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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
BVergG 2018 §155 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der A GmbH, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Dezember 2021, Zl. VGW-123/077/13058/2021-10, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. W und 2. B GmbH, beide vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Rennweg 17/5), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 und 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Der Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Zuerkennung von Aufwandersatz im Provisorialverfahren gemäß § 30 Abs. 2 und 3 VwGG wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligten Parteien (Auftraggeber) führten ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Antidekubitussystemen auf Mietbasis. Das Vergabeverfahren war in sieben Lose gegliedert.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung der Auftraggeber betreffend den Abschluss einer Rahmenvereinbarung für die Lose 2 und 3 ab (Spruchpunkt I.), erkannte über den Ersatz der Pauschalgebühren (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.
3 Zuvor stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. Oktober 2021 das Verfahren über den weiteren Antrag der revisionswerbenden Partei auf Nichtigerklärung der sich auf die beiden Lose beziehenden, gleichzeitig getroffenen Entscheidung der Auftraggeber, dass die Rahmenvereinbarung mit der nach dem Ausschluss der revisionswerbenden Partei einzig verbliebenen Bieterin abgeschlossen werden soll, ein, nachdem die Auftraggeber diese Entscheidung zurückgenommen hatten.
4 Die revisionswerbende Partei beantragte gleichzeitig mit der gegen das angefochtene Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
5 Mit Beschluss vom 26. Jänner 2022 wies das Verwaltungsgericht den Aufschiebungsantrag als unzulässig zurück. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, entsprechend der Stellungnahme der Auftraggeber vom 24. Jänner 2022 sei die Rahmenvereinbarung betreffend die beiden gegenständlichen Lose zwischenzeitig bereits abgeschlossen worden. Dem angefochtenen Erkenntnis komme insofern keine Vollstreckbarkeit zu, weshalb die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung von vornherein nicht in Betracht komme.
6 Nach Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof stellte die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom 14. Februar 2022 einen neuerlichen (der Sache nach auf § 30 Abs. 3 VwGG gestützten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
7 Die revisionswerbende Partei brachte dazu im Wesentlichen zusammengefasst vor, sie habe vom Abschluss der Rahmenvereinbarung erst am 31. Jänner 2022 erfahren. Dabei handle es sich um „keine Zuschlagsentscheidung (zu Aufträgen aus der Rahmenvereinbarung)“. Die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Revision bewirke, dass die revisionswerbende Partei „als nicht mehr rechtskräftig ausgeschiedene Bieterin ... bei unionsrechtskonformer Interpretation einen Nachprüfungsantrag gegen den Abschluss der Rahmenvereinbarung stellen“, bzw. für den Fall, dass sie den Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht mehr anfechten könne, „einen Nachprüfungsantrag gegen die Aufträge, die aus der Rahmenvereinbarung abgerufen werden, stellen“ könne.
8 Nach § 30 Abs. 3 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß § 30 Abs. 2 VwGG von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
9 Voraussetzung für die Stattgabe eines Aufschiebungsbegehrens ist zunächst, dass die bekämpfte Entscheidung einem „Vollzug“ zugänglich ist. „Vollzugsfähigkeit“ liegt bereits dann vor, wenn die Entscheidung einen Rechtsverlust herbeizuführen vermag (vgl. VwGH 2.12.2016, Ra 2016/04/0132, mwN).
10 Unstrittig ist, dass die Auftraggeber mit der einzig verbliebenen Bieterin vor der Zurückweisung des Antrags der revisionswerbenden Partei, ihrer Revision aufschiebende Wirkung zu zuerkennen, die, den Gegenstand des vorliegenden Ausschreibungsverfahrens bildende Rahmenvereinbarung betreffend die Lose 2 und 3 abschlossen.
11 Hinsichtlich des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Verfahrens ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung keine gesondert anfechtbare Entscheidung iSd § 2 Z 15 lit. a sublit. jj BVergG 2018, sondern die Entscheidung mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll. Als nicht gesondert anfechtbare Entscheidung könnte der Abschluss einer Rahmenvereinbarung gemäß § 2 Z 15 lit. b BVergG 2018 nur in dem gegen die nächst folgende gesondert anfechtbare Entscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag angefochten werden.
12 Bei Abschluss einer Rahmenvereinbarung - wie vorliegend - mit nur einem Bieter ist in Bezug auf eine Auftragsvergabe aufgrund der abgeschlossenen Rahmenvereinbarung nur dieser Partei des Verfahrens. Ein im Verfahren zum Abschluss der Rahmenvereinbarung ausgeschiedener Bieter kann daher nach Abschluss der Rahmenvereinbarung mit nur einem Bieter eine allfällige Auftragsvergabe gemäß § 155 Abs. 3 BVergG 2018 nicht mittels Nachprüfungsantrag anfechten. Mangels für den vor Abschluss einer Rahmenvereinbarung ausgeschiedenen Bieter nach Abschluss der Rahmenvereinbarung mit nur einem Bieter gesondert anfechtbarer Entscheidung, insbesonders mangels anfechtbarer Zuschlagsentscheidung, besteht für den ausgeschiedenen Bieter letztlich auch insofern nicht die Möglichkeit einen Nachprüfungsantrag gegen die Aufträge, die aus der Rahmenvereinbarung abgerufen werden, zu stellen.
13 Der Abschluss der Rahmenvereinbarung hat daher vorliegend zur Folge, dass die revisionswerbende Partei weder die Nichtigerklärung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung noch der Aufträge, die aus der Rahmenvereinbarung abgerufen werden, begehren kann.
14 Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde somit der erfolgte Abschluss der Rahmenvereinbarung sowie der allfällige Abruf von Aufträgen aus der Rahmenvereinbarung nicht rückgängig gemacht werden, sodass das von der revisionswerbenden Partei verfolgte Rechtsschutzziel, den Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der verbliebenen Bieterin sowie den Abruf von Aufträgen aus dieser Rahmenvereinbarung zu verhindern bzw. zu beseitigen, nicht erreicht werden kann.
15 Das angefochtene Erkenntnis ist daher entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei keinem Vollzug iSd § 30 Abs. 2 VwGG mehr zugänglich.
16 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.
17 Der Antrag der mitbeteiligten Parteien in ihrer Stellungnahme zum Aufschiebungsantrag der revisionswerbenden Partei auf Aufwandersatz ist unzulässig, weil für Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in den §§ 47 bis 56 VwGG kein Aufwandersatz vorgesehen ist, sodass gemäß § 58 VwGG jede Partei den ihr im Provisorialverfahren erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat (vgl. etwa VwGH 28.10.2020, Ro 2020/10/0024, Rn. 13, mwN).
Wien, am 18. März 2022
Schlagworte
VollzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040010.L00Im RIS seit
16.05.2022Zuletzt aktualisiert am
16.05.2022