter Verordnung enthaltenen Bestimmungen, die aus dem landwirtschaftlichen Betrieb anfallende Menge Mist auf der vorhandenen Mistlagerstätte für (zumindest) 3 Monate vorzulagern, bevor diese zur Lagerung als Feldmiete verbracht wird.“

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und insbesondere bestritten, dass seine Hochlandrinder im Winter im Stall gehalten würden. Die Tiere würden ganzjährig im Freien gehalten und hätten lediglich einen Unterstand.

II.      Rechtslage:

Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959):

„Allgemeine Sorge für die Reinhaltung.

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächst Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. (…)

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. (…)

Bewilligungspflichtige Maßnahmen.

§ 32. (1) Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§  30 Abs. 3) beeinträchtigen, sind nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

(2) Nach Maßgabe des Abs. 1 bedürfen einer Bewilligung insbesondere

(…)

f)   das Ausbringen von Handelsdünger, Klärschlamm, Kompost oder anderen zur Düngung ausgebrachten Abfällen, ausgenommen auf Gartenbauflächen, soweit die Düngergabe auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ohne Gründeckung 175 kg Stickstoff je Hektar und Jahr, auf landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Gründeckung einschließlich Dauergrünland oder mit stickstoffzehrenden Fruchtfolgen 210 kg Stickstoff je Hektar und Jahr übersteigt. Dabei ist jene Menge an Stickstoff in feldfallender Wirkung anzurechnen, die gemäß einer Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen § 55p) in zulässiger Weise durch Wirtschaftsdünger ausgebracht wird.

(…)

Programme im Rahmen der Europäischen Integration

§ 55p. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§ 30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen. Diese Programme haben Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen insbesondere betreffend Düngeverbotszeiträume, das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und das Fassungsvermögen von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger zu enthalten. Durch diese Programme wird sichergestellt, dass bei landwirtschaftlichen Betrieben der auf den Boden ausgebrachte Wirtschaftsdünger, einschließlich des von den Tieren selbst ausgebrachten Dungs, eine Höchstmenge von 170 kg Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerungsverluste pro Hektar und Jahr nicht überschreitet. Diese Programme sind allgemein im öffentlichen Interesse einzuhalten.

(2) In einem Programm mit den Zielsetzungen gemäß Abs. 1 können zusätzliche Kriterien (zB lange Wachstumsphasen, Pflanzen mit hohem Stickstoffbedarf, hoher Nettoniederschlag), Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen festgelegt werden, deren Vorliegen bzw. Einhaltung sicherstellen, dass die schrittweise Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§ 30) nicht gefährdet ist, wenn landwirtschaftliche Betriebe von der in Abs. 1 festgelegten Höchstmenge an Stickstoff abweichen. Zugleich sind in einem solchen Programm Vorhaltungsverpflichtungen sowie die zur Einhaltung der Ausnahmebestimmungen weiters erforderlichen Regelungen, insbesondere Meldeverpflichtungen, zu treffen. Strengere Regelungen gemäß § 34 bzw. § 33f betreffend wasserrechtlich besonders geschützter Gebiete bleiben unberührt. Die Ausnahmebestimmungen bedürfen der Zustimmung der Europäischen Kommission gemäß Art. 9 iVm. Anhang III Z 2 lit. b der Richtlinie 91/676/EWG.

(…)

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a)   eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

(…)“

Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung – NAPV)

„Auf Grund der §§ 55p und 133 Abs. 6 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl. Nr. 215, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2017, wird verordnet:

Ziele und Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Ziel dieses Programms ist es, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen.

(2) Für diese Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

(…)

14. Wirtschaftsdünger: tierische Ausscheidungen (Stallmist, Jauche, Gülle) oder eine Mischung aus Einstreu und tierischen Ausscheidungen, auch in verarbeiteter Form.

(…)

Fassungsvermögen und Bauweise von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger

§ 6. (1) Die Lagerkapazität von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger und für die Lagerung von Stallmist auf technisch dichten Flächen mit geregeltem Abfluss der Sickersäfte in eine flüssigkeitsdichte Gülle-, Jauche- oder Sammelgrube hat für jeden Betrieb einen Lagerungszeitraum von mindestens sechs Monaten abzudecken. Sofern die Lagerkapazität diesen Zeitraum nicht abdeckt, ist das Vorhandensein von ausreichendem Lagerraum über bestehende Betriebskooperationen, Güllebanken, Biogasanlagen oder andere umweltgerechte Verwertungen nachzuweisen. In diesem Ausmaß darf die Lagerkapazität verringert werden. Sie hat jedoch auch in diesen Fällen mindestens zwei Monate zu betragen. Nachweise für die über Abgaben von Wirtschaftsdünger geschlossenen Vereinbarungen sind sieben Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde vorzulegen.

