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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art90 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch die Verhängung einer Geldstrafe nach dem AuslBG gegen den Betreiber eines Gastgewerbes wegen Unterlassung der Bekanntgabe der Identität einer bei einer Kontrolle der Finanzpolizei angetroffenen Person auf Grund denkunmöglicher Gesetzesanwendung; Pflicht des Arbeitgebers zur Bekanntgabe der Identität der angetroffenen ausländischen Beschäftigten käme einem Zwang zur Selbstbeschuldigung gleichSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis und den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Das Erkenntnis und der Beschluss werden aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Arbeit) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 3.096,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Magistrat der Stadt Wien erließ am 2. Juni 2020 ein Straferkenntnis, mit dem der Beschwerdeführer, ein Betreiber eines Gastgewerbes in Wien, wegen Übertretung des §26 Abs1 iVm §28 Abs1 Z2 litc Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bestraft wurde.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 3. September 2020, schriftlich ausgefertigt am 19. Jänner 2021, als unbegründet ab, bestätigte (mit Maßgabe) das angefochtene Straferkenntnis, legte einen vom Beschwerdeführer zu bezahlenden Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und erlegte dem Beschwerdeführer den Ersatz der im Verfahren erwachsenen Barauslagen auf. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer der Ersatz der bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher (der Höhe nach) auferlegt.
Das Verwaltungsgericht Wien begründet sein Erkenntnis wie folgt:
2.1. Am 6. September 2017 habe die Finanzpolizei im Lokal des Beschwerdeführers in Wien eine Kontrolle durchgeführt und dabei eine Person angetroffen, die Pizza zubereitet habe. Diese Person habe sich mit einer nicht auf ihren Namen lautenden e-card ausgewiesen. Bei der angetroffenen Person habe es sich tatsächlich nicht um die auf der e-card ausgewiesene Person gehandelt. Während der Kontrolle sei die angetroffene Person entkommen.
2.2. Nachdem die angetroffene Person entkommen sei, sei der Beschwerdeführer zur Kontrolle hinzugekommen und sei von den Kontrollorganen nach der Identität der angetroffenen unbekannten Person gefragt worden. Er habe angegeben, die Person unter dem auf der e-card ausgewiesenen Namen zu kennen. Er habe sie eingestellt und schon beim Vorstellungsgespräch verlangt, dass Bart und Turban abgenommen werden müssten, weil die Kunden das nicht wollen würden. Dem sei die Person auch nachgekommen. Dem Beschwerdeführer sei allerdings bewusst gewesen, dass die bei der Kontrolle angetroffene, Pizza zubereitende Person nicht die auf der e-card ausgewiesene Person gewesen sei.
2.3. Am 18. September 2017 sei die auf der e-card ausgewiesene Person von den Organen befragt worden, die die Kontrolle am 6. September 2017 durchgeführt hätten. Die Person habe Bart und Turban getragen.
2.4. Indem der Beschwerdeführer bei der Kontrolle am 6. September 2017 den Kontrollorganen auf deren Verlangen nicht den Namen der bei der Kontrolle angetroffenen, im Betrieb beschäftigten (eine Pizza zubereitenden) unbekannten Person bekannt gegeben habe, sondern dieser Person wahrheitswidrig den auf der e-card aufscheinenden Namen zugeordnet habe, habe er es unterlassen, der Abgabenbehörde den Namen des im Betrieb beschäftigten und bei der Kontrolle angetroffenen Ausländers bekanntzugeben. Somit habe er nicht die zur Durchführung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erforderlichen Auskünfte erteilt, womit der objektive Tatbestand des §26 Abs1 AuslBG erfüllt sei. Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt, weil keine Sachverhaltselemente hervorgekommen seien, aus denen sich mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers ergeben würde.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und Beschlusses beantragt wird.
4. Das Verwaltungsgericht Wien und der Magistrat der Stadt Wien haben die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift wurde jeweils abgesehen.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), §26 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl I 72/2013 und §28 Abs1 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl I 113/2015 lauten:
"Überwachung, Auskunfts- und Meldepflicht
§26. (1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie den Trägern der Krankenversicherung und den Abgabenbehörden auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber und Ausländer sind verpflichtet, den vorerwähnten Behörden und Trägern der Krankenversicherung sowie dem Bundesverwaltungsgericht die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren. Die Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, daß bei ihrer Abwesenheit von der Betriebsstätte oder Arbeitsstelle eine dort anwesende Person den genannten Behörden und Rechtsträgern die erforderlichen Auskünfte erteilt und Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt.
