TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/21 95/05/0120

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Veröffentlicht am 21.05.1996
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Index

L85003 Straßen Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
LStG NÖ 1979 §2 Abs1;
LStG NÖ 1979 §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Reinhard S und 2. der Helga S, beide in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. März 1995, Zl. R/1-V-92047/02, betreffend Öffentlicherklärung eines Weges gemäß § 2 Abs. 1 Nö Landesstraßengesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Tulbing, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 17. Oktober 1991 wurde in bezug auf die Privatstraße vor den Liegenschaften Passauer Straße n1 und n2, KG Katzelsdorf, das Vorliegen der Merkmale der Öffentlichkeit festgestellt. Diese Straße diene dem öffentlichen Fußgeherverkehr. Unter einem wurde in Absatz 2 des Spruchpunktes A angeordnet, daß die vorhandene Abschrankung unverzüglich soweit zu entfernen sei, daß eine Durchgangsbreite von mindestens 3 m, wie dies in der Bauverhandlung vom 24. Mai 1933 für die Errichtung des Wohnhauses auf der Liegenschaft Passauer Straße n1 von der Baubehörde vorgeschrieben worden sei, freibleibe. Im Spruchpunkt B wurde der Beweisantrag des Rechtsvorgängers des Erstbeschwerdeführers vom 26. September 1991 (der Tag des Einlangens bei der Behörde, Schriftsatz vom 25. September 1991) als unerheblich zurückgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer (damals der Vaters des Erstbeschwerdeführers und die Zweitbeschwerdeführerin) als Eigentümer des in Frage stehenden Weges wurde keine Folge gegeben und gemäß § 2 Abs. 2 Nö Landesstraßengesetz festgestellt, daß

"aufgrund des Ermittlungsverfahrens die Merkmale der Öffentlichkeit für die Privatstraße vor den Liegenschaften Passauer Straße n1 (Gp. n4/11 mit .96) und Passauer Straße n2 (Gp. n4/14 mit .98), KG Katzelsdorf im Dorf, gegeben sind. Diese Straße dient dem öffentlichen Fußgeherverkehr.

Damit von der Öffentlichkeit das Wegerecht auch zukünftig ungehindert wahrgenommen werden kann, wird angeordnet, daß der Weg mit einer Durchgangsbreite von mind. 3 m freizubleiben hat, wie dies in der Bauverhandlung vom 24.5.1933 für die Errichtung des Wohnhauses auf der Liegenschaft Passauerstr. 2 vorgeschrieben worden ist."

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. April 1993, der bereits gegenüber dem Erstbeschwerdeführer als Rechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters erlassen wurde, wurde der Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei verwiesen. In der vor der Aufsichtsbehörde stattgefundenen mündlichen Verhandlung vom 12. März 1993 begründete der Amtssachverständige das Vorliegen des notwendigen Verkehrsbedürfnisses im Hinblick darauf, daß infolge des Fehlens von Gehsteigen sowie der problematischen Sichtverhältnisse im Kurvenbereich auf der unweit des verfahrensgegenständlichen Weges parallel zu diesem führenden Landesstraße 2012 die Verkehrssicherheit der Fußgänger in diesem Abschnitt beeinträchtigt sei. Aus Gründen der Verkehrssicherheit sei für die Fußgänger der Strecke über die Passauer Straße sowie über den strittigen Weg der Vorzug zu geben. Nach Auffassung der belangten Behörde hätte dem Beweisantrag des Vaters des Erstbeschwerdeführers vom 25. Dezember 1991 Rechnung getragen werden müssen. In diesem werde behauptet, daß der verfahrensgegenständliche Weg nur wahlweise benützt worden sei, aber nicht von der Allgemeinheit. Dies sei darauf gestützt worden, daß Personen die Landesstraße Nr. 2012 als Zugang zu dem im Südosten gelegenen Wald benützt hätten und nicht die Passauer Straße, da der Weg in den Wald in der Verlängerung der Landesstraße und nicht in der Verlängerung der Passauer Straße verlaufe. Die Benützung der Landesstraße sei deshalb erfolgt, weil es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Weg vor dem Ausbau der Passauer Straße um einen unbefestigten Weg gehandelt habe, der bei Schlechtwetter unbenützbar gewesen sei. Nach Auffassung der belangten Behörde in diesem Bescheid hätte durch die beantragten Zeugen insbesondere geklärt werden müssen, ob als Zugang zu dem schon mehrfach erwähnten Wald die Landesstraße Nr. 2012 oder der damals vor der Herstellung der Passauer Straße unbefestigte Weg gedient habe. Da diese wesentliche Frage nicht geklärt worden sei, sei das bisherige Verfahren mangelhaft geblieben und müsse der Vorstellung stattgegeben werden.

