TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/21 94/04/0217

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Veröffentlicht am 21.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. September 1994, Zl. IIa-60.004/3-94, betreffend Vorschreibung einer Auflage gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 12. Mai 1989 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 81 GewO 1973 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Erweiterung des mit Bescheid vom 19. Dezember 1988 genehmigten Gastgewerbebetriebes durch "Installierung einer Stereo-Anlage und den Betrieb eines Piano sowie Verlängerung der Betriebszeit bis 24.00 Uhr unter nachstehenden ergänzenden Auflagen erteilt:

1. Der Schallpegel der Musikanlage ist mit maximal 65 dB, gemessen in der Mitte des Raumes in einer Höhe von zwei Meter, zu begrenzen. Dies ist durch den Einbau eines elektronischen Pegelbegrenzers in der Verstärkeranlage zu gewährleisten.

2. Das Piano darf nicht verstärkt und nach 22.00 Uhr nicht mehr gespielt werden.

3. Die Fenster und Türen des "S" sind ab 20.00 Uhr geschlossen zu halten.

4. Ab 24.00 Uhr ist der "S" für jederman geschlossen zu halten.

5.

Lebende Musik darf nur bis 22.00 Uhr dargeboten werden.

6.

Im übrigen ist den Vorschreibungen des hieramtlichen Bescheides vom 19.12.1988, Zl. 212-258/8a, weiterhin Rechnung zu tragen."

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 30. März 1994 wurde die Beschwerdeführerin - unter Einräumung der Gelegenheit zu einer fristgebundenen Stellungnahme - von der Einleitung eines Verfahrens nach § 79 GewO 1994 und den der Behörde insoweit vorliegenden Verfahrensergebnissen in Kenntnis gesetzt. Die Beschwerdeführerin hat dazu (durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter) die schriftliche Stellungnahme vom 20. April 1994 (eingelangt bei der erstinstanzlichen Behörde am 21. April 1994) erstattet.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführerin "zur Gewährleistung des erforderlichen Anrainer- und Nachbarschutzes gemäß § 79 GewO 1994 in Ergänzung der Bescheidauflage zu Punkt 1 des ha. Bescheides vom 12.5.1989, Zl. 212-258/13, betreffend Genehmigung einer Stereoanlage im Gastbetrieb auf Gp 1781 KG. S folgendes vorgeschrieben: Der elektronische Pegelbegrenzer in der Verstärkeranlage ist nicht

manipulierbar-Verplombung-einzurichten." Zur Begründung wurde ausgeführt, der gewerbetechnische Amtssachverständige habe festgestellt, daß hinsichtlich der Musiklautstärke trotz des (funktionsfähigen) Pegelbegrenzers jede Manipulation durch Verstellen (dieses Pegelbegrenzers) möglich sei. Aufgrund wiederholter Beschwerden des Nachbarn H müsse angenommen werden, daß die (im Bescheid vom 12. Mai 1989) verfügte Schallpegelbegrenzung von 65 dB (A) nicht beachtet und nicht eingehalten werde. Um die Einhaltung der Bescheidauflage im Sinne des Punktes 1 des Genehmigungsbescheides zu gewährleisten, sei es unbedingt erforderlich, den eingebauten Schallpegelbegrenzer "nicht manipulierbar einzurichten". Durch diese ergänzende Vorschreibung werde das der Beschwerdeführerin zuerkannte Recht auf Musikdarbietung nicht eingeschränkt, sondern nur die Einhaltung der verfügten Pegelbegrenzung garantiert.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Juni 1994 als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt abgeändert:

"Der elektronische Pegelbegrenzer in der Verstärkeranlage ist durch Verplombung nicht manipulierbar einzurichten". Zur Begründung führte die belangte Behörde (nach Darlegung der wesentlichen Verfahrensergebnisse) aus, die bisherige Auflage stelle nicht ausreichend sicher, daß die zum Schutz der Nachbarn erforderliche Pegelbegrenzung von 65 dB jederzeit eingehalten werde. Es sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zulässig, Auflagen zur Kontrolle bzw. jederzeitigen Überprüfung, ob andere (bereits vorgeschriebene) Auflagen tatsächlich eingehalten würden, vorzuschreiben. Die Vorschreibung eines nicht manipulierbaren Pegelbegrenzers (als das gelindeste Mittel) sei (nach den Umständen des Beschwerdefalles) rechtlich zulässig und auch erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, daß der rechtskräftige Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 12. Mai 1989 "nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 68 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 AVG abgeändert wird" und in dem Recht, daß "einem rechtskräftigen Betriebsanlagengenehmigungsbescheid keine zusätzlichen und weitergehenden Auflagen hinzugefügt werden, soferne nicht die gemäß § 74 Abs. 2 GewO wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind" verletzt.