(2) Die im Abs1 genannten Behörden und Organe der Abgabenbehörden sowie die Organe der Träger der Krankenversicherung sind zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstätten sowie die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist.
(3) Die im Abs1 genannten Behörden und Organe der Abgabenbehörden und die Träger der Krankenversicherung haben bei Betreten des Betriebes den Arbeitgeber, in jenen Fällen, in denen der Arbeitgeber Arbeitsleistungen bei einem Auftraggeber erbringen läßt, auch diesen, oder deren Bevollmächtigte und den Betriebsrat von ihrer Anwesenheit zu verständigen; hiedurch darf der Beginn der Betriebskontrolle nicht unnötig verzögert werden. Vor Beginn der Betriebskontrolle ist in Betrieben, die der Aufsicht der Bergbehörden unterliegen, jedenfalls der Bergbauberechtigte oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter zu verständigen. Auf Verlangen haben sich die einschreitenden Organe durch einen Dienstausweis auszuweisen. Dem Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder deren Bevollmächtigen sowie dem Betriebsrat steht es frei, die einschreitenden Organe bei der Amtshandlung im Betrieb zu begleiten; auf Verlangen der einschreitenden Organe sind der Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder deren Bevollmächtigte hiezu verpflichtet. Die Betriebskontrolle hat tunlichst ohne Störung des Betriebsablaufes zu erfolgen.
(4) Die Organe der Abgabenbehörden sind im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit nach diesem Bundesgesetz befugt, die Identität von Personen festzustellen sowie Fahrzeuge und sonstige Beförderungsmittel anzuhalten und zu überprüfen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um ausländische Arbeitskräfte handelt, die beschäftigt werden oder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden. Die Organe der Abgabenbehörden sind, wenn wegen Gefahr im Verzug das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht abgewartet werden kann, auch ermächtigt, Ausländer für die Fremdenpolizeibehörde festzunehmen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass diese Ausländer im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben oder ausüben wollen, ohne dazu berechtigt zu sein, und sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Den Organen der Abgabenbehörden kommen dabei die im §35 VStG geregelten Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu. Die Ausländer sind in geeigneter Weise über ihre Ansprüche gemäß §29 und die Möglichkeiten der Geltendmachung zu informieren und unverzüglich der Fremdenpolizeibehörde oder der nächstgelegenen Sicherheitsdienststelle zu übergeben.
(4a) Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlass gebotenen Verlässlichkeit zu erfolgen. Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, sind hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.
(5) Der Arbeitgeber hat der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice innerhalb von drei Tagen Beginn und Ende der Beschäftigung von Ausländern, die diesem Bundesgesetz unterliegen und über keinen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt – EU' verfügen, zu melden.
(6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, hat das beauftragte Unternehmen vor Beginn der Beschäftigung aufzufordern, binnen einer Woche die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen. Kommt das beauftragte Unternehmen dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, hat das Auftrag gebende Unternehmen umgehend die Zentrale Koordinationsstelle für die illegale Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen zu verständigen.
Strafbestimmungen
§28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,
1. wer
a) entgegen §3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige 'Rot-Weiß-Rot – Karte', 'Blaue Karte EU' oder 'Aufenthaltsbewilligung – Künstler' oder keine 'Rot-Weiß-Rot – Karte plus', keine 'Aufenthaltsberechtigung plus', keinen Befreiungsschein (§4c) oder keinen Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' oder 'Daueraufenthalt – EU' besitzt, oder
b) entgegen §18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder
c) entgegen der Untersagung gemäß §32a Abs8 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Freizügigkeitsbestätigung ausgestellt wurde,
bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;
2. wer
a) entgegen §3 Abs4 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen, oder
b) entgegen §18 Abs5 oder 6 die Arbeitsleistungen eines Ausländers in Anspruch nimmt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice rechtzeitig anzuzeigen, oder
c) seinen Verpflichtungen gemäß §26 Abs1 nicht nachkommt oder
d) entgegen §26 Abs2 den im §26 Abs1 genannten Behörden und Rechtsträgern den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen und Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer oder das Befahren von Privatstraßen nicht gewährt, oder
e) entgegen §26 Abs3 die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt oder
f) entgegen dem §26 Abs4 oder 4a die Durchführung der Amtshandlungen beeinträchtigt,
mit Geldstrafe von 150 Euro bis 5 000 Euro, im Fall der litc bis f mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis 8 000 Euro;
3. wer
a) entgegen §3 Abs6 einen Ausländer beschäftigt, ohne die ihm nach diesem Bundesgesetz erteilten Bewilligungen oder Bestätigungen im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten, oder
b) die im §26 Abs5 vorgesehenen Meldungen nicht erstattet,
mit Geldstrafe bis 2 000 Euro;
4. wer
a) entgegen §18 Abs12 als Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes einen Ausländer im Inland beschäftigt oder
b) entgegen §18 Abs12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt,
obwohl §18 Abs12 Z1 oder 2 nicht erfüllt ist und – im Fall der litb – auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;
5. wer entgegen §32a Abs4 einen Ausländer, der gemäß §32a Abs2 oder 3 unbeschränkten Arbeitsmarktzugang hat, ohne Freizügigkeitsbestätigung beschäftigt, mit Geldstrafe bis 1 000 Euro."
