TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/21 96/04/0070

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Veröffentlicht am 21.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
58/01 Bergrecht;

Norm

AVG §1;
BergG 1975 §172 Abs4;
B-VG Art20 Abs1;
StGG Art5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Genossenschaft in E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Februar 1996, Zl. 63 220/52-VII/A/93, betreffend Rückübereignung enteigneter Grundflächen (mitbeteiligte Parteien: 1. Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke Alpine Montan, 2. Voest-Alpine Stahl Linz GesmbH, 3. Voest-Alpine AG, alle in Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Enteignungsbeschluß der ehemaligen Reichsstelle für Landbeschaffung in Berlin vom 24. September 1940 wurden die in der EZ 183 KG K eingetragen gewesenen und damals im Eigentum der Beschwerdeführerin gestandenen Grundstücke zugunsten der ehemaligen Alpine Montan Aktien-Gesellschaft "Hermann Göring" auf Grund der zweiten Verordnung über die Landbeschaffung für Zwecke der Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten "Hermann Göring" vom 9. Juli 1938, dRGBl. I S 850, enteignet. Mit Schreiben vom 23. Juni 1986 beantragte die Beschwerdeführerin beim "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" festzustellen, daß eine Reihe dieser näher bezeichneten Grundstücke nie zu dem Zweck verwendet worden seien, für den sie enteignet wurden, zufolge der nicht widmungsgemäßen Verwendung und Nutzung dieser Grundstücke das ursprünglich bestehende Enteignungsrecht des Rechtsvorgängers der "Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke Alpine Montan AG" entfallen sei und damit dieser Gesellschaft kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der mit dem zitierten Enteignungsbeschluß ausgesprochenen Enteignung zustehe und daß somit der Rechtsgrund für die Enteignung dieser Grundstücke weggefallen sei. Weiters beantragte die Beschwerdeführerin, den Enteignungsbeschluß hinsichtlich dieser Grundstücke aufzuheben und in das bücherliche Eigentum der Beschwerdeführerin zu übertragen. Schließlich beantragte sie die Einleitung der Aufhebung des Enteignungsbeschlusses im Grundbuch anzumerken.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 1988 stellte der Landeshauptmann von Steiermark fest, daß ein Teil der in Rede stehenden Grundstücke nicht im Sinne des Beschlusses der Reichsstelle für Landbeschaffung in Berlin vom 29. April 1940 (richtig: 24. September 1940) im Zusammenhalt mit dem Berichtigungsbeschluß dieses Amtes vom 18. November 1940 verwendet würden, weshalb die beiden genannten Beschlüsse hinsichtlich dieser Grundstücke und Grundstücksteile gemäß § 68 Abs. 2 AVG abgeändert würden. Der Landeshauptmann stellte weiters fest, daß eines der in Rede stehenden Grundstücke dem seinerzeitigen Enteignungszweck in naher Zukunft entsprechend verwendet werden werde. Die Anträge auf Rückübereignung der Grundstücke und Anmerkung der Einleitung des Bescheid-Aufhebungsverfahrens im Grundbuch wurden gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Beschwerdeführerin als auch die zweit- und drittmitbeteiligte Partei Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 1996 hob der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. Oktober 1988 auf und leitete die Anträge der Beschwerdeführerin an die Berghauptmannschaft Leoben als zuständige Behörde weiter. Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges aus, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei im Falle eines Rückübereignugnsanspruches für die Aufhebung eines Enteignungsbescheides, der auf Grund einer in der Zeit zwischen 13. März 1938 und 1. Mai 1945 erlassenen Rechtsvorschrift ergangen sei, jene Behörde zuständig, der im Zeitpunkt der Aufhebung die Zuständigkeit für die Erlassung des Enteignungsbescheides zukäme. Wie sich aus den Verwaltungsakten ergebe, sei die Enteignung der in Rede stehenden Grundstücke für Zwecke des Erzbergbaues in Eisenerz (Vergrößerung des Tagbaus und die dadurch bedingte Vergrößerung der Sturzhalden) erfolgt. Da es sich hiebei um eine Enteignung zur Ausübung bergrechtlich geregelter Tätigkeiten handle, wäre zur Erlassung eines derartigen Enteignungsbescheides heute in erster Instanz die Berghauptmannschaft im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann zuständig (§ 172 Abs. 4 Berggesetz 1975). Berufungsbehörde sei gemäß § 172 Abs. 6 des Berggesetzes 1975 der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten. Demnach habe eine sachlich unzuständige Behörde (der Landeshauptmann von Steiermark in mittelbarer Bundesverwaltung) entschieden. Die Berufungsbehörde habe daher den bei ihr bekämpften Bescheid aufzuheben und die den Gegenstand dieses Bescheides bildenden Anträge an die zuständige Behörde, das sei die örtlich zuständige Berghauptmannschaft weiterzuleiten gehabt. Zur Entscheidung in der Sache sei die Berufungsbehörde nicht berufen, da darin ein Entzug des Rechtes auf den gesetzlichen Richter läge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt sie vor, für die Erledigung ihres Antrages sei im vorliegenden Fall das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung bzw. der Landeshauptmann" ausschließlich zuständig gewesen, weil diese Behörde auch für die Erlassung des Enteignungsbescheides im gegenwärtigen Zeitpunkt zuständig wäre. Auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu B 206/75-31, Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, sei die Antragstellung an die Oberösterreichische Landesregierung erfolgt, die auch in diesem Falle der Zuständigkeit nicht entbehrt habe. Im Gegensatz zur Feststellung der belangten Behörde, daß die verfahrensgegenständlichen Grundstücke im bücherlichen Eigentum der Voest Alpine Erzberg GesmbH in Eisenerz stünden und deren Mitteilung zufolge die verfahrensgegenständlichen, von der Rückübereignung betroffenen Grundstücke direkt und indirekt Bergbauaktivitäten dienten, sei darauf hinzuweisen, daß auf diesen Grundstücken ab Enteignung bis zum heutigen Tag nie eine Bergbauaktivität gesetzt worden sei. Diese unüberprüfte Feststellung der belangten Behörde sei akten- und rechtswidrig. Wenngleich im Falle eines Rückübereignungsanspruches für die Aufhebung des Enteignungsbescheides, der auf Grund einer in der Zeit zwischen dem 13. März 1938 und 1. Mai 1945 erlassenen Rechtsvorschrift ergangen ist, jene Behörde zuständig sei, der im Zeitpunkt der Aufhebung die Zuständigkeit für die Erlassung des Enteignungsbescheides zukäme, sei die Weiterleitung der Anträge der Beschwerdeführerin an die Berghauptmannschaft Leoben unzulässig. Gemäß § 172 Abs. 4 Berggesetz 1975 habe über ein Ansuchen gemäß dieser Gesetzesstelle die Berghauptmannschaft im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann zu entscheiden. Nach dem Absatz 6 dieser Gesetzesstelle entscheide über Berufungen gegen Bescheide, die mit einer zwangsweisen Grundüberlassung verbunden seien, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten. Die Entscheidung der Berghauptmannschaft im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann bedeute begriffsnotwendig, daß die Berghauptmannschaft keine Entscheidung zu treffen vermöge, die nicht von der Oberbehörde (Landeshauptmann) ausdrücklich bewilligt werde. Für die Enteignung von Grundstücken, die dem Bergbau dienten, wäre ungeachtet der vorzitierten Gesetzesstellen der Landeshauptmann zuständig.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die von der belangten Behörde dargestellte und auch von der Beschwerdeführerin nicht bekämpfte Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes, wonach zur Erledigung von Anträgen auf Aufhebung eines Enteignungsbescheides, der auf Grund einer in der Zeit zwischen 13. März 1938 und 1. Mai 1945 erlassenen Rechtsvorschrift ergangen ist, jene Behörde zuständig ist, auf die die Befugnis zu Maßnahmen, wie sie der Entschädigungs- und Enteignungsbeschluß enthält, nach der österreichischen Rechtsordnung übergegangen ist (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1974, Zl. B 336/73, Slg. Nr. 7271).