(…)

(6) Eine den Zeitraum von fünf Tagen übersteigende Zwischenlagerung von Stallmist in Form von Feldmieten ohne befestigte Bodenplatte darf auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nur erfolgen, wenn

1.     die Verbringung des Stallmistes vom Hof frühestens nach drei Monaten erfolgt,

(…)

Begrenzung für das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen

§ 8. (…)

(2) Der auf den Boden ausgebrachte Wirtschaftsdünger, einschließlich des von den Tieren selbst ausgebrachten Dungs, darf im Durchschnitt der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebes jene Menge nicht überschreiten, die 170 kg Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerverluste je Hektar und Jahr beträgt. Die Berechnung des aus Wirtschaftsdünger anfallenden Stickstoffs erfolgt entsprechend der Tabelle in Anlage 4.

(…)“

III.     Erwägungen:

Die Wasserrechtsbehörde hat dem Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 aufgetragen, „zur Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Neuerung, nämlich die nicht vorhandene Jauchegrube bei der Hofstelle auf Gst. Nr. **1, KG Z, bis spätestens 31.07.2022 eine Jauchegrube mit ausreichender Lagerkapazität im Ausmaß von (zumindest) 12 m3 zu errichten“ (Spruchpunkt 1.). Weiters wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, die Wasserrechtsbehörde künftig über den von ihm verwendeten Wirtschaftsdünger zu informieren (Spruchpunkt 2.) und den in seinem landwirtschaftlichen Betrieb anfallenden Mist künftig für zumindest drei Monate auf der vorhandenen Mistlagerstätte vorzulagern, bevor er zur Lagerung als Feldmiete verbracht werden kann (Spruchpunkt 3.).

Grundvoraussetzung für die Erlassung eines Auftrags nach § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 ist die Verwirklichung des Tatbestands einer wasserrechtlichen Verwaltungsübertretung. Die Wasserrechtsbehörde stützt den angefochtenen Bescheid dabei auf die Bewilligungspflicht des § 32 Abs  1 und 2 lit f WRG 1959. Die fehlende Jauchegrube widerspreche zudem § 6 Abs 1 NAPV. Die Lagerung von Mist als Feldmiete erfordere gemäß § 6 Abs 6 Ziffer 1 NAPV eine dreimonatige Vorlagerung auf dem Hof. Und aus § 8 Abs 2 NAPV ergebe sich, dass die Ausbringung von Wirtschaftsdünger im Durchschnitt nur zu maximal 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr führen dürfe.

Aus dem von der Behörde ermittelten Sachverhalt kann aber nicht zwingend auf eine Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 geschlossen werden. So sieht § 32 Abs 2 lit f WRG 1959 eine Bewilligungspflicht erst bei der Ausbringung von Dünger auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ohne Gründeckung ab 175 kg Stickstoff je Hektar und Jahr bzw mit Gründeckung ab 210 kg Stickstoff je Hektar und Jahr vor. Dass diese Grenzwerte im vorliegenden Fall überschritten wurden, kann dem Behördenakt nicht entnommen werden. Ansonsten setzt die Bewilligungspflicht nach § 32 Abs 1 WRG 1959 tatsächliche Einwirkungen auf konkrete Gewässer voraus, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit beeinträchtigen können. Diesbezügliche Ermittlungen wurden im vorliegenden Fall nicht durchgeführt.

In Betracht kommt allerdings auch ein Vorgehen nach § 31 WRG 1959. Das Tatbild der fehlenden wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 32 WRG 1959 unterscheidet sich von dem des § 31 dadurch, dass im ersteren Fall ein konkret wirksamer und beabsichtigter Angriff auf die bisherige Beschaffenheit von Wasser vorliegen muss, der plangemäß unter Verwendung von Anlagen erfolgt, während im zweiten Fall die Verpflichtung zur Vermeidung von Verunreinigungen sich in erster Linie auf Anlagen und Maßnahmen bezieht, bei denen eine Einwirkung auf Gewässer zwar nicht vorgesehen, aber erfahrungsgemäß möglich ist (VwGH 29.10.1991, 90/07/0159). Bei Verletzungen der Gewässerschutzbestimmungen der NAPV sind nachteilige Einwirkungen auf Gewässer erfahrungsgemäß möglich, sodass ein Vorgehen nach § 31 WRG 1959 möglich ist. Der Verpflichtete kann aber nicht dadurch in seinen Rechten verletzt werden, dass ein wasserpolizeilicher Auftrag unzutreffend auf § 138 Abs 1 lit a iVm §  32 WRG 1959 anstatt richtigerweise auf § 31 Abs 1 iVm § 31 Abs 3 WRG 1959 gestützt wird, sofern der festgestellte Sachverhalt geeignet ist, die Verwirklichung verschiedener Verstöße gegen § 31 Abs 1 WRG 1959 aufzuzeigen (vgl VwGH 21.06.2018, Ro 2017/07/0031).