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
2. Mit den angefochtenen Entscheidungen wird der Beschwerdeführer zur Leistung einer Geldstrafe, eines Verfahrenskostenbeitrags und zum Ersatz von Barauslagen verpflichtet; die Entscheidungen greifen daher in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein.
Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
3. Ein solcher Fehler ist dem Verwaltungsgericht Wien unterlaufen:
4. Gemäß §26 Abs1 AuslBG sind Arbeitgeber verpflichtet, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie den Trägern der Krankenversicherung und den Abgabenbehörden auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber und Ausländer sind verpflichtet, den vorerwähnten Behörden und Trägern der Krankenversicherung sowie dem Bundesverwaltungsgericht die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren.
4.1. Nach Abs4 leg cit sind die Organe der Abgabenbehörden im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit nach diesem Bundesgesetz befugt, die Identität von Personen festzustellen sowie Fahrzeuge und sonstige Beförderungsmittel anzuhalten und zu überprüfen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um ausländische Arbeitskräfte handelt, die beschäftigt werden oder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden.
4.2. Wer seinen Verpflichtungen gemäß §26 Abs1 nicht nachkommt oder entgegen Abs4 leg cit die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt, begeht nach §28 Abs1 Z2 litc und f AuslBG eine Verwaltungsübertretung, die mit näher bezeichneter Geldstrafe zu bestrafen ist.
4.3. Mit VfSlg 15.600/1999 hob der Verfassungsgerichtshof ua §26 Abs4 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl 895/1995 als verfassungswidrig auf: Nach §26 Abs4 AuslBG idF BGBl 895/1995 war der Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder deren Bevollmächtigter verpflichtet, über die Identität von Personen, die sich an einem in Abs2 genannten Ort oder in einem dem Arbeitgeber zurechenbaren Fahrzeug aufhielten, Auskunft zu geben, wenn Grund zur Annahme bestand, dass es sich bei den in Frage kommenden Personen offensichtlich um ausländische Arbeitskräfte handelte, die beschäftigt werden oder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden sollten. Die einschreitenden Organe der in Abs1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung waren berechtigt, die Identität dieser Personen zu überprüfen.
Der Verfassungsgerichtshof begründete die Aufhebung wie folgt:
"§26 Abs4 AuslBG stellt darauf ab, daß sich Personen auf der Betriebsstätte, in den Betriebsräumen, auf Arbeitsstellen oder in Aufenthaltsräumen von Arbeitnehmern oder aber in einem dem Arbeitgeber zurechenbaren Fahrzeug aufhalten und es sich offensichtlich um ausländische Arbeitskräfte handelt, die beschäftigt werden oder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden sollen. Ist für diese Beschäftigung eine behördliche Erlaubnis erforderlich – und das ist in der einen oder anderen Form zumeist der Fall –, setzt die Bekanntgabe der Identität dieser Person die nachfragende Behörde regelmäßig in die Lage, dem Arbeitgeber eine unerlaubte Beschäftigung nachzuweisen. Das war offenkundig auch das erklärte Ziel der Einführung dieser Bestimmung durch die Nov. BGBl 450/1990: Wie der von der Bundesregierung zitierte Ausschußbericht erkennen läßt, ging es nicht etwa um die Kontrolle des Schutzes erlaubt beschäftigter ausländischer Arbeitnehmer, sondern um die Eindämmung des 'schwarzen Arbeitsmarktes'.
Die Bundesregierung bemerkt allerdings zurecht, daß die Sachlage hier eine andere ist als bei der vom VfGH als Verstoß gegen Art90 Abs2 B-VG gewerteten Lenkerauskunft. Dort lag die praktische Funktion in aller Regel darin, die Person des einer Verwaltungsübertretung Verdächtigen festzustellen. Doch gilt auch hier, was das Erkenntnis VfSlg 9950/1984 zur Lenkerauskunft festgehalten hat: daß sich die Einschätzung als Zwang zum Geständnis insbesondere aus einer Wertung der typischen oder beabsichtigten Auswirkungen der angeordneten Auskunft ergeben kann.