In der Folge wurden die beantragten Zeugen einvernommen. Der nunmehrige Erstbeschwerdeführer gab an, daß er bis zum Eintritt in die Schule das gesamte Sommer-Halbjahr in Katzelsdorf verbracht habe. In der Schulzeit sei er immer in den Ferien dort gewesen. Ihm sei in Erinnerung, daß nur Frau L. und Frau D. und der unmittelbare Nachbar L.S. diesen Weg benützt hätten. Bis zum Entstehen der nachfolgenden Siedlungstätigkeit habe er dies so miterlebt. Die Zeugin E.S. führte aus, sie sei mit dem derzeitigen Zustand, d.h. dem Durchgang von Personen einverstanden, jedoch nicht mit dem Befahren von Motorfahrzeugen jeglicher Art. Als ihr Kind klein gewesen sei, etwa 1963, habe sie einen Großteil im Haus in Katzelsdorf verbracht und habe damals beobachten können, daß Frau L. und Frau D. diesen Weg als Zugang zu ihren Häusern benützt hätten. Ansonsten sei von ihr nur eine geringe Frequenz in der Benützung des Weges zu beobachten gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin als Zeugin verwies auf die Ausführungen ihres mittlerweile verstorbenen Ehegatten in der Verhandlung vom 17. September 1991 und auf die Verhandlung der belangten Behörde vom 12. März 1993, bei der von ihr Fotos bzw. Ansichtskarten vorgelegt worden seien, aus denen die "seinerzeitigen örtlichen naturräumlichen Gegebenheiten" zu ersehen seien.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 23. August 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführer (damals noch der Rechtsvorgänger des Erstbeschwerdeführers und die Zweitbeschwerdeführerin) gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die beantragten Zeugen seien einvernommen worden. Im Hinblick darauf, daß der Zeuge R.S. in der fraglichen Zeit im Vorschulalter gewesen sei und die Schwerpunkte des Beobachtungs- und Erinnerungsvermögens eines 4- bis 6-jährigen Kindes nicht darauf gerichtet seien, wer einen bestimmten Weg benütze, komme der Gemeinderat nach Abwägung der von ihm im Ermittlungsverfahren durchgeführten Zeugeneinvernahmen zu der Auffassung, daß der gegenständliche Weg durch mindestens 30 Jahre ununterbrochen durch die Allgemeinheit im Gemeingebrauch stehe. Diese Auffassung werde insbesondere durch die Zeugenaussage von Frau E.S. bestätigt. Dabei sei unerheblich, von wem, von wievielen Personen und zu welchem Zweck der Weg benutzt werde bzw. benutzt worden sei. Auch die Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin habe keine neuen Erkenntnisse gebracht, da diese auf die Aussagen ihres mittlerweile verstorbenen Ehegatten verwiesen habe sowie auf Fotos und Ansichtskarten, die der belangten Behörde im Zuge der Augenscheinsverhandlung vom 12. März 1993 übermittelt worden seien. Zur Beurteilung der Frage des notwendigen Verkehrsbedürfnisses habe der verkehrstechnische Amtssachverständige auf die Aspekte der Verkehrssicherheit für die Fußgänger in seinem Gutachten verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Einer der im Schriftsatz vom 25. September 1991 beantragten Zeugen habe nicht einvernommen werden können, da er verstorben sei. Die Zweitbeschwerdeführerin als Zeugin einvernommen habe keine neuen Argumente vorgetragen. Die Zeugin E.S. habe angegeben, daß nach ihrer Beobachtung der Weg von zwei Personen dauernd benützt worden sei, ansonsten aber auf diesem eine geringe Frequenz gegeben sei. Daß der Erstbeschwerdeführer als Zeuge aufgrund seiner Jugend über den Gemeingebrauch von 30 Jahren naturgemäß keine zweckdienlichen Angaben machen könne, liege auf der Hand. Zur Beurteilung seien jene Zeugenaussagen heranzuziehen, die aufgrund ihres Erinnerungsvermögens dementsprechende Aussagen hätten machen können - wie dies der Gemeinderat auch getan habe. Daraus gehe zusammenfassend eindeutig hervor, daß der gegenständliche Weg durch mindestens 30 Jahre lang ununterbrochen durch die Allgemeinheit im Gemeingebrauch stehe. Aus dem gesamten Akteninhalt gehe hervor, daß der Weg sowohl von Spaziergängern als auch von Ortsbewohnern benützt worden sei, um zu den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken zu gelangen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genüge es, wenn ein Weg von verhältnismäßig wenigen Personen benutzt werde. Das notwendige Verkehrsbedürfnis sei durch den Amtssachverständigen in der Verhandlung der Aufsichtsbehörde vom 12. März 1993 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt worden. Aufgrund des Fehlens von Gehsteigen sowie der problematischen Sichtverhältnisse im Kurvenbereich sei eine Beeinträchtigung der Verkehrssichtheit der Fußgänger im betroffenen Abschnitt der nahegelegenen Landesstraße 2012 als gegeben anzunehmen. Demgegenüber stehe, daß die Fußgänger im Falle der Benützung der Passauer Straße sowie des strittigen Weges diese Strecke auf einer äußerst schwach befahrenen Gemeindestraße sowie auf einem Weg zurücklegen könnten, welcher nur einer Hauszufahrt diene.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Nö Landesstraßengesetz, LGBl. 8500-0, gilt eine Privatstraße als öffentliche Straße, wenn sie mindestens 30 Jahre lang ununterbrochen von jedermann ohne ausdrückliche Bewilligung zur Befriedigung eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses benützt wird. Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. entscheidet über die Frage, ob einer Privatstraße die Merkmale der Öffentlichkeit zukommen, auf Begehren eines Beteiligten oder von Amts wegen die Behörde aufgrund einer örtlichen Verhandlung. Gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. ist in dem gemäß Abs. 2 zu erlassenden Bescheid festzustellen, für welche Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahrzeug-, Reit-, Radfahr-, Fußgeherverkehr) die Straße dient.