Voraussetzung für die Anwendung des § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 ist auch das Vorliegen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder einer unterlassenen Arbeit. Entgegen dem angefochtenen Bescheid kann es sich bei einer nicht existenten Jauchegrube um keine „eigenmächtige Neuerung“ iSd § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 handeln, da darunter die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen ist, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl VwGH 19.06.1990, 89/07/0126). Es handelt sich auch um keine unterlassene Arbeit iSd § 138 Abs 1 lit a WRG 1959, da eine solche die Verpflichtung zur Durchführung der Arbeit auf Grund des Gesetzes oder eines wasserrechtlichen Bescheides voraussetzt (vgl VwGH 20.03.2014, 2013/07/0281). Zwar schreibt § 6 Abs 1 NAPV landwirtschaftlichen Betrieben bestimmte Lagerkapazitäten für Wirtschaftsdünger vor. Daraus kann aber keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung für den Beschwerdeführer abgeleitet werden, einen derartigen Betrieb mit entsprechenden Lagerkapazitäten zu errichten und zu führen. Abgesehen von Auflagen und Nebenbestimmungen in Bewilligungsbescheiden kann ein Tierhalter auf Grundlage des WRG  1959 nicht gezwungen werden, bestimmte landwirtschaftliche Anlagenteile zu errichten und zu betreiben.

Dasselbe gilt für ein Vorgehen nach § 31 WRG 1959. Zwar hat die Behörde gemäß § 31 Abs  3 WRG 1959 dem Verpflichteten die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen, wie die Beendigung einer Gefährdung oder einer bereits eingetretenen Verunreinigung sowie eine allenfalls notwendige Sanierung aufzutragen (vgl etwa VwGH 18.12.2014, 2012/07/0115). Ein solches Vorgehen kann jedoch nur eine bereits eingetretene Gefährdung und nicht auch den künftigen Betrieb einer Landwirtschaft zum Gegenstand haben. Die Verpflichtung, eine Jauchegrube zu errichten, bezieht sich auf den in Zukunft anfallenden Wirtschaftsdünger und kann somit nicht auf § 31 Abs  3 WRG 1959 gestützt werden. Auf Grundlage der §§ 31 und 32 WRG 1959 wäre es zwar allenfalls möglich, einen konsenslosen bzw verbotenen Umgang mit tierischen Ausscheidungen einzustellen und einen bereits eingetretenen Schaden sanieren zu lassen, die Verpflichtung zur Errichtung einer Jauchegrube ist jedoch rechtswidrig.

Gleiches gilt für die Verpflichtung, die Wasserrechtsbehörde künftig über den verwendeten Wirtschaftsdünger zu informieren und den künftig anfallenden Mist für zumindest drei Monate vorzulagern. Diese Vorschreibungen sind nicht geeignet, einen bestehenden Missstand zu beseitigen, sondern zielen ausschließlich auf die zukünftige Tierhaltung und dabei möglicherweise eintretende wasserrechtliche Missstände. Wasserpolizeiliche Aufträge für noch nicht eingetreten Ereignisse sind aber nicht möglich. Die zukünftige Betriebsweise einer Landwirtschaft kann außerhalb eines allfälligen Bewilligungsverfahrens nicht Gegenstand behördlicher Auflagen sein. Außerdem ergibt sich die Verpflichtung zur dreimonatigen Vorlagerung von Mist ohnehin ausdrücklich aus § 6 Abs 6 Ziffer 1 NAPV, sodass sich die bloße Wiederholung dieser gesetzlichen Verpflichtung in Form eines verwaltungspolizeilichen Auftrages erübrigt.

Festzuhalten ist auch, dass verwaltungspolizeiliche Aufträge hinreichend bestimmt und vollstreckbar seien müssen. Die Verpflichtung, „bei der Hofstelle“ eine Jauchegrube zu errichten, wird dieser Anforderung schon allein mangels örtlicher Konkretisierung nicht gerecht und kann nicht vollstreckt werden. Zu bedenken ist auch, dass Maßnahmen, die nach § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 vorgeschrieben werden, gemäß Abs 5 leg cit keiner weiteren wasserrechtlichen Bewilligung und auch keiner Bewilligung nach anderen Vorschriften mehr bedürfen und von Dritten geduldet werden müssen. Somit läuft der verwaltungspolizeiliche Auftrag in Spruchpunkt 1. auf eine "Blankoermächtigung“ zur Errichtung einer baulichen Anlage hinaus, ohne dass deren Lage und Abmessungen determiniert wären und die Schutzinteressen Dritter geprüft werden könnten.

Der Beschwerde ist somit Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Gewässerverunreinigung
Wasserpolizeilicher Auftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.44.1158.1

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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