Einem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichzuhalten ist nämlich nicht nur der Fall, daß sich jemand im praktischen Ergebnis als Täter einer bereits als Verwaltungsübertretung verfolgten Tat bekennen muß, sondern auch dann, wenn die erzwungene Erklärung angesichts der sie begleitenden Umstände den für das Vorliegen und den Nachweis eines Straftatbestandes typischerweise entscheidenden Hinweis gibt. Da die besondere Auskunftspflicht nach §26 Abs4 – ganz anders als die allgemeine Mitteilungspflicht nach §26 Abs1 – gerade (erst) dann entsteht, wenn sich Personen an den genannten Orten aufhalten, von denen anzunehmen ist, daß es sich offensichtlich um Ausländer handelt, die beschäftigt werden sollen (wobei überdies, wenn sie in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen angetroffen werden, nach §28 Abs7 eine unberechtigte Beschäftigung sogar ohne weiteres anzunehmen ist, wenn nicht glaubhaft gemacht wird, daß eine solche nicht vorliegt), so stellt die notwendige Identifizierung dieser verschwundenen (und daher nicht selbst zu befragenden) Personen zugleich mit der nun möglichen Feststellung einer allfälligen Verwaltungsübertretung regelmäßig auch die Überführung des Täters sicher. Auch zur Lenkererhebung kommt es nicht selten, bevor sämtliche anderen Tatbestandsmerkmale geklärt sind. Sowenig dort ein Geständnis der Straftat selbst erforderlich ist, sowenig kann es hier an der Beurteilung etwas ändern, daß nach §26 Abs4 keine Auskunft über die Frage geleistet werden muß, ob der betretene Ausländer auch Arbeitnehmer ist (was §28 Abs7 ohnedies nachgerade erübrigt).
Daß sich §26 Abs4 AuslBG nicht etwa darauf beschränkt, den Verdächtigen oder Beschuldigten zu hindern, Spuren zu verwischen oder die Sicherung wesentlicher Beweismittel zu hintertreiben – wie die §§4 Abs1 litc oder 5 Abs2 StVO 1960 (VfSlg 5235/1966 und 5295/1966) –, ist offensichtlich. Er verlangt vielmehr die Erteilung einer regelmäßig belastenden Auskunft." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
4.4. Das Verwaltungsgericht Wien geht in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass der objektive Tatbestand des §26 Abs1 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl I 72/2013 erfüllt sei, weil der Beschwerdeführer bei der Kontrolle am 6. September 2017 den Kontrollorganen auf deren Verlangen nicht den Namen der bei der Kontrolle angetroffenen im Betrieb beschäftigten unbekannten Person bekanntgegeben habe, sondern dieser Person wahrheitswidrig einen anderen Namen zugeordnet habe. Er habe es daher unterlassen, der Abgabenbehörde den Namen des im Betrieb beschäftigten und bei der Kontrolle angetroffenen Ausländers bekanntzugeben und habe so nicht die zur Durchführung des AuslBG erforderlichen Auskünfte erteilt.
4.5. §26 Abs1 AuslBG enthält bloß eine allgemeine Mitteilungspflicht, nämlich die Bekanntgabe von Namen und Anzahl der im Betrieb beschäftigten Ausländer, sie verpflichtet den Arbeitgeber aber nicht – weil dies einem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichkäme – zur Bekanntgabe der Identität eines anlässlich einer Kontrolle konkret angetroffenen Ausländers (vgl VwGH 27.6.2001, 98/09/0363; 19.12.2002, 2001/09/0237).
4.6. Indem das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer wegen der Unterlassung der Bekanntgabe des Namens eines im Betrieb beschäftigten und bei der Kontrolle angetroffenen Ausländers bestraft, hat es im vorliegenden Fall der Bestimmung des §26 Abs1 AuslBG, BGBl 218/1975, idF BGBl I 72/2013 einen dem Art90 Abs2 B-VG widersprechenden und damit verfassungswidrigen Inhalt unterstellt (vgl VfSlg 15.600/1999).
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtenen Entscheidungen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 des 1. ZPEMRK verletzt worden.
2. Das Erkenntnis und der Beschluss sind daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 (iVm §88a) VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 480,– enthalten.
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung, Verwaltungsstrafrecht, fair trial, Unschuldsvermutung, Auskunftspflicht, Anklageprinzip, Auslegung verfassungskonforme, ArbeitsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E870.2021Zuletzt aktualisiert am
16.05.2022