Die Beschwerdeführer machen - wie schon im Verwaltungsverfahren - geltend, daß die derzeitige verkehrsbedingte Situation sowie Bedarfs- und Interessenlage schon infolge der durch die erst nach erfolgter Parzellierung im Jahre 1970 im oberen Teil der Passauer Straße errichteten Baulichkeiten grundlegend veränderte Beschaffenheit des umliegenden Geländes keineswegs mit jener vor 30 Jahren gleichgesetzt werden könnte. Es komme im vorliegenden Fall aber gerade darauf an, ob der gegenständliche Weg bereits damals einem dringenden Verkehrsbedürfnis der Allgemeinheit gedient habe. Dies sei deshalb nicht der Fall gewesen, weil er durchgehend von Ackerland umgeben gewesen sei und nur über Felder zu den vereinzelt und verstreut liegenden Häusern von Anrainern geführt habe, die über die damals noch kaum frequentierte Landesstraße, vor allem bei Schlechtwetter und im Winter, wesentlich bequemer erreichbar gewesen sei. Von einem zu dieser Zeit bestandenen öffentlichen Interesse oder Bedarf der Allgemeinheit bzw. einem Gemeingebrauch könne daher in Wahrheit keine Rede sein und es gehe jetzt auch nur um behauptete Anrainerinteressen. Die belangte Behörde habe in ihrem Bescheid vom 22. April 1993 ergänzende Vernehmungen über die im einzelnen angeführten beantragten erheblichen Beweisthemen verlangt, insbesondere über die Frage, ob als Zugang zum Wald die asphaltierte Landesstraße und deren Verlängerung (als wesentlich kürzere Verbindung) oder der damals noch unbefestigt gewesene Weg und die daran anschließenden (bei Schlechtwetter aufgeweichten) Äcker gedient hätten.