In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, der Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 12. Mai 1989 sei in Rechtskraft erwachsen. Dieser Genehmigungsbescheid hätte nicht abgeändert werden dürfen, da die Voraussetzungen im Sinne des § 68 Abs. 2, 3 und 4 AVG nicht vorlägen. Auch im Falle des § 79 GewO gelte der Gedanke der "Schonung erworbener Rechte". Die belangte Behörde habe nicht begründet, ob die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Auflage zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung erforderlich sei oder dem Belästigungsschutz (der Nachbarn) diene. Der bereits im Genehmigungsbescheid (vom 12. Mai 1989) vorgeschriebene Lärmpegel von 65 dB sei bei weitem geeignet, die Nachbarn entsprechend zu schützen. Die Behörde werfe der Beschwerdeführerin vor, die bereits vorgeschriebene Auflage nicht einzuhalten. Es sei aber unzulässig, eine weitere, diese Auflage sichernde Auflage vorzuschreiben. Damit werde in die "erworbenen Rechte der Antragstellerin in unzulässiger Weise eingegriffen". Ob die mit Punkt 1 des Genehmigungsbescheides vorgeschriebene Auflage den von der Behörde zitierten Erfordernissen entspreche, sei unerheblich. Es sei jedenfalls im Genehmigungsbescheid eine Auflage vorgeschrieben worden, die konkret, behördlich erzwingbar und geeignet sei, die Interessen der Nachbarn zu schützen. Für eine Ergänzung dieser Auflage bestehe daher keine Notwendigkeit. Aber selbst wenn die in Rede stehende Auflage "unvollständig wäre", hätte diese nur unter der Voraussetzung geändert werden dürfen, daß trotz Einhaltung des Genehmigungsbescheides die Interessen der Nachbarn nicht ausreichend geschützt seien. Die Bestimmung des § 79 GewO biete keine Handhabe dafür, auflagensichernde neue Auflagen nur deshalb vorzuschreiben, weil die bereits vorgeschriebenen Auflagen nicht eingehalten würden. Nach dem "Einleitungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 30. März 1994" sei das Verfahren nach § 79 GewO deshalb eingeleitet worden, weil die Beschwerdeführerin der Bescheidauflage angeblich nicht entsprochen habe. Die belangte Behörde begründe die in Rede stehende Auflagenvorschreibung jedoch damit, daß die seinerzeitige Auflage die Vermeidung von Gefährdungen und Belästigungen der Nachbarn nicht ausreichend sichergestellt habe. Zu dieser neuen Begründung habe die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme abgeben und auch keine Beweise anbieten können. Durch den angefochtenen Bescheid sei der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden. Zur angeblichen Überschreitung des Pegelgrenzwertes werde auf weitergehende Ausführungen verzichtet, weil die Beschwerdeführerin diesen Umstand für rechtlich unerheblich erachte. Selbst im Falle derartiger Überschreitungen hätte die Behörde nicht mit der angefochtenen Auflagenergänzung vorgehen dürfen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaft zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Immissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

§ 79 GewO 1994 erweist sich seinem normativen Gehalt nach als eine Regelung, durch die die Gewerbebehörde ermächtigt wird, rechtskräftige Bescheide betreffend die Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen aus anderen als den in § 68 Abs. 3 AVG genannten Gründen durch Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (unter Wahrung der im § 79 leg. cit. angeführten Einschränkungen) abzuändern (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1993, Zl. 90/04/0271, und vom 10. Mai 1979, Slg. NF Nr. 9837/A). Der Einwand der Beschwerdeführerin, die auf § 79 Abs. 1 GewO 1994 gestützte Auflagenvorschreibung sei deshalb unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 68 AVG nicht vorlägen, muß daher ins Leere gehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat, kann eine "Auflage" im Sinne des § 79 leg. cit. (der kein anderer Inhalt als Auflagen im Sinne des § 77 Abs. 1 leg. cit. zukommt) jede der Vermeidung von Immissionen dienende und zu seiner Erfüllung geeignete (behördlich erzwingbare) Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zum Gegenstand haben. Dies hat aber zur Voraussetzung, daß die Einhaltung einer derartigen Auflage von der Behörde jederzeit aktuell überprüft werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/04/0135, vom 5. November 1991, Zl. 88/04/0058, vom 20. Mai 1989, Zl. 88/04/0238, und vom 24. Jänner 1980, Slg. NF Nr. 10020/A).

Im vorliegenden Fall wurde mit Auflage Punkt 1) des Genehmigungsbescheides mit dem Ziel, die Nachbarn vor einer Schädigung ihrer Gesundheit und vor einer unzumutbaren Belästigung durch Lärm zu schützen, zur Gewährleistung einer Begrenzung des Schallpegels auf maximal 65 dB an dem näher bezeichneten Meßpunkt der Einbau eines elektronischen Pegelbegrenzers in der Verstärkeranlage vorgeschrieben. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde zeigte sich in der Vergangenheit, daß mit dem Pegelbegrenzer in der vorgeschriebenen Ausführung das mit der Auflage verfolgte Ziel des Schutzes der Nachbarn vor Lärm nicht erreicht werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in der Rechtsansicht der belangten Behörde, damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 79 GewO 1994 erfüllt, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Auflage dient bei dieser Sachlage nicht bloß der Erzwingung oder Kontrolle der Einhaltung der ursprünglich vorgeschriebenen Auflage.

Der unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Parteiengehörs gebrauchten Behauptung, die Beschwerdeführerin habe erstmals durch den angefochtenen Bescheid davon erfahren, daß die seinerzeitige Auflage die Vermeidung von Gefährdungen und Belästigungen der Nachbarn nicht ausreichend sichergestellt habe, ist zu erwidern, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht mit diesem Argument sondern damit begründete, daß "die bisherige Auflage nicht ausreichend geeignet ist sicherzustellen, daß die zum Schutz der Nachbarn erforderliche Pegelbegrenzung von 65 dB jederzeit eingehalten wird". Des weiteren wurde der Beschwerdeführerin von der Bezirkshauptmannschaft Lienz mit Schreiben vom 30. März 1994 zu allen wesentlichen Umständen des beschwerdegegenständlichen Verfahrens Parteiengehör gewährt. Die Beschwerdeführerin hat davon mit schriftlicher Stellungnahme ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 20. April 1994 auch Gebrauch gemacht. Schließlich unterläßt es die Beschwerdeführerin zudem Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, einen im Ergebnis anderen Bescheid herbeizuführen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994040217.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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