TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/21 95/04/0245

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Veröffentlicht am 21.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §33;
AVG §37;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des G in E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Oktober 1995, Zl. 318.000/2-III/4/95, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. März 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das Gewerbe "Blumenbinder" gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 verweigert. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer beabsichtige, den väterlichen Betrieb zu übernehmen und das Blumenbinderhandwerk selbständig auszuüben. Seit etwa 15 Jahren helfe er im elterlichen Unternehmen mit. Die Erbringung des Befähigungsnachweises sei ihm unzumutbar, da er einen zweiten Beruf als Spediteur ausübe. Die Landesinnung Oberösterreich der Gärtner und Floristen habe sich in einem Gutachten vom 4. Juli 1994 gegen die Erteilung der angestrebten Nachsicht ausgesprochen, weil die erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Den beigelegten Gesuchsunterlagen sei lediglich zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer die Lehrabschlußprüfung im Lehrberuf Spediteur abgelegt habe. Seine Behauptung, rund 15 Jahre im elterlichen Betrieb mitgeholfen zu haben, habe der Beschwerdeführer nicht durch entsprechende Arbeitszeugnisse untermauern können. Somit könne er weder eine Ausbildung noch eine qualifizierte fachliche Tätigkeit im Blumenbinderhandwerk oder einem verwandten Lehrberuf nachweisen. Auch seien die für die selbständige Gewerbeausübung erforderlichen kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse nicht nachgewiesen worden. Darüber hinaus könne der Beschwerdeführer auch keine wichtigen, in seiner Person gelegene Gründe im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 geltend machen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen vorbrachte, daß er die für die gegenständliche Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze und durch eine fünfzehnjährige Mitarbeit im elterlichen Betrieb nachgewiesen habe, wobei es naturgemäß dafür vom Vater jeweils keine "Arbeitszeugnisse" schriftlicher Art gebe. Auf Grund seiner abgeschlossenen Spediteurausbildung, welche der Erstbehörde bekannt gewesen sei, verfüge er über die erforderlichen kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse. Nach Ansicht des Beschwerdeführers übersehe die Behörde, daß der Spediteurberuf an die kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse höhere Anforderungen als der Beruf des Blumenbinders stelle und er durch die Spediteurfachausbildung auch Kenntnisse in "Wirtschaftkunde mit Schriftverkehr", "kaufmännisches Rechnen" und "Buchführung" besitze. Entgegen der Ansicht der Behörde sei es ihm auf Grund der Ausübung des Spediteurberufes zeitlich nicht möglich, die Lehre des Blumenbinderhandwerks nachzuholen, weshalb auch ein wichtiger, in seiner Person gelegener Grund gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2a GewO 1994 vorliege.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Oktober 1995, wurde der Berufung gemäß § 28 GewO 1994 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde - unter Darlegung der Rechtslage - im wesentlichen ausgeführt, daß auf Grund der Aktenlage nicht angenommen werden könne, daß der Beschwerdeführer immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfüge, wie sie als erforderlich erachtet würden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt würden. Der Beschwerdeführer habe keine Ausbildung im Blumenbinderhandwerk noch in einem verwandten Handwerk nachgewiesen. Darüber hinaus habe er auch in seiner Berufung, trotz des im erstinstanzlichen Bescheid erfolgten Hinweises darauf, daß er seine behauptete Mitarbeit im elterlichen Betrieb nicht durch entsprechende Arbeitszeugnisse untermauern hätte können, keine diesbezüglichen Beweismittel angeboten. Im übrigen könne der Argumentation des Beschwerdeführers, daß ihm vom Vater kein "Arbeitszeugnis" ausgestellt hätte werden können, nicht gefolgt werden. Was das kumulative Nachsichtserfordernis des Vorliegens eines Ausnahmegrundes betreffe, so könne der Ansicht des Nachsichtswerbers, wonach es ihm auf Grund des Spediteurgewerbes zeitlich nicht möglich sei, die Lehre im Blumenbinderhandwerk nachzuholen, nicht gefolgt werden. Die zeitliche Inanspruchnahme durch eine berufliche Tätigkeit könne im allgemeinen nicht als Ausnahmegrund im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1994 angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 13. Dezember 1995, B 3697/95-3, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Gewährung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Ansicht der belangten Behörde, daß die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erteilt werden könne, weil er kein Arbeitszeugnis über seine Tätigkeit als Blumenbinder im Gewerbe seines "nunmehr verstorbenen" Vaters vorlegen könne, entspreche nicht dem "Gesetzestext". Den Nachweis der Befähigung habe er durch seine Erklärung erbracht. Es sei ihm für die Namhaftmachung von Zeugen eine derart kurze Frist eingeräumt worden, daß er keine Möglichkeit gehabt habe, diese Zeugen namhaft zu machen. Darüber hinaus habe er sich während der Fristsetzung auf Urlaub befunden.