Die tragenden Aufhebungsgründe des unbekämpft gebliebenen Vorstellungsbescheides der belangten Behörde vom 22. April 1993 sind für das fortgesetzte Verfahren bindend (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1993, Zl. 93/05/0074). Danach hätte zur Klärung des Gemeingebrauches durch 30 Jahre dem Beweisantrag der Beschwerdeführer vom 25. September 1991 Rechnung getragen werden müssen. Die belangte Behörde hob insbesondere die Frage hervor, ob Personen früher in den nahegelegenen Wald über die Landesstraße 2012 oder die Passauerstraße gegangen seien, obwohl sich diesbezügliche Ausführungen im Beweisantrag nicht finden. Weitere Themen des genannten Beweisantrages waren, daß der verfahrensgegenständliche Privatweg vor Errichtung der Häuser im Bereich des ehemaligen Grundes der Pfarrgründe T (Grundstück Nr. n3) in den Jahren 1971 bis 1974 keine taugliche, von der Allgemeinheit ununterbrochen nutzbare Verkehrsverbindung zur Landesstraße 2012 ermöglicht habe, da sich dazwischen bewirtschaftete Äcker, vor allem die Grundstücke der Familien Sch. und B. befunden hätten. Drei Lichtbilder in Fotokopie über diese damalige örtliche Situation sowie ein Lageplan aus dem Jahre 1933 und ein Teilungsplan vom Juli 1962 seien vorgelegt worden, die den Weg nicht enthielten. Zum Beweis dafür, daß der Weg vor Errichtung der neuen Häuser zwar von einzelnen Anrainern zur Bewirtschaftung umliegender Grundstücke oder um zu ihren Gebäuden zu gelangen, wahlweise benützt worden sei, nicht aber von der Allgemeinheit zur Befriedigung eines notwendigen Verkehrsbedürfnisses, wird in diesem Beweisantrag die Einvernahme der Zeugen R.S., E.S., J.W. und H.S. beantragt, die auch zu der im Antrag näher ausgeführten Auffassung der Beschwerdeführer Stellung nehmen sollten, daß zwischen dem verfahrensgegenständlichen Teil des Privatweges und dem oberen Zugang von der Landesstraße 2012 aus gesehen (die Grundstücke Nr. n4/9 und n4/21) zur Landesstraße 2012 keine Verbindung bestanden habe. In der Begründung dazu wird u.a. auf einen Schenkungsvertrag vom 21. Februar 1968 verwiesen. In diesem sei den Rechtsvorgängern von der Eigentümerin des neuen Grundstückes Nr. n4/21 auch mit Wirksamkeit für die beiderseitigen Rechtsnachfolger für immerwährende Zeiten das Recht eingeräumt worden, über den auf dem Grundstück Nr. n4/9 entlang der Grenze zum Grundstück Nr. n3/1 verlaufenden (im Teilungsplan eingezeichneten) und in der Fortsetzung des verfahrensgegenständlichen Weges gelegenen Weg zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, um von der öffentlichen Straße (Landesstraße 2012) zum Gartengrundstück Nr. n4/21 zu kommen.

Die Berufungsbehörde setzte sich im fortgesetzten Verfahren nicht ausreichend mit den von den Beschwerdeführern in dem Beweisantrag vom 25. September 1991 aufgeworfenen Fragen betreffend die Annahme eines 30jährigen Gemeingebrauches auseinander, u.a. insbesondere mit der von der belangten Behörde besonders hervorgehobenen Frage des Zuganges zum Wald. Es ist zwar nicht zu beanstanden, daß die Berufungsbehörde dem Erstbeschwerdeführer als Zeugen wegen seiner Minderjährigkeit im damaligen Zeitpunkt keinen Glauben schenkte. In der Befragung der anderen beiden Zeugen sind aber die im Beweisantrag aufgeworfenen Beweisthemen (betreffend die Situation und Benützung des Weges vor der Errichtung der Häuser auf dem später parzellierten Grundstück Nr. n3 und den Zugang zum Wald) nicht behandelt worden. Um dem gemäß der Vorstellungsentscheidung der belangten Behörde vom 22. April 1992 zu behandelnden Beweisantrag der Beschwerdeführer vom 25. September 1991 Rechnung zu tragen, genügte auch nicht - wie das die belangte Behörde offensichtlich annahm - die Einvernahme der genannten Zeugen, da durch den Beweisantrag - wie dargelegt - grundsätzliche Fragen über den 30jährigen Gemeingebrauch auf dem verfahrensgegenständlichen Weg aufgeworfen worden waren, die zu klären waren. Es fehlen insbesondere jegliche konkrete Ermittlungen, wie sich die Situation auf dem verfahrensgegenständlichen Weg vor der Errichtung der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Häuser in den Jahren 1970 - 1974 im oberen Teil der Passauerstraße (früher das Grundstück Nr. n3/1, nunmehr offensichtlich die Grundstücke Nr. n3/1 und Nr. n3/5 - 15) und seine Benützung dargestellt hat. Indem die belangte Behörde diesen Verfahrensmangel der Berufungsbehörde nicht aufgegriffen hat, belastete sie ihren Bescheid jedenfalls mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Es wird darauf hingewiesen, daß, sofern alle für den maßgebenden Sachverhalt im vorliegenden Fall erforderlichen Beweismittel vorliegen, diese gemäß § 60 AVG einer Beweiswürdigung zu unterziehen sind.

