RS Vwgh 2022/4/5 Ra 2021/21/0121

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Veröffentlicht am 05.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Grundrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §68 Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs3
BFA-VG 2014 §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §80 Abs1
FrPolG 2005 §80 Abs6
PersFrSchG 1988 Art1 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §7 Abs4
VwRallg

Rechtssatz

Einem positiven Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 kann nicht in gleichem Umfang Bindungswirkung wie einem negativen, die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft feststellenden Ausspruch zukommen. Dies folgt daraus, dass in das in Art. 1 Abs. 1 des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit normierte Grundrecht nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen eingegriffen werden darf. Dementsprechend sieht § 80 Abs. 1 FrPolG 2005 vor, dass die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden darf, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Damit korrespondiert die gemäß § 80 Abs. 6 FrPolG 2005 bestehende Pflicht für das BFA, regelmäßig von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft - längstens alle vier Wochen - zu überprüfen. Für ein enges Verständnis der Bindungswirkung eines positiven Fortsetzungsausspruchs spricht somit vor allem, dass eine rechtswidrige Haft jederzeit zu beenden ist. Dem widerspräche etwa ein Verständnis, die Wirkungen einer früheren (und zwar selbst einer inhaltlich unzutreffenden) feststellenden Entscheidung des VwG nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 seien über die zeitlichen Grenzen ihres Entscheidungsgegenstandes hinaus auf künftige Perioden auszudehnen. Vielmehr ergibt sich aus den erwähnten Rechtsschutzgründen zwingend, dass das BFA an einen positiven Fortsetzungsausspruch des VwG, der sich - etwa weil das VwG bei seiner Entscheidung den schon eingetretenen Ablauf der Schubhafthöchstfrist übersehen hat oder weil ihm mittlerweile eingetretene Tatsachen, beispielsweise eine Haftunfähigkeit, bei seiner Entscheidung nicht bekannt waren - als rechtswidrig erweist, nicht gebunden ist; diesfalls hätte das BFA den Schubhäftling sofort zu entlassen, obwohl der Ausspruch des VwG einen Schubhafttitel darstellt. Das kann nicht nur für den Fall gelten, dass nachträglich eine maßgebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eintritt. Diese Überlegungen zur mangelnden Bindung an einen positiven Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 gelten sinngemäß auch für das VwG, das infolge einer zulässigen Beschwerde über einen Schubhaftzeitraum abspricht, über den noch nicht entschieden wurde.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210121.L03

Im RIS seit

17.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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