RS Vfgh 2022/2/28 E2802/2021

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, Mindestsicherung

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Oö Sozialhilfe-AusführungsG §7
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Kürzung des Richtsatzes nach dem Oö Sozialhilfe-AusführungsG mangels Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der gesamten Haushaltsgemeinschaft mit einem (mittlerweile) volljährigen behinderten Kind

Rechtssatz

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) geht davon aus, dass gemäß §7 Abs9 Oö SOHAG eine Kürzung des Richtsatzes mangels Aufwendungen zum Wohnbedarf dann vorzunehmen sei, wenn eine bezugsberechtigte volljährige Person keine Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs für Miete, Betriebs- und Energiekosten habe; dies sei hinsichtlich der volljährigen behinderten Tochter der Beschwerdeführerin der Fall. Die Beschwerdeführerin habe mangels Selbsterhaltungsfähigkeit ihrer volljährigen Tochter primär Naturalunterhalt zu leisten. Die Reduktion des Richtsatzes der volljährigen Tochter sei daher mangels Aufwendungen zur Deckung des Wohnbedarfs gerechtfertigt.

Wie der VfGH in E v 07.06.2021, E3494/2020, ausführte, kann allein aus der Tatsache, dass der gesamte Mietzins für die Wohnung von einer Person der Haushaltsgemeinschaft überwiesen wird, nicht darauf geschlossen werden, dass die übrigen im Haushalt lebenden (volljährigen) Personen mit keinen Aufwendungen für den Wohnbedarf belastet sind. Hinzu kommt, dass die der Beschwerdeführerin gewährte Sozialhilfeleistung zur Befriedigung des Wohnbedarfs nur ihren eigenen Wohnaufwand deckt, nicht aber auch jenen ihrer volljährigen Tochter. Deren Wohnaufwand ist in ihrem eigenen Richtsatz für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen berücksichtigt. Das LVwG wäre gehalten gewesen, die wirtschaftliche Situation der gesamten Haushaltsgemeinschaft zu beurteilen. Eine solche Gesamtbeurteilung führt zu dem Ergebnis, dass entweder für alle Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft ein zu deckender Wohnbedarf vorhanden ist und/oder dass dieser (zumindest teilweise) anderweitig, zB durch Dritte, gedeckt wird. Aus den Feststellungen des LVwG ergibt sich jedoch unzweifelhaft, dass weder der Wohnbedarf der Beschwerdeführerin noch der ihrer Haushaltsgemeinschaft (von Dritten) gedeckt wird, sondern lediglich, dass die Beschwerdeführerin für die Wohnung Mietkosten in bestimmter Höhe zu leisten hat.

Das LVwG hat somit §7 Abs9 Oö SOHAG einen denkunmöglichen Inhalt unterstellt, indem es alleine auf Grund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Naturalunterhalt zu gewähren habe, davon ausgegangen ist, dass ihre in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Tochter keine Aufwendungen zur Deckung ihres Wohnbedarfs habe.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialhilfe, Kinder, Entscheidungsbegründung, Unterhalt, Behinderte, Mindestsicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E2802.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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