Entscheidungsdatum
15.03.2022Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch Herrn B, Rechtsanwalt in ***, im Zusammenhang mit Amtshandlungen des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** anlässlich einer Gemeinderatssitzung am 13. Dezember 2021 den
BESCHLUSS
gefasst:
1. Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch das „Verbot“, in der Gemeinderatssitzung zum Tagesordnungspunkt „E“ das Wort zu ergreifen, in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die „zwangsweise de-facto-Verhinderung, ab dem ‚Sprechverbot‘ an der Gemeinderatssitzung am 13.12.2021 teilzunehmen (außer als ‚Zuhörer‘)“ teilzunehmen, in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch das „Abverlangen“ eines 3G-Nachweises in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
4. Der Beschwerdeführer hat der Marktgemeinde *** gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, jeweils € 57,40 (Vorlageaufwand), € 1.106,40 (Schriftsatzaufwand) und € 1.383,--
(Verhandlungsaufwand), insgesamt daher € 2.546,80 binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
5. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Zum bisherigen Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 erhob der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit Vorfällen im Zuge einer Sitzung des Gemeinderats der Marktgemeinde *** am 13. Dezember 2021 eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG geschützte Beschwerde. Danach habe er an diesem Tag den Sitzungsort aufgesucht, beim Eintritt in denselben einen negativen PCR-Test vorgelegt und eine FFP2-Masken getragen. Während Vorredner am Rednerpult die FFP2-Maske anlässlich der Rede abgenommen hätten, hätte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer, als dieser nach Abnahme der Maske zu reden beginnen hätte wollen, mit den Worten unterbrochen: „Du behältst die Maske bitte oben!“ Als sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Verhalten der Vorredner geweigert habe, habe der Bürgermeister die Sitzung unterbrochen. Nachdem man ihn auf den gültigen PCR-Test hingewiesen und diesen nochmals vorgelegt habe, habe er zum Beschwerdeführer gemeint: „Ich werde dich heute gar nicht mehr drannehmen zum Reden!“ Nach der Sitzungsunterbrechung habe sich der Beschwerdeführer nochmals zum Tagesordnungspunkt „E“ zu Wort gemeldet und freiwillig angeboten, beim Beitrag die FFP2-Maske zu tragen. Der Bürgermeister habe neuerlich zu verstehen gegeben, dem Beschwerdeführer nicht mehr das Wort zu erteilen, und sei zum nächsten Tagesordnungspunkt übergegangen. Da für die gesamte Sitzung damit „keine Wortmeldungen, keine Begründungen, keine Argumente, keine Anträge und somit keine Teilnahme“ und keine Ausübung des Mandats seitens des Beschwerdeführers mehr möglich gewesen sei, habe unter anderem er unter Protest den Sitzungssaal verlassen und weitere Schritte angekündigt.
Darauf aufbauend beantragte er,
„1.) das oben geschilderte ‚Sprechverbot‘ des Bürgermeisters, damit zugleich das
Verbot, Anträge zu stellen, als rechtswidrig zu erklären UND
2.) die sohin gegebene zwangsweise de-facto-Verhinderung, ab dem ‚Sprechverbot‘
an der Gemeinderatssitzung am 13.12.2021 teilzunehmen (außer als ‚Zuhörer‘)
als rechtswidrig zu erklären UND
3.) das Abverlangen eines 3G-Nachweises als Teilnahmevoraussetzung für eine
Gemeinderatssitzung als rechtswidrig zu erklären UND
4.) die Gemeinderatssitzung vom 13.12.2021 und die darin gefassten Beschlüsse ab
dem ‚Sprechverbot‘ als rechtswidrig aufzuheben UND
5.) der belangten Behörde den Ersatz meiner Aufwendungen gemäß VwG-
Aufwandersatzverordnung zu meinen Händen binnen 14 Tagen bei sonstiger
Exekution aufzuerlegen.“
Dem trat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vom 10. Februar 2022 entgegen und verwies darauf, dass es zum einen an tauglichen Anfechtungsgegenständen (Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-und Zwangsgewalt) fehle, die fraglichen Akte nicht der belangten Behörde zuzurechnen und sie im Übrigen nicht rechtswidrig seien.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Beschwerdeführer klar, dass es sich beim „Sprechverbot“ um einen Wortentzug vor der Unterbrechung der Sitzung handle. Punkt 2. betreffe die Ankündigung, dass der Beschwerdeführer in der fortgesetzten Sitzung das Word nicht mehr erteilt bekommen werde. Es wäre daher vom 2 Beschwerdepunkten ausgegangen. Mit dem 3. Punkt werde angefochten, dass man beim Betreten des Sitzungssaals den 3G-Nachweis des Beschwerdeführers abverlangt habe. Der Punkt 4. sei dahingehend zu verstehen, dass damit der Folgenbeseitigungsanspruch angesprochen würde.
Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Beweis wurde in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erhoben durch Einsichtnahme in die Schriftsätze der Parteien und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und durch Vernehmung des Beschwerdeführers und der Zeugen C.
Feststellungen und Beweiswürdigung:
Demnach steht folgender Sachverhalt fest: Am 6. Dezember 2021 erließ der Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** eine auf § 36 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung 1973 basierende „Hausordnung der Marktgemeinde *** als Gebäudeeigentümer für die Abhaltung von GR-Sitzungen, GV-Sitzungen und Sitzungen von Ausschüssen, soweit diese in Räumlichkeiten stattfinden, die im Eigentum der Marktgemeinde *** stehen“. Diese Hausordnung wurde unter anderem dem Beschwerdeführer am 7. Dezember 2021 übermittelt. Ihr zufolge durften Gemeindegebäude für Zwecke der genannten Sitzungen von Gemeinderäten nur betreten werden, wenn sie dabei einen Nachweis der geringen epidemiologischen Gefahr, damals entsprechend der 3G-Regel vorwiesen. Konnte ein derartiger Nachweis nicht erbracht werden, war ihr zufolge für den gesamten Zeitraum des Aufenthalts eine FFP2-Maske zu tragen sowie ein Abstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten.
Der Beschwerdeführer war und ist Gemeinderat in der Marktgemeinde ***. In dieser Funktion nahm er am 13. Dezember 2021 an der Sitzung des Gemeinderats teil, wobei er bei Betreten des Sitzungssaals von einer Mitarbeiterin der Gemeinde und die Vorlage eines PCR-Tests versucht wurde, diesen vorlegte und dies in einem Formular vermerkt wurde. Eine Ankündigung, den Test bei Verweigerung der Vorlage im Zwangsweg zu suchen und abzunehmen, erfolgte nicht.
Als er zum Tagesordnungspunkt E „Allfälliges / Anfragen“ am Rednerpult das Wort ergreifen wollte und zu diesem Zweck die FFP2-Maske abnahm, forderte ihn der Bürgermeister auf, diese auch während seiner Wortmeldung zu tragen. Nachdem der Beschwerdeführer dies unter Hinweis auf das Verhalten der Vorredner verweigerte, unterbrach der Bürgermeister die Sitzung. Der Beschwerdeführer verließ daraufhin das Rednerpult. In der Sitzungspause verwies der Beschwerdeführer nochmals auf den negativen PCR-Test und wies ihn neuerlich vor.
Nach der Fortsetzung der Sitzung meldete sich der Beschwerdeführer nochmals zu Wort und erklärte sich bereit, beim Redebeitrag die Maske zu tragen. Der Bürgermeister erteilte ihm dennoch nicht das Wort und ging zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Der Beschwerdeführer verließ in weiterer Folge (unter Protest) den Sitzungssaal.
Die Feststellungen gründen sich auf die in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der belangten Behörde.