Bei Ermittlung jener Behörde, welche nach diesen Grundsätzen im konkreten Fall zur Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin zuständig ist, ist von der auch von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften Feststellung der belangten Behörde auszugehen, die damalige Enteignung der in Rede stehenden Grundstücke sei für Zwecke des Bergbaues in Eisenerz, nämlich zur Vergrößerung des Tagbaues und die dadurch bedingte Vergrößerung der Sturzhalden erfolgt. Es handelte sich somit um eine Enteignung zur Ausübung bergrechtlich geregelter Tätigkeiten.

Die zwangsweise Grundüberlassung für Zwecke des Bergbaues ist nunmehr im § 172 des Berggesetzes 1975 geregelt. Nach dem Abs. 4 dieser Gesetzesstelle entscheidet über das Ansuchen die Berghauptmannschaft im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Rechtsansicht der belangten Behörde, zur Entscheidung über das dem vorliegenden Verwaltungsverfahren zugrundeliegende Ansuchen der Beschwerdeführerin wäre in erster Instanz die örtlich zuständige Berghauptmannschaft zuständig gewesen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Daran vermag der Umstand, daß nach § 172 Abs. 4 Berggesetz 1975 diese Behörde im Einvernehmen mit dem zuständigen Landeshauptmann zu entscheiden hat, nichts zu ändern. Das von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang verwendete Argument der Weisungsgebundenheit der Erstbehörde gegenüber dem Landeshauptmann geht schon deshalb fehl, weil die Frage der Weisungsvertreter mit der Zuständigkeit in keinem Zusammenhang steht.

Auch mit dem Hinweis, in dem dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1974 zugrundegelegenen Fall habe in erster Instanz die Oberösterreichische Landesregierung entschieden, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen der Verschiedenheit der zugrundeliegenden Sachverhalt nicht darzutun. In der vom Verfassungsgerichtshof entschiedenen Angelegenheit erfolgte die dem Verfahren zugrundeliegende Enteignung für Zwecke der Errichtung einer geschlossenen Wohnsiedlung.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenMaßgebender Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040070.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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