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, zu erteilen, wenn

1.

nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen oder

2.

eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und

a)

dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b)

wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals ausgeführt hat, kann von einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 nur dann gesprochen werden, wenn auf Grund der vom Nachsichtswerber beigebrachten Unterlagen bzw. auf Grund des Ergebnisses des durch sein Vorbringen bzw. sonst durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, Zl. 94/04/0042, und vom 24. August 1995, Zl. 95/04/0017).

Auf dem Boden dieser Rechtsprechung, von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß findet, kann der Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer für die selbständige Ausübung des gegenständlichen Gewerbes die als erforderlich angesehenen fachlichen Kenntnisse nicht besitze, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Wenn der Beschwerdeführer diesbezüglich einwendet, er habe den Nachweis (bereits) mit seiner Erklärung erbracht, so genügt schon der Hinweis, daß im Hinblick auf die Allgemeinheit der Erklärung ("meine Mithilfe bzw. Mitarbeit im elterlichen Betrieb erstreckt sich bereits über 15 Jahre"), diese (noch) keinen Schluß über die Art und den Umfang der vom Nachsichtswerber ausgeführten Tätigkeiten zulassen.

In diesem Zusammenhang vermag aber auch mit der Beschwerderüge, für die Namhaftmachung von Zeugen sei eine zu kurze Frist eingeräumt worden, ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel nicht aufgezeigt zu werden. Der Beschwerdeführer verkennt dabei zunächst, daß der fruchtlose Ablauf einer behördlich gesetzten Frist zur Stellungnahme oder Vorlage von Beweismittel bedeutet, daß die Behörde ohne weiteres Zuwarten ihre Entscheidung treffen kann (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1958, Slg. N.F. Nr. 4561/A). Wie sich nun aus der Aktenlage ergibt, ist der Beschwerdeführer von der Behörde erster Instanz zunächst erfolglos mit Schreiben vom 26. Mai 1994 aufgefordert worden, sämtliche Unterlagen, die dem Nachweis seiner Befähigung dienen, ehestmöglich vorzulegen. Mit Schreiben des Magistrates Linz vom 2. August 1994 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von drei Wochen zu der ihm übermittelten (ablehnenden) Stellungnahme der Landesinnung der Gärtner und Floristen für Oberösterreich Stellung zu nehmen. Dazu hat der Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 30. August 1994 unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer bis 5. September 1994 nicht erreichbar sei, ersucht, die Frist bis 9. September 1994 zu verlängern. Mit einem weiteren Schreiben des Vertreters des Beschwerdeführers vom 12. Setpember 1994 hat dieser mitgeteilt, "innerhalb der nächsten 14 Tage, maximal drei Wochen" Bestätigungen vorzulegen bzw. Zeugen namhaft zu machen, ohne jedoch bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 20. März 1995 () der diesbezüglichen Aufforderung bzw. Ankündigung nachzukommen. Auch in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, der auf das Fehlen entsprechender Nachweise eingegangen ist, wurden weder Bestätigungen zum Nachweis der fachlichen Befähigung angeboten noch Zeugen hiefür namhaft gemacht (und auch nicht geltend gemacht, daß die gesetzte Frist zu kurz bemessen gewesen sei bzw. sich der Beschwerdeführer während der Fristsetzung auf Urlaub befunden habe). Davon abgesehen hat es der Beschwerdeführer auch unterlassen, die Wesentlichkeit des (behaupteten) Verfahrensfehlers darzutun.

Soweit aber geltend gemacht wird, der Beschwerdeführer hätte kein Arbeitszeugnis seines "nunmehr verstorbenen" Vaters vorlegen können, weil es in der Natur der Sache liege, daß der verstorbene Vater kein Arbeitszeugnis ausstellen könne, so verstößt dies gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040245.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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