Rechtslage und Erwägungen:
Gegenstand der Beschwerden nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Verwaltungsakte, mithin Lebenssachverhalte. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte ist dabei nicht allein darauf abzustellen, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl. etwa VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014). Im gegenständlichen Fall liegt daher drei voneinander isoliert zu betrachtende und einer selbstständigen Beurteilung zugängliche Verwaltungsakte vor, nämlich das „Verbot“, sich zum Tagesordnungspunkt E zu Wort zu melden, das „Verbot“, von diesem Zeitpunkt an an der Gemeinderatssitzung (außer als Zuschauer) teilzunehmen und das „Abverlangen“ des 3G-Nachweises.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerde ist in jedem Fall das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Zentrales Merkmal derartiger Akte und damit Abgrenzungskriterium zu sog. schlicht-hoheitlichem Handeln ist nach h.M. (statt aller B.Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht6 [2021] Rz 978 ff¸ ferner VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124) die Normativität des Aktes. Diese ergibt sich bei Zwangsakten aus der physischen Einwirkung auf Personen oder Sachen. Bei Befehlsakten manifestiert sie sich nach ständiger Rechtsprechung darin, dass bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, m.w.N.; VfSlg 12.791/1991). Unerheblich ist dabei, ob die Androhung der zwangsweisen Umsetzung ausdrücklich erfolgt, oder sie aus der Art und Weise bzw. den Begleitumständen des Einschreitens erschlossen werden kann. Jedenfalls erforderlich ist aber, dass der drohende Zwang in der Umsetzung der behördlichen Anordnung besteht und somit zwischen der behördlichen Anordnung auf der einen und dem im Zwangsweg umzusetzenden Zustand auf der anderen Seite daher Deckungsgleichheit besteht. M.a.W. liegt dann kein Befehlsakt im eben umschriebenen Sinn vor, wenn die Nichtbefolgung der Aufforderung bzw. Anordnung andere Folgen als die zwangsweise Herstellung des angeordneten Zustands hat; sei es, dass für diesen Fall (Verwaltung-) Strafen drohen, sei es, dass die Nichtbefolgung eine tatbestandsmäßige Voraussetzung für andere (verwaltungspolizeiliche) Maßnahmen darstellt (i.d.S. etwa VwGH 25.3.1992, 91/03/0253; 19.1.1994, 93/03/0251 [jeweils zur § 5 Abs. 2 StVO]).
Soweit sich die Beschwerde zunächst gegen den Entzug des Wortes am Rednerpult wendet, vermag eine ausdrückliche oder zumindest schlüssige Androhung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieser Anordnung (etwa dahingehend, den Beschwerdeführer vom Rednerpult zu entfernen) nicht erkannt zu werden. Anderes wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Damit fehlt es aber dem Entzug des Wortes schon an der geforderten Normativität, sodass bloß von einem schlicht-hoheitlichen Verhalten auszugehen ist. Die Beschwerde war daher insoweit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.
Soweit der Beschwerdeführer in Beschwerde zieht, ihm sei nach Fortsetzung der Sitzung das Wort nicht mehr erteilt worden und haben ihm zu verstehen gegeben, dass er in dieser Sitzung auch nicht mehr zu Wort kommen werde, gilt Gleichartiges. Auch hier vermag eine ausdrückliche oder zumindest schlüssige Androhung von Zwangsgewalt nicht erkannt zu werden und wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Anderes könnte nur gelten, wenn er seitens der belangten Behörde des Sitzungssaals (unter Androhung von Zwang) verwiesen worden wäre. Gerade das wird aber vom Beschwerdeführer nicht behauptet, sondern gab er an, von sich aus (wenn auch unter Protest) den Sitzungssaal verlassen zu haben. Auch insoweit fehlt es daher an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand, sodass sich die Beschwerde als unzulässig erweist.
Soweit schließlich das „Abverlangen“ eines 3G-Nachweises, konkret die Aufforderung durch eine Mitarbeiterin der Gemeinde, vor Eintritt in den Sitzungssaal einen PCR-Test vorzulegen, in Beschwerde gezogen wird, gilt abermals Gleichartiges. Denn evidentermaßen erfolgte diese Vorlage freiwillig und ohne dass es Anhaltspunkte dafür gab, dass für den Fall der Nichtvorlage eine zwangsweise Umsetzung derselben erfolgen würde. Auch insoweit fehlt es daher an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand.
Zum Kostenausspruch:
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 BVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).
Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.
lm vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als unterlegene Parteien zu betrachten und zur Kostentragung (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) zu verpflichten ist. Dabei gebühren der Vorlageaufwand einmal, der Schriftsatz- und der Verhandlungsaufwand hingegen dreifach (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014).
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil sich die Entscheidung auf die einschlägige (obzitierte) höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen kann.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Anfechtungsgegenstand; Sitzung; Gemeinderat; Sprechverbot; Teilnahmeverbot; 3G-Nachweis;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.8.001.2022Zuletzt aktualisiert am
17.05.2022