Die Beschwerdeführer sind aber auch mit der Auffassung im Recht, daß allein aus dem Umstand, daß der Verkehrserhalter auf der nahegelegenen Landesstraße keinen Gehsteig errichtet hat, kein notwendiges Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. abgeleitet werden kann. Im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1972, Zl. 834/71, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß im Zusammenhang mit der Öffentlicherklärung einer Straße nicht nur zu untersuchen ist, ob sie tatsächlich von jedermann benutzt wird, sondern es seien auch die Ursachen der Benützung festzustellen. Nach diesem Erkenntnis kann es innerhalb des Begriffes des "notwendigen Verkehrsbedürfnisses" keine Berücksichtigung finden, wenn der Erhalter bestehender Verkehrsverbindungen ihm in dieser Eigenschaft obliegende Verpflichtungen nicht erfüllt. Es wird aber auch auf die hg. Judikatur verwiesen, nach der bereits von einem notwendigen Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 2 Abs. 1 leg. cit. auszugehen ist, wenn eine Straße zumindest für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bevölkerung eines Ortes notwendig ist und die Zufahrt über andere Straßen nur mit einem unverhältnismäßig großen Kosten- und Zeitaufwand möglich wäre. Für die Annahme eines dringenden Verkehrsbedürfnisses (dieses ist wohl gleichzusetzen mit einem notwendigen Verkehrsbedürfnis) ist allerdings nicht erforderlich, daß das Interesse an einer Zufahrt über ein Anrainerinteresse hinausgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1993, Zl. 93/05/0184, und die in diesem zitierte Vorjudikatur). Auch in dieser Hinsicht stellt sich somit der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig dar.

Auch der zweite Absatz des Spruches, der dahin geht, daß der Weg mit einer Durchgangsbreite von mindestens 3 m freizubleiben hat, muß als inhaltlich rechtswidrig erkannt werden, da er keine Grundlage in dem von der belangten Behörde angeführten § 2 Abs. 2 Nö Landesstraßengesetz hat, wobei angemerkt wird, daß auch die Erforderlichkeit einer Durchgangsbreite eines Weges von 3 m FÜR DEN FUßGEHERVERKEHR fraglich erscheint. Es ergibt sich zwar unmittelbar aus dem Bescheid betreffend die Öffentlicherklärung die Verpflichtung des Eigentümers, keine Handlungen zu setzen, die geeignet wären, den öffentlichen Verkehr in dem Umfang, in dem er von der Behörde festgestellt worden ist, zu behindern. Ob der Eigentümer einer für öffentlich erklärten Straße dieser Verpflichtung nachkommt, kann aber immer erst nach Erlassung eines die Öffentlicherklärung enthaltenden Bescheides gegenüber diesem festgestellt werden. Erst dann könnten gegenüber dem Eigentümer Maßnahmen zur Sicherung der allgemeinen Benützbarkeit einer Straße (als eine solche stellt sich der angeführte Absatz 2 des Spruches des Berufungsbescheides des Gemeinderates dar) ergriffen werden. Abgesehen davon steht dieser Spruchteil in einem untrennbaren Zusammenhang mit der als rechtswidrig erkannten Feststellung der Öffentlichkeit des verfahrensgegenständlichen Weges, weshalb er schon aus diesem Grund in die Aufhebung einzubeziehen war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